Fahrradhersteller

Italiens Edelmarken hängen die Konkurrenz ab

Dank Erfolgen bei großen Sportereignissen wie der Tour de France legen Colnago, Bianchi und Pinarello gegen den Trend zu und erweitern ihre Kapazitäten.

Tour-de-France-Sieger Tadej Pogačar fährt Colnago.

© dpa/David Pintens

Tour-de-France-Sieger Tadej Pogačar fährt Colnago.

Von Gerhard Bläske

Tour-de-France-Sieger Tadej Pogačar fährt auf einem Fahrrad der italienischen Edelmarke Colnago. Seine Erfolge haben der 1954 in Cambiago bei Mailand gegründete Marke, die seit 2020 mehrheitlich zu Chimera Investment aus Abu Dhabi gehört, einen wahren Boom beschert.

Edelmarke plant Bau eines neuen Werkes

Colnago hat den Umsatz seither auf 55 Millionen Euro verdreifacht. Für dieses Jahr peilt der Vorstandsvorsitzende Nicola Rosin 60 Millionen Euro an. In drei bis vier Jahren sollen es 100 Millionen Euro werden. Die Ertragslage ist mit einer Bruttobetriebsmarge von 25 Prozent mehr als komfortabel. Das Orderbuch deckt einen halben Jahresumsatz ab. Das Unternehmen investiert 15 bis 20 Millionen Euro in ein neues Werk und will die Mitarbeiterzahl von 60 Mitarbeitern um zehn bis 15 Beschäftigte aufstocken. Ein wichtiger Treiber sind – wie bei den anderen Edelmarken – die Exporte. Bei Colnago liegt die Exportquote bei 72 Prozent.

Das italienische Unternehmen gehört zu einer Gruppe von italienischen Herstellern, die dem negativen Branchentrend trotzen. Nach den Boomjahren zwischen 2019 und 2022 sind die Fahrradverkäufe in Europa 2022 und 2023 stark zurückgegangen. In Italien sank die Produktion 2023 im deutlich zweistelligen Prozentbereich. Erstmals seit 1975 wurden weniger als zwei Millionen Fahrräder und Komponenten produziert. Und auch 2024 läuft es schlecht.

Fünfstellige Preise für Räder aus limitierten Sonderserien

Anders sieht es nur bei den Produzenten sehr hochwertiger Rennräder aus: Erfolge von Kultmarken wie Colnago oder von Pinarello bei sportlichen Großereignissen haben italienischen Velos zu einer Sonderkonjunktur verholfen. Diese Namen, zu denen man noch Bianchi nennen muss, lassen das Herz jedes Radsportfans höher schlagen: Inklusive Komponenten kann so ein Zweirad etwa im Fall der Colnago-Sonderserie Fleur-de-Lys, limitiert auf 111 Velos, 23 000 Euro kosten. Auch Komponentenhersteller wie Campagnolo oder Selle Royal, der weltweit führende Hersteller von Sätteln und Fahrradzubehör, genießen weltweit einen hervorragenden Ruf.

Seit der Corona-Krise und der diversen geopolitischen Konflikte haben viele Produzenten früher ins Ausland transferierte Produktionen zurückgeholt. Denn es hatte teilweise Probleme gegeben, etwa Komponenten aus Asien zu bekommen. Auch die Transportkosten sind deutlich gestiegen. Viele Produzenten haben im Boom zwischen 2020 und 2022 zu viel produziert und sitzen auf Lagerbeständen.

Internationale Investoren zeigen Interesse

Nur Italiens Edelmarken expandieren. Nicht nur Colnago errichtet ein neues Werk. Bianchi hat 40 Millionen Euro für eine neue Fertigungsstätte am Firmensitz in Treviglio in der Provinz Bergamo investiert. Der 1885 gegründete Fahrradhersteller gehört seit 1997 der in Schweden beheimateten Holding Grimaldi von Salvatore Grimaldi.

Der Erfolg der italienischen Radindustrie hat das Interesse internationaler Investoren geweckt. Die börsennotierte niederländische Accell Group, zu der der deutsche Fahrradhersteller Winora-Staiger gehört, hat aus Italien Atara und den Rennrad-, Mountainbike- und Elektroradhersteller Carraro aus Padua im Portfolio. Die Private-Equity-Gesellschaft L Catterton, die zur Familienholding von LVMH-Chef Bernard Arnault gehört, hat ihre 80-prozentige Beteiligung an Pinarello an das Family Office des südafrikanischen Milliardärs Ivan Glasenberg (Ex-Glecore) verkauft. Der Verkaufspreis soll bei knapp unter 300 Millionen Euro gelegen haben. Chairman Fausto Pinarello behielt seinen Posten und eine Beteiligung von 15 Prozent. Eine neue Fabrik ist geplant. Den Umsatz gibt er mit 100 Millionen Euro an. Die Ertragslage habe sich weiter verbessert. Auf einem Pinarello-Rad gewann Jan Ulrich 1997 die Tour de France.

Bei Zubehörlieferanten läuft es weniger gut

Die Phase der handwerklichen Schrauberei in irgendwelchen Hinterhöfen ist vorbei. Die notwendigen Investitionen in Innovationen, in die Diversifizierung des Angebots etwa in Gravel- und Elektro-Bikes, in moderne Fertigungen und in ein weltweites Verkaufsnetz verschlingen viel Geld. Dazu braucht es finanzkräftige Anteilseigner.

Weniger gut läuft es zuletzt für den Sattel- und Zubehörproduzenten Selle Royal aus Pozzoleone bei Vicenza, der seinen Umsatz zwischen 2019 und 2022 verdoppelt hatte. Der geplante Börsengang wurde Anfang 2022 wegen der unsicheren geopolitischen Situation abgeblasen. Das zu den weltweiten Marktführern gehörende Unternehmen hat auch die Sattelmarken Fizik und Brooks (Ledersättel) im Portfolio. Im Geschäftsjahr 2022/23 (30. Juni) sanken der Umsatz gegenüber dem Vorjahr von 223,8 Millionen Euro auf 176,5 Millionen Euro, die Ebit-Marge auf 6,9 (Vorjahr: 14,9) Prozent und der Nettogewinn auf 8,2 (24,5) Millionen Euro. Wise Equity stieg 2021 mit 33 Prozent ein. Die restlichen Anteile hält der Mailänder Investor Dec. 28 1928 Holding Spa, der auch den Reifenhersteller Vittoria Group kontrolliert.

Rückläufige Verkäufe

Die Fahrradverkäufe in Europa sind im vergangenen Jahr auf 11,7 Millionen Einheiten gesunken. 2022 waren noch 14,7 Millionen Einheiten verkauft worden.

Stabilisierend wirkte der Absatz von E-Bikes. Deren Absatz reduzierte sich nur von 5,5 auf 5,1 Millionen Stück. Der Umsatz in der Branche ging um 8,9 Prozent auf 19,3 Milliarden Euro zurück.

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Erstellt:
21. August 2024, 16:54 Uhr
Aktualisiert:
21. August 2024, 17:03 Uhr

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