Pocken-Virus breitet sich aus

Ist Mpox in Afrika noch zu stoppen?

Seit mehr als drei Monaten gilt die Krankheit Mpox als globaler medizinischer Notfall. In Afrika, dem Kontinent mit den bei weitem meisten Fällen, steigen die Fallzahlen immer weiter.

Ein an Mpox erkranktes Kind liegt in einem Krankenhaus der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu.

© Moses Sawasawa/AP/dpa/Moses Sawasawa

Ein an Mpox erkranktes Kind liegt in einem Krankenhaus der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu.

Von Markus Brauer/dpa

Jede Woche neue Krankheitsfälle und mittlerweile mehr als tausend Tote: Seit Monaten kämpfen die Gesundheitsbehörden in Afrika gegen die Krankheit Mpox. Auch wenn Impfkampagnen begonnen haben, scheint ein Ende des Ausbruchs nicht in Sicht. Wöchentlich aufs Neue wiederholt Jean Kaseya, Direktor der afrikanischen Gesundheitsbehörde CDC Africa, in seinen Lageberichten: „Mpox in Afrika ist nicht unter Kontrolle“.

Mpox outbreak could start plateauing next year, Africa CDC says https://t.co/GrWVqt95JApic.twitter.com/gqxaUmMMAN — Nation Africa (@NationAfrica) November 29, 2024

Afrikanische Länder nicht auf Pandemien vorbereitet

Für Kaseya und andere Gesundheitsexperten hat die Lage etwas von einem Déjà-vu. Denn wie schon während der Covid-Pandemie zeigen sich die Schwächen der Infrastruktur des Gesundheitswesens auf dem Kontinent: zu wenig Labor- und Testkapazitäten, vor allem aber zu wenig eigene Impfstoffproduktion.

Die Gesundheitsbehörden auf dem Kontinent sind darauf angewiesen, dass die reichen Länder Impfstoffe aus ihren Beständen zum Schutz vor dem Virus zur Verfügung stellen.

Ausbrüche in 20 Ländern

Derzeit gibt es nach Angaben von CDC und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Mpox-Fälle in 20 afrikanischen Ländern. In der vergangenen Woche ist ein erster Fall in Angola aufgetreten. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Fälle auf bald 60.000 gestiegen, 1164 Todesfälle gab es in diesem Jahr bisher im Zusammenhang mit Mpox.

Mpox, früher Affenpocken genannt, treten – hauptsächlich von Nagetieren auf den Menschen übertragen - in Zentralafrika immer wieder auf. Die Viren gehören zur Unterfamilie der Orthopoxviren (Orthopox variolae) – also den Pockenviren. Pocken sind eine hoch kontagiöse (ansteckende) Krankheit, die durch das Variola-Virus verursacht wird. Die Sterblichkeitsrate liegt bei rund 30 Prozent.

Im Verlauf der Infektion bilden sich im der Regel Bläschen am ganzen Körper. Die Inkubationszeit – also die Zeit, die zwischen Infektion mit einem Virus und dem Auftreten der ersten Symptome vergeht – beträgt durchschnittlich zwei Wochen.

Dass es über Jahrzehnte nie zu großen Ausbrüchen kam, lag unter anderem an der früher üblichen Pockenimpfung. Sie schützt auch gegen die eng verwandten Mpox-Viren. Die Pocken gelten seit 1980 als ausgerottet, daher wurden die Impfungen eingestellt.

Wie werden Mpox-Viren übertragen?

Aerogene Infektion: Normalerweise werden Mpox über die Luft übertragen – durch die sogenannte aerogene Infektion. In einigen der bisher diagnostizierten Fälle gingen die Gesundheitsexperten auch von einer Infektion durch Flüssigkeiten aus.

Von Tier zu Mensch: In Gebieten, in denen Mpox endemisch verbreitet ist, erfolgt die Übertragung auf den Menschen vor allem durch Kontakt zu infizierten Tieren beziehungsweise deren Ausscheidungen und durch den Verzehr von nicht ausreichend erhitztem Fleisch infizierter Tiere.

