„Jeder in dem Tempo, in dem er kann“
Kursleiterin Florin Rathgeb richtet sich bei Sport im Park im Annonaygarten auf alle Altersklassen und Fitnesszustände ein
Auf spielende Kinder, plaudernde Eltern und dösende Sonnenanbeter übt der Annonaygarten große Anziehungskraft aus. Für Sportbegeisterte gibt’s die Parkour-Anlage und die Slackline, nun steuert die TSG Backnang 1846 immer dienstags um 18 Uhr ein weiteres Angebot bei: „Sport im Park“ ist offen für alle, die ihre Fitness steigern wollen. Die ersten zwei Termine zeigten: Das Konzept geht auf, alle Altersklassen sind vertreten.

© Sportfotografie Alexander Becher
Ein offenes Bewegungsangebot mitten in der Stadt: Kursleiterin Florin Rathgeb von der TSG Backnang 1846 ist ein echtes Energiebündel und macht alle Übungen selbst vor. Foto: A. Becher
Von Steffen Grün
BACKNANG. Humor hat sie, das muss man Florin Rathgeb lassen. Obwohl das Thermometer am frühen Abend selbst an dem schattigen Plätzchen am Rand des Annonaygartens noch auf beachtliche Höhen klettert, „machen wir uns trotzdem erst einmal warm“, ruft die Kursleiterin ihren Schäfchen zu und macht die erste Übung vor: „Jeder in dem Tempo, in dem er kann – lieber mal eine Pause einlegen.“ Es dauert nur ein paar Minuten, bis aus vereinzelten Schweißperlen auf der Stirn wahre Sturzbäche werden. „Die sind ja wahnsinnig“, entfährt es einer gemütlich an der Murr entlangradelnden Dame, die das Treiben für einen Moment beobachtet.
Diese Episode zeigt: Sport im Park geht nicht im Verborgenen, sondern in aller Öffentlichkeit über die Bühne – und das ist der Sinn der Sache. „Es wird zunehmend schwieriger, die Leute in den Verein zu locken“, schildert die stellvertretende Vorsitzende Claudia Krimmer ein Problem, das nicht nur die TSG Backnang 1846 betrifft. Der größte Sportverein der Stadt hat sich deshalb dazu entschlossen, neue Wege zu gehen: „Wir wollen die Menschen in ihren Lebenswelten abholen. Es geht darum, sie zu bewegen und für den Sport zu begeistern.“ Dazu gehört die Unverbindlichkeit: Es ist ein offenes und kostenloses Angebot ohne vorherige Anmeldung. „Die Gruppe wird sich immer wieder neu zusammensetzen“, prophezeit Krimmer: „Das Schöne ist, dass auch aus dem Annonaygarten immer wieder jemand dazustößt.“
Denen, die dort den Sommer genießen, kann Sport im Park auch kaum verborgen bleiben. Dafür sorgt zum einen die Musik, die Florin Rathgeb mitgebracht hat, und zum anderen sie selbst, denn die 24-Jährige entpuppt sich als echtes Energiebündel. Aus der Maubacherin sprudeln Lob, Tipps und Ansporn nur so heraus. Dazu begnügt sie sich nicht mit der Rolle der Beobachterin, sondern demonstriert auch, wie diese Übungen ihre optimale Wirkung entwickeln. „Aus dem Bauch raus“, mahnt sie bei den Sit-ups, „sehr gut, nur noch fünf.“ Nur noch ist gut, weil bereits das Aufwärmen ein paar Körner kostete und sie zehn Tabata-Übungen vorbereitet hat, die den Muskelapparat sowie die Fettverbrennung stärken. Zwanzig Sekunden höchster Belastung und zehn Sekunden Pause wechseln sich ab – ein Piepsen markiert das Ende der jeweiligen Phase, nach acht Wiederholungen geht es zur nächsten Übung.
