Nova Meierhenrich über ihren unerfüllten Kinderwunsch
„Jahre auf Pausetaste, immer zwischen Hoffen und Enttäuschung“
Sie hatte den Masterplan: Studium, Karriere und dann ein Kind. Doch was, wenn das Leben anders spielt? Wenn es nicht klappt mit der Mutterschaft? Die Moderatorin und Schauspielerin Nova Meierhenrich hat ein Buch darüber geschrieben: „Lebensschlenker“.

© Katrin Schöning/Nova Meierheinrich
Nova Meierhenrich hat ihr drittes Buch geschrieben. Es behandelt ein Thema, das noch immer ein Tabu ist – unerfüllter Kinderwunsch.
Von Theresa Schäfer
Hoch oben auf einer Klippe über dem Geirangerfjord sitzt eine Frau und lässt einen Zettel in die Tiefe segeln. Darauf steht ein Name: Luka. So beginnt „Lebensschlenker“, das inzwischen dritte Buch der Schauspielerin und Moderatorin Nova Meierhenrich. Auf dieser Klippe in Norwegen verabschiedet sich die heute 51-Jährige von der „Blaupause“, nach der sie ihr Leben geplant hatte: Studium, Karriere, irgendwann Kind eins, Luka, und dann noch Kind zwei. Ein perfekt ausgeklügelter „Masterplan“, der nur noch konsequent abgearbeitet werden musste. „Ich hatte keinerlei Zweifel daran, dass irgendwann Luka zu meinem Leben gehören würde.“
Doch was, wenn das Leben anders spielt? Wenn es nicht klappt mit der Mutterschaft, die in Meierhenrichs Fall eine Solomutterschaft gewesen wäre, wenn Jahre der Kinderwunschbehandlung nicht zu einer Schwangerschaft führen? Nova Meierhenrich hat ein Buch geschrieben, über ein Thema, das so viele Frauen und Paare kennen, das aber immer noch ein Tabu darstellt: Ungewollte Kinderlosigkeit.
Laut einer Umfrage des Familienministeriums aus dem Jahr 2020 waren 45 Prozent der befragten Frauen und Männer zwischen 30 und 34 Jahren ungewollt kinderlos. Zwischen 35 und 39 Jahren waren es immerhin noch 39 Prozent. „Das Thema an sich ist überall, aber wen es persönlich betrifft, der schweigt immer noch oft“, sagt die 51-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung. „Und warum? Weil es unheimlich schmerzbehaftet ist.“
Nova Meierhenrich entschließt sich, allein Mutter zu werden
2016 beschloss Nova Meierhenrich, allein Mutter zu werden. „Ich wollte nicht unbedingt Solomutter werden“, sagt sie . „Klar hätte ich gern mit einem Mann, den ich liebe, ein Kind bekommen. Aber mir war immer klar – wenn der nicht rechtzeitig in mein Leben tritt, dann möchte ich diese wahnsinnig wichtige Entscheidung nicht davon abhängig machen.“ Also Solomutterschaft. 2016 bedeutet das für die Schauspielerin, zur Kinderwunschbehandlung ins benachbarte Dänemark auszuweichen. Heute sei das „zum Glück“ anders. „Mittlerweile bewegen sich deutsche Ärztinnen und Ärzte nicht mehr in einer rechtlichen Grauzone, wenn sie Solomütter behandeln.“
In ihrem Buch beschreibt die 51-Jährige sehr detailliert, wie das abläuft. Die Suche nach dem perfekten Samenspender – ein bisschen wie beim Onlineshopping: „Ein Klick, dann landete ‚Gordon’ in meinem Warenkorb.“ Die Hormonspritzen, die sie sich „wie ein Junkie“ bei der Premierenfeier auf der Damentoilette setzt. Die Ei-Entnahme – und die Bauchkrämpfe danach. „Nachts googelte ich mir die Finger wund nach Frühschwangerschaftssymptomen.“ Die tiefe Enttäuschung über den ersten negativen Schwangerschaftstest, den zweiten, den dritten.
Sie habe sich vorher ganz fest vorgenommen, nicht in einen „Optimierungswahn zu verfallen“. Doch dann beginnt das Gedankenkarussell: „Jeder Wert war toll, alles war perfekt – aber warum klappt es dann nicht? Dann beginnen die Selbstzweifel: Was ist mit mir nicht in Ordnung?“ Nächtelang scrollen sich Frauen durch einschlägige Foren, suchen nach Tipps: Das hier soll helfen. Probier doch das mal. „Dafür wird man sehr empfänglich, wenn man keinen anderen Weg mehr sieht. Dann greift man nach jedem Strohhalm – auch wenn es das Pülverchen ist, das man für sehr viel Geld in den USA bestellt.“
Kommen im Buch Fachbegriffe vor, In-vitro-Fertilisation zum Beispiel oder Anti-Müller-Hormon, werden sie genau erklärt. „Es war mir ganz wichtig, mit dem Buch einen Mehrwert zu bieten“, erläutert die Autorin. „Dass Frauen beim Lesen mehr über ihren Körper erfahren: Wie funktioniert das da drin eigentlich? Was spielt alles zusammen? Wann sind eigentlich die fruchtbaren Tage? So etwas wissen viele gar nicht.“
Sehr genau listet Meierhenrich auch die Kosten auf – die alleinstehende Mütter selbst tragen müssen. Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland zahlen Kinderwunschbehandlungen nur für verheiratete, heterosexuelle Paare. Nova Meierhenrich findet das ungerecht: „Warum wird eine Kostenübernahme davon abhängig gemacht, ob eine Frau einen Mann an ihrer Seite hat? Müssten wir nicht eigentlich schon viel weiter sein?“ Von den großen Parteien hatte vor der Bundestagswahl nur die Linke in ihrem Wahlprogramm stehen, dass sie das ändern will.
