Thüringer Landtag

Justiz-Dilemma mit der AfD - Blockade im Landtag droht

Im Thüringer Landtag verhindert die AfD die Besetzung wichtiger Gremien und fordert Einfluss auf die Kontrolle des Verfassungsschutzes. Der Streit könnte die Justiz lähmen.

Die Fraktion von Björn Höcke blockiert die Besetzung wichtiger Gremien. (Archiv)

© dpa/Martin Schutt

Die Fraktion von Björn Höcke blockiert die Besetzung wichtiger Gremien. (Archiv)

Von red/dpa

In keinem anderen deutschen Parlament hat die AfD so viel Macht: Mit ihrer Sperrminorität blockiert die Fraktion von Björn Höcke in Thüringen die Besetzung wichtiger Gremien. Der Richterbund warnt vor einem personellen Kollaps in der Justiz. Die AfD verlangt einen Posten im Landtagspräsidium und Einfluss bei der Kontrolle des Verfassungsschutzes, von dem sie selbst als rechtsextremistisch eingestuft wird. Die Abgeordneten der anderen Fraktionen stellt das vor ein Dilemma - ein unauflösbares?

Ohne die Besetzung des Richterwahl- und des Staatsanwältewahlausschusses können in Thüringen keine Richter und Staatsanwälte auf Lebenszeit berufen werden, erläutert Holger Pröbstel, Landesvorsitzender des Deutschen Richterbundes in Thüringen. „Dadurch ist auf Dauer die Funktionsfähigkeit der Justiz nicht gewährleistet.“

Auch das Thüringer Justizministerium sieht Probleme: „Wenn keine Ernennungen auf Lebenszeit und gegebenenfalls keine zustimmungspflichtigen Beförderungen erfolgen könnten, würde die Arbeitsfähigkeit der Justiz erschwert, die sich gerade in einem Generationenwechsel befindet. Es wird schwierig, diesen zu gestalten, wenn der juristische Nachwuchs in andere Bereiche oder Bundesländer abwandert.“

31 Staatsanwälte fehlen

Pröbstel sagt, es fehlten schon jetzt allein 31 Staatsanwälte. „Da brennt es.“ Die Ernennung auf Lebenszeit spiele auch für die persönliche Lebensplanung der Juristen eine Rolle.

Das Problem ist seit Jahren bekannt, schon in der vergangenen Wahlperiode gab es ein Gezerre um die Besetzung der Gremien. Damals weigerte sich die AfD, Kandidaten aufzustellen. Am Ende war es der damalige Ministerpräsident Bodo Ramelow, der auch als Linke-Abgeordneter im Parlament saß, der den gordischen Knoten löste: Er verhalf mit seiner Stimme einem AfD-Kandidaten zur Wahl auf den Posten des Vize-Landtagspräsidenten - harte Kritik aus seiner eigenen Partei inklusive. Im Gegenzug lieferte die AfD bei der Besetzung der Gremien.

Doch diesmal ist die Sache komplizierter - und die AfD hat den Preis erhöht. Man bestehe auf zwei Plätze in der parlamentarischen Kontrollkommission, sagt der stellvertretende AfD-Fraktionschef Daniel Haseloff. Auch einen Posten im Landtagspräsidium beansprucht die AfD. „Wir blockieren nicht. Die anderen müssen einfach nur dem Gesetz folgen. In dem Moment, wo die unsere Leute mitwählen, wählen wir auch deren Leute mit“, sagt Haseloff.

Nur AfD-Kandidaten für den Richter- und Staatsanwaltswahlausschuss gewählt

Tatsächlich wurden Ende Januar jeweils nur die AfD-Kandidaten für den Richter- und Staatsanwaltswahlausschuss gewählt. Die Kandidaten von CDU, BSW, Linke und SPD verfehlten die nötige Zweidrittel-Mehrheit.

Höcke sprach vor Kurzem von einer „Paketlösung“, die seine Fraktion anstrebe. Die AfD hat in Thüringen mehr als ein Drittel der Sitze im Parlament. Die Mitglieder für die wichtigen Justiz-Gremien werden mit Zweidrittel-Mehrheit gewählt. Ohne die AfD geht bei der Besetzung derzeit also nichts.

Bekommt die AfD Sitze in der Kontrollkommission, käme sie über diesen Weg wohl an wichtige und als geheim eingestufte Informationen über die Arbeit des Landesverfassungsschutzes, heißt es aus Kreisen, die mit der Sache vertraut sind. Der Inlandsgeheimdienst muss den Parlamentariern über seine Arbeit berichten - wofür beispielsweise Mittel eingesetzt werden oder ob und in welchem Umfang V-Leute zum Einsatz kommen.

Die Thüringer AfD würde demnach wohl auch umfassende Kenntnisse darüber erlangen, wie der Verfassungsschutz mit ihr selbst umgeht. Dem Vernehmen nach wird in der Kommission auch über die Art und Weise, wie der Verfassungsschutz an Informationen gelangt, berichtet.

CDU und BSW können sich prinzipiell vorstellen, zumindest einen AfD-Kandidaten zum Vize-Landtagspräsidenten zu wählen. SPD und Linke lehnen dies kategorisch ab.

Bei der AfD-Forderung nach Einfluss auf die Verfassungsschutzkontrolle sind aber auch CDU und BSW nicht dabei. „Als CDU-Fraktion rufen wir die AfD weiterhin dazu auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben“, hieß es von den Christdemokraten. „Die AfD muss die Frage beantworten, ob sie ein ernsthaftes Interesse daran hat, einen funktionierenden Staat zu gewährleisten“, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Linke-Fraktion, Katja Mitteldorf. Die Linke werde AfD-Kandidaten nicht wählen.

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Erstellt:
7. Februar 2025, 07:22 Uhr
Aktualisiert:
7. Februar 2025, 08:32 Uhr

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