München im Adele-Fieber
Jetzt gilt’s: Ist der Hype um Adele gerechtfertigt?
Von 2. bis 31. August gibt die britische Sängerin Adele zehn Konzerte in München. Dafür hat sie sich extra eine Pop-Up-Arena aufbauen lassen – und auch beim Übernachten geht die Diva keine Kompromisse ein.
Von Patrick Guyton
Auch Google Maps hat diesen Ort schon entdeckt und markiert. „Adele in Munich“ steht auf der Internet-Landkarte, Adele in München. Weit im Osten der Stadt, bei der Messe in Riem, ist da noch braun-grau-ödes Niemandsland zu sehen. Das hat sich in den letzten Monaten geändert. Nun steht dort ein riesiges Stadion, ganz allein für die britische Popsängerin gemacht, und daneben ein Rummelplatz, die „Adele World“.
Im Pop-Up-Stadion ist alles auf Superlativ ausgelegt
Im ganzen August gibt die 36-Jährige zehn Konzerte an diesem Ort, die ersten beiden sind an diesem Freitag und Samstag. 74 000 Besucher fasst die Arena, insgesamt können also 74 0000 Menschen Adele sehen. Alles ist hier vor allem auf eines ausgelegt: den Superlativ in diesem in München und Deutschland sowieso schon sehr ausladenden Konzertsommer. „Das Ereignis übersteigt alles bisher Dagewesene“, schwärmt der Veranstalter Marek Lieberberg.
Schon Ende vergangenen Jahres begann der Hype, und er war bestens inszeniert. Vier Konzerte waren vorerst angekündigt, im Februar 2024 startete der Kartenverkauf. Die PR- und Werbungswalze nahm Fahrt auf, es gab mehr Termine, das Pop-Up-Stadion wurde als neuartige Wunder-Spielstätte angepriesen.
Mit 220 Metern die längste Leinwand der Welt
75 000 Quadratmeter Fläche wurden mit wasserdurchlässigem Asphalt zugepflastert, auch bei Regen soll man nicht in Pfützen stehen. Die Arena ist 300 Meter breit, die Outdoor-Leinwand im Stadion soll mit 220 Metern die längste der Welt sein. Und auf den schwarzen Absperrungen zu diesem Tempel der Neuzeit steht immer nur ein Schriftzug in weißen Großbuchstaben: „ADELE“.
Die zehn Münchner Auftritte sind Adeles Europatournee. Sie ist in München, und die Fans sollen kommen, so das Konzept - aus Lissabon oder Kopenhagen, Athen oder Warschau. Für Adele und die ganze Riesen-Crew entfällt das beschwerliche Reisen, zugleich wird München zum Zentrum des Adele-Taifuns.
Vier Schlafzimmer, sechs Bäder und Butlerservice
Ihre Suite in der Altstadt hat die Sängerin schon bezogen, im neuen Luxushotel „Rosewood“ gleich neben dem legendären „Bayerischen Hof“. Adele wohnt im fünften Stock auf 452 Quadratmetern, will die Boulevardzeitung „tz“ in Erfahrung gebracht haben. Dem „Goldkelchen“, so die Zeitung, stehen vier Schlafzimmer, sechs Bäder sowie Butlerservice zur Verfügung. Preis pro Nacht: 30 000 Euro. Von außen fällt die einstige Adelsresidenz nicht sonderlich auf, auf den Straßen bemerkt man aber die hohe Dichte an Luxuslimousinen.
Der Reiz der temporären Popup-Spielstätte in Riem besteht darin, dass dort alles auf den Quadratzentimer genau auf die Künstlerin und ihre Show zugeschnitten ist. Am Ende wird alles wieder abgebaut und der Asphalt rausgerissen. Doch ist das ökologisch und nachhaltig, wenn zum Schluss alles so hinterlassen wird, wie es zuvor war?
Die Berliner Gruppe „C2C NGO“ setzt sich für Konzepte ein, die Ressourcen schonen. Sie verwies schon im Februar auf den mutmaßlichen Haken an Adeles Popup-Konzept: die CO2-Belastung durch den ungeheuren Reiseverkehr, den die Fans aus ganz Europa verursachen. Viele kommen mit dem Flugzeug, 80 Prozent aus dem Ausland. Sie haben Gesamtpakete gekauft und hängen noch ein paar Tage München und Bayern dran. Die Stadt München freut es, das Wirtschaftsreferat rechnet mit 560 Millionen Mehreinnahmen durch Adele etwa für die Gastronomie und das Hotelgewerbe.
Adele hat eine zugegeben betörende Stimme, und sie hat ein paar sehr gute Songs gemacht. Es geht bei ihr weitgehend um Liebe und Herz, Trennung und Schmerz. Zeitlose Themen, die schon seit jeher jeden irgendwie mal tangiert haben. Eineinhalb Jahre am Stück hat sie Las Vegas bespielt. Nun sagt sie, dass sie nach München erst einmal lange nichts machen werde. Denn: „Mein Speicher ist im Moment ziemlich leer.“ Keine glückliche Äußerung vor dem Konzertsommer ihres Lebens und vieler ihrer Fans.
Wer schon etwas älteren Jahrganges ist, auf den wirkt diese Frau ein wenig künstlich, siehe übrigens das zweite Phänomen dieser Art, Taylor Swift. Von deren zwei Konzerten am vergangenen Wochenende bleiben ikonografische Bilder, die eben nicht inszeniert wurden - wie 40 000 Swifties den Olympiaberg dicht an dicht besetzten, um die Musik aus dem Stadion zu hören. Auch an Adele erscheint so vieles glattgebügelt, sie ist eine perfekte und vor allem auch perfekt kommerzielle Inszenierung.
Probleme beim Onlineverkauf
Die „Süddeutsche Zeitung“ meinte recht boshaft, Adele sei ein „Star“, aber kein „Superstar“. Womit man zu der Malaise mit den Tickets kommt. Bei den Onlineverkäufen auf den Plattformen, bei vermutlich eingesetzter Technik, die die Preise je nach Andrang nach oben oder unten drückten, hat sich ein heilloses Kuddelmuddel ergeben.
Ist der Run auf die Tickets wirklich so groß?
Was viele Fans nachhaltig störte und stört. Viele Karten kosteten 400 Euro, die günstigen für 75 waren nie zu finden. Mal galten Platzreihen als ausgebucht, dann ploppten sie wieder im Verkauf auf. Zuletzt wurde mit wenigen Sonder-Tickets für nur 35 Euro geworben. Was den Verdacht nährt, dass der Run auf 74 0000 Adele-Tickets womöglich doch nicht so ganz gewaltig ist. Die alten Haudegen von AC/DC verkauften immerhin, so wurde jüngst vermeldet, bei ihrer ganz klassischen Stadiontournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz 80 0000 Karten.