Von Mensch zu Mensch: Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist bei Mpox selten und erfolgt in der Regel nur bei engem Kontakt – vor allem durch Sexualkontakte. Bei der Mehrheit der bisher bekanntgewordenen Erkrankungen sind Männer betroffen, die Sexualkontakte zu anderen Männern hatten. In den Pocken befinden sich besonders hohe Virusmengen. Bei Hautkontakt – etwa von aufgeschürfter und eingeritzter Haut oder nicht intakten Schleimhäuten – ist eine Infektion mit dem Bläscheninhalt der Pocken oder den Krusten (Schorf) auf der Haut möglich. Bei Geschwüren oder Wunden im Mund kann das Virus außer durch direkten Kontakt auch über den Speichel der Betroffenen übertragen werden. Eine Ansteckung durch Sperma oder Vaginalsekret scheint ebenfalls möglich zu sein.

Weltweiter Mpox-Alarm

Die Erkrankung war bis Anfang 2022 praktisch nur aus einigen afrikanischen Ländern bekannt. Im Frühjahr entdeckten Ärzte dann plötzlich zahlreiche Fälle in anderen Ländern. Die WHO rief wie schon bei Corona den internationalen Gesundheitsnotstand aus. Dieser wurde im Mai 2023 wieder beendet, nachdem die Fallzahlen deutlich gesunken waren.

Mitte August 2024 hatten CDC Africa und WHO wegen der Mpox-Ausbrüche in Afrika und der neuen, womöglich gefährlicheren Variante Klade Ib die höchste Alarmstufe ausgerufen. „Public health emergency of international concernd, einen globalen Notfall, oder genauer: eine gesundheitliche Notlage internationaler Reichweite. Damit sollen Behörden in aller Welt zu erhöhter Wachsamkeit gebracht werden.

Verzögerungen bei Impfkampagnen

Auch galt es, auf dem Kontinent eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, während die Fälle von der besonders betroffenen Demokratischen Republik Kongo (DRK) auf immer mehr Staaten auch außerhalb Zentralafrikas übergriffen. Mehr als 90 Prozent der Fälle werden allerdings weiterhin in Zentralafrika verzeichnet. Auch 95,5 Prozent der 2680 neuen Fälle der vergangenen Woche gab es im Kongo, in Uganda und Burundi.

Bis zur ersten Novemberhälfte erhielten die DRK, Ruanda und Nigeria insgesamt 280.000 Dosen Impfstoff. Doch die Impfungen begannen im Kongo und in Nigeria mit Verzögerungen. Schlechte Infrastruktur in riesigen Gebieten, mangelnde Kühlmöglichkeiten und Strom-Engpässe erschweren die Verteilung der Impfstoffe gerade in ländlichen Regionen zusätzlich.

Zudem sind die bisher gelieferten Impfdosen letztlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein: Schon bei der Ausrufung des Alarms hatte Kaseya von mindestens zehn Millionen Impfdosen gesprochen, die auf dem Kontinent benötigt würden, um dem Ausbruch Einhalt zu gebieten.

Keine Impflösung für Kinder

Zu den besonders betroffenen Gruppen gehören Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Ihr Anteil an den Krankheitsfällen liegt in den einzelnen Ländern zwischen 40 und mehr als 50 Prozent. Da allerdings nicht alle Staaten Krankheitsfälle bei Kindern gesondert erfassen, gibt es keine Zahlen für alle betroffenen Länder.

Doch die vorhandenen Impfstoffe gegen Mpox sind bisher nicht für Kinder zugelassen. Hier gibt es nun Hoffnung, betont Ngashi Ngongo, der Mpox-Manager der CDC Africa in der jüngsten Bilanz. Japan habe der Demokratischen Republik Kongo drei Millionen Dosen eines Impfstoffs in Aussicht gestellt, der auch für Kinder ab einem Jahr in Frage kommt. Da Zulassungsverfahren in dem afrikanischen Land steht allerdings noch aus.

Bisherige Schutzmaßnahmen reichen nicht

Abstand und Hygienemaßnahmen, mit denen schon während der Corona-Pandemie versucht wurde, Ansteckungen zu minimieren, können nur begrenzt greifen – ganz besonders im stark betroffenen Ostkongo. Hier leben insgesamt rund sieben Millionen Menschen unter äußerst beengten Verhältnissen in Flüchtlingslagern, nachdem sie vor bewaffneten Kämpfen in der konfliktreichen Region geflohen sind.