„Die Intensität ist hoch, das ist der Sinn beim Tabata“, betont die Lehramtsstudentin, die jedoch Wert auf Abwechslung legt und bei Sport im Park auch andere Formen von Functional Training anwendet. In aller Regel seien es allerdings Übungen, „die man im Freien machen und zu Hause wiederholen kann“, die demnach ohne Zusatzgewichte und Zusatzgeräte auskommen. „Hauptsache Bewegung, Hauptsache Fitness“, verrät Florin Rathgeb ihr Motto: „Hauptsache, es macht Spaß.“ Den scheinen alle Teilnehmer tatsächlich zu haben, auch wenn bei diesen Temperaturen logischerweise eine Prise Quälerei dabei ist.
„Die Hälfte ist geschafft“, verkündet die Kursleiterin plötzlich: „Fünf Übungen haben wir, fünf fehlen noch.“ Auf die nächste hätten viele schon gewartet, meint sie, das verschmitzte Lächeln offenbart die Ironie: „Wir legen uns auf den Rücken und machen die Schere.“ Die Beine anheben und in der Luft überkreuzen, bequem ist etwas anderes. „Beißen, das schafft ihr“, feuert Rathgeb ihre Schützlinge an. Die tun es, so unterschiedlich die Motive für die Teilnahme sein mögen. „Es ist das effektivste Training, das es gibt“, findet Elena Hammer. Sie habe an die zehn Kilogramm abgenommen, seit sie Tabata mache und sich zudem gesünder ernähre. Der 22-Jährigen, die für Löchgau in der Regionalliga kickte und künftig zum Trainerstab des Regionenligisten FC Remseck-Pattonville zählt, für den neuerdings auch die Ex-Turnerin und Ex-Sportakrobatin Rathgeb aktiv ist, macht es in der Gruppe mehr Spaß.
Rudi Nobis kennt die Kursleiterin vom Coaching für gesunde Ernährung und begleitet seine Freundin zu Sport im Park. Der 27-jährige Bäcker spürt die positiven Auswirkungen: „Ich habe nachts in der Backstube jetzt deutlich mehr Energie.“ Alexandra Roth macht mit, weil Rathgeb eine gute Freundin ist, weil die 29-Jährige bereits deren Tabata-Kurs im Fitnessstudio besucht hat, und „weil ich Sport liebe, es Spaß macht und bei diesen Temperaturen in der Natur noch angenehmer ist“.
Weil es aber auch Leute gibt, die beim derzeitigen Wetter das Freibad vorziehen, glaubt Florin Rathgeb, dass die Teilnehmerzahlen noch steigen, „wenn es kühler wird“. Dann gewinnt auch das Aufwärmen wieder an Bedeutung, weil der Schweiß nicht schon beim Nichtstun strömt.
Sport im Park: Functional Training mitten in der Stadt Info Es ist ein offenes, kostenloses Bewegungsangebot der TSG Backnang 1846, für das keine Anmeldung nötig ist. Treffpunkt ist jeden Dienstag um 18 Uhr im Annonaygarten, mitzubringen sind eine Iso- oder Gymnastikmatte, ein Handtuch und etwas zum Trinken. Eine Umziehmöglichkeit gibt es nicht. Kursleiterin Florin Rathgeb setzt auf Functional Training. Dieser Trend schwappte aus den USA und Australien nach Deutschland und widmet sich dem ganzen Körper, ohne auf Zusatzgewichte und Geräte angewiesen zu sein. Mit Tabata- oder Zirkeltraining wird die Fitness schnell gesteigert. „Wir wollen die Stadt ins Boot holen, weil es ein Angebot im Sinne der kommunalen Bewegungsförderung ist“, sagt TSG-Funktionärin Claudia Krimmer und kann sich weitere Angebote von anderen Vereinen und Abteilungen, auch an anderen Orten, vorstellen. Dann wäre in ihren Augen aber eine Koordination seitens der Stadt Backnang erforderlich, um Wildwuchs zu verhindern und Doppelungen zu vermeiden. Weitere Informationen können per E-Mail an claudia.krimmer@tsg-backnang.de angefordert oder unter der Telefonnummer 07191/86187 eingeholt werden.