Nova Meierhenrich: „Ich war durch“
Wie setzt man einen Schlusspunkt? Wann ist der x-ste negative Schwangerschaftstest der eine zu viel? „Aufzuhören ist nicht einfach“, sagt die 51-Jährige. „Man setzt ja einen Punkt hinter einen Lebenstraum. Es kostet Kraft zu sagen: Bis hierhin und nicht weiter.“ Auf einer Schiffsreise zum Nordkap nahm sie Abschied – von ihrem Lebenstraum, Mutter zu sein, von Luka, dem Kind, das sie nicht haben würde. „Die Entscheidung hatte viele Gründe. Auch finanzielle, ich hätte mir einen weiteren Versuch schlicht nicht leisten können. Aber ich konnte auch nicht mehr, ich war durch – psychisch und physisch. Ich habe so viele Jahre auf Pausetaste gelebt, immer zwischen Hoffen und Enttäuschung.“
Wie oft hätte sie schreien können, wenn sie in einem Interview wieder die gefürchtete Frage hörte: „Willst du eigentlich keine Kinder?“ Gerne kam die auch live vor laufender Kamera. Wie in einer Falle, sagt Meierhenrich, habe sie sich da oft gefühlt: „Es ist so übergriffig: Man fragt auf einer Party nicht, wie viel jemand verdient, aber man darf eine Frau nach ihrem Bauch fragen? Das muss aufhören.“
Auch aus diesem Grund habe sie sich schließlich dafür entschieden, „Lebensschlenker“ zu schreiben. Vor allem eines habe in ihr gearbeitet: „Dass die Gesellschaft glaubt, Frauen vorschreiben zu dürfen, wie ihr Lebensentwurf auszusehen hat. Wenn eine Frau keine Kinder hat, ist sie karrieregeil. Wenn sie Kinder und Karriere hat, kommt sicher irgendwas zu kurz. Wenn sie keine Kinder möchte, ist sowieso was nicht mit ihr in Ordnung.“
Um möglichst vielfältige Lebensentwürfe zu zeigen, lässt Nova Meierhenrich im zweiten Teil ihres Buches auch andere Frauen zu Wort kommen. Ihr enge Freundin, die Schauspielerin Nina Bott zum Beispiel, die Mutter von vier Kindern ist. Die Ärztin Christine Wagner, die eine Online-Plattform gegründet hat, die Menschen mit Kinderwunsch für Modelle des Co-Parenting zusammenbringt. Oder die Moderatorin Annica Hansen, die nie einen Kinderwunsch verspürte und es nicht bereut, nicht Mutter geworden zu sein. „Es gibt eine Million Wege zum Wunschkind und eine Million Gründe für die Entscheidung gegen ein Kind“, sagt Nova Meierhenrich. „Ich wollte zeigen, wie vielfältig Lebensentwürfe sein können. Und dass es auch in vermeintlichen Sackgassen weitergehen kann, dass sich neue Möglichkeiten eröffnen.“
Mit ihrem Buch will die Schauspielerin und Moderatorin eine Diskussion anstoßen. Bemerkungen wie die des US-amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance über „childless cat ladies“ machen Nova Meierhenrich unheimlich wütend. Sie seien ein Ausdruck dessen, mit welcher Geringschätzung oftmals auf Frauen geblickt werde, die – aus völlig unterschiedlichen Gründen – keine Kinder haben. „Wichtig ist, dass wir sensibler werden: Die Lebensentscheidung einer Frau geht niemanden von außen etwas an. Du bist vollwertig – ohne Kinder genauso wie mit.“
Nova Meierhenrich: Lebensschlenker. Allegria, 208 Seiten, 19,99 Euro.
Zur Person
Nova MeierhenrichDie Schauspielerin und Moderatorin wurde 1973 geboren und steht seit fast 30 Jahren vor der Kamera. 2018 veröffentlichte sie das Buch „Wenn Liebe nicht reicht“, in dem sie über die Depressionen ihres Vaters schrieb. Die 51-Jährige ist Botschafterin der SOS-Kinderdörfer.