„Man kann nicht einmal daran denken, alle Verdachtsfälle zu isolieren, weil es eine riesige Bevölkerung gibt und es keinen Platz und keine Einrichtungen dafür gibt“, erklärt Agnese Commelli, Ärztin der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Goma im Ostkongo.

Schon mit der Erfassung der Fälle tun sich die Gesundheitsbehörden schwer. Nur ein kleiner Teil der Verdachtsfälle konnte offiziell bestätigt werden. Es gibt keine Schnelltests, Proben müssen in Labors geschickt werden und Patienten und das behandelnde medizinische Personal haben erst nach Tagen oder Wochen Gewissheit, ob die ansteckende Krankheit bestätigt ist.

Kranke warten erst mal ab

Viele Menschen suchen die Gesundheitsdienste erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit auf, wie Commelli erläutert. „Die laufen keine vier Kilometer oder mehr zum nächsten Gesundheitsposten, bloß weil sie Fieber haben. Sie kommen, wenn es ihnen schlechter geht und der Hautausschlag bereits fortgeschritten ist.“ Auch sei die Furcht vor einer Mpox-Ansteckung nicht sonderlich ausgeprägt, hat die Ärztin festgestellt. „Es ist kein Ebola.“

Bis zum Arztbesuch würden daher oft Angehörige und Nachbarn angesteckt, vor allem dort, wo die Menschen dicht beieinander lebten.

Symptome einer Mpox-Infektion

Neben dem charakteristischen Hautausschlag zählen Schüttelfrost, Fieber sowie Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen zu den typischen Symptomen. Tödliche Verläufe gibt es vor allem in Regionen mit begrenztem Zugang zu medizinischer Versorgung. Sie betreffen häufig Kinder, vor allem bei Unterernährung, sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem.

Nach einer durchgemachten Mpox-Erkrankung entwickelt man eine jahrelang anhaltende Immunität gegen eine erneute Ansteckung. Bereits erkrankte Menschen brauchen daher zunächst keine Impfung. „Je weiter sich ein Ausbruch ausbreitet, desto weniger nützlich werden die Impfstoffe sein“, erläutert Commelli.

Kampf gegen Mpox geht zulasten anderer Bereiche

Folgen hat der mühsame Kampf gegen die Ausbreitung des Virus unterdessen schon für andere Bereiche des Gesundheitssystems auf dem Kontinent, wie Commelli erklärt: Die Vorbeugung und Behandlung anderer Krankheiten wie Malaria und Cholera leide darunter, dass ein großer Teil der ohnehin geringen Kapazitäten durch die Mpox-Bekämpfung gebunden sei.

Info: Endemie, Epidemie, Pandemie

EndemiePermanente Bedrohung: Eine Krankheit, die in bestimmten Regionen in regelmäßigen Zyklen auftritt, wird als endemisch bezeichnet. Bei einer Endemie bleibt die Zahl der Erkrankungen über die betreffende Zeit relativ konstant. Ein Beispiel für eine Endemie ist die Malaria, an der jedes Jahr 300 Millionen Menschen weltweit erkranken, hauptsächlich in den Tropen.

EpidemieAusbruch in einer Region: Wenn von einer Epidemie die Rede ist, meint man eine Krankheit, die in einer bestimmten Region und in einem begrenzten Zeitraum ungewöhnlich häufig auftritt. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Krankheit besonders gefährlich oder tödlich ist. Entscheidend ist, dass die Zahl der Erkrankungen in einer bestimmten Region über das normal zu erwartende – sogenanntes endemisches – Level steigt. Ein berüchtigtes Beispiel für eine Epidemie sind die Pocken, die seit Beginn des 16. Jahrhunderts von den europäischen Eroberern nach Amerika eingeschleppt wurden und Millionen Indigenen den Tod brachten.

PandemieWeltweiter Ausbruch: Eine Epidemie wird zur Pandemie, wenn sich der Krankheitserreger über die Grenzen einzelner Länder oder eines Kontinentes ausbreitet. Laut WHO werden Pandemien meistens von neu auftretenden Erregern oder Virustypen – wie dem Corona-Virus – verursacht. Eine typische Krankheit pandemischen Ausmaße ist die Spanische Grippe von 1918 oder die Schweinegrippe, die 2009 eine Pandemie auslöste.

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Erstellt:
29. November 2024, 12:52 Uhr
Aktualisiert:
29. November 2024, 12:55 Uhr

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