RIIZE

K-Pop-Kontroverse: Ein geplatztes Comeback

Die K-Pop-Welt wird von einer Kontroverse um die Band RIIZE und ihr (Ex-)Mitglied Seunghan erschüttert. Nach der Veröffentlichung privater Bilder des Sängers wurde zunächst sein Comeback verkündigt – und nur 2 Tage später das endgültige Aus. Fans protestieren.

Die K-Pop-Boyband "RIIZE" von SM Entertainment posiert zu siebt für während einer Pressekonferenz zu ihrer Debütsingle „Get a Guitar“ in Seoul, September 2023.

© IMAGO / Newscom / Yonhap News

Die K-Pop-Boyband "RIIZE" von SM Entertainment posiert zu siebt für während einer Pressekonferenz zu ihrer Debütsingle „Get a Guitar“ in Seoul, September 2023.

Von Katrin Jokic

Die K-Pop-Welt beschäftigt derzeit eine Kontroverse um die Boyband RIIZE. Die Band, die zur südkoreanischen Entertainment-Agentur SM Entertainment gehört, wurde im Juli 2023 mit sieben Mitgliedern vorgestellt und galt als gefeierte Newcomer der K-Pop-Szene.

Doch bereits im August 2023 kam es zu ersten Unruhen, als Bilder des damals 19-jährigen Bandmitglieds Seunghan öffentlich wurden. Auf diesen Fotos sah man ihn mit einer unbekannten Frau, die er, im Bett liegend, küsste. Außerdem sollen Fotos aufgetaucht sein, auf denen er rauchend zu sehen sein soll.

In der konservativen K-Pop-Industrie, die großen Wert auf das Image der Künstler legt, löste dies eine Welle der Kritik aus. Wenige Tage später entschuldigte sich Seunghan zwar auf Instagram für sein Verhalten, doch die Diskussionen um seinen vermeintlichen Fehltritt ebbten nicht ab. Vor allem in koreanischen Foren und auf sozialen Medien wurde sein Verhalten weiterhin kontrovers diskutiert.

Suspendierung auf unbestimmte Zeit

Während RIIZE im September 2023 ihre Debüt-Single „Get a Guitar“ veröffentlichten, riss die Kritik an Seunghan nicht ab. Schließlich entschied SM Entertainment im November 2023, Seunghans Aktivitäten in der Gruppe auf unbestimmte Zeit auszusetzen, betonte jedoch, die veröffentlichten Bilder seien manipuliert worden und man werde rechtliche Schritte gegen deren Verbreitung einleiten.

Bereits im November 2023 regte sich erster Unmut der Fans über diese Entscheidung. Eine Petition, die forderte, Seunghan wieder in die Band aufzunehmen, hat zum heutigen Zeitpunkt fast 21.000 Unterschriften erreicht. Wenig später sollen Fans bei Konzerten beispielsweise in Los Angeles und Mexiko City Sprechchöre für Seunghan gestartet und seine Rückkehr in die Band gefordert haben, wie Billboard berichtete.

Seunghans Comeback bei RIIZE – und der erneute Abschied

Die Debatte spitzte sich weiter zu, als im Oktober 2024 auf den Social-Media-Kanälen von RIIZE bekanntgegeben wurde, dass Seunghan nach und nach wieder zur Gruppe zurückkehren würde. In einem emotionalen Brief bedankte sich Seunghan bei den Bandmitgliedern, die ihm „eine weitere Chance gegeben“ hätten.

Viele Unterstützer von Seunghan feierten die Nachricht als Sieg. Doch nicht alle Reaktionen waren positiv. Einige Fans zeigten sich tief enttäuscht und wütend über die Entscheidung und organisierten sogar Protestaktionen vor dem Hauptquartier von SM Entertainment in Seoul. In einer mittlerweile gängigen, aber besorgniserregenden Praxis, stellten wütende Fans Trauerkränze vor dem Gebäude auf – eine symbolische Geste, die ihren Unmut über Seunghans Comeback unterstreichen sollte.

Nur zwei Tage später, am 13. Oktober, folgte die überraschende Kehrtwende. SM Entertainment verkündete, Seunghan scheide endgültig aus der Band aus, da die Entscheidung zu seiner Rückkehr die Fans mehr verwirrt und verletzt habe als erhofft. In einem handgeschriebenen Brief erklärte Seunghan, er wolle den Mitgliedern und Fans nicht weiter schaden und sehe seinen Austritt als den besten Weg, um Spannungen zu vermeiden.

Die Reaktionen ließen erneut nicht lange auf sich warten. Eine neue Petition, die Seunghans Rückkehr fordert, hat mittlerweile über 277.000 Unterstützer gefunden. Nun protestieren Seunghan-Unterstützer vor dem SM-Entertainment-Gebäude in Seoul. Gleichzeitig sollen laut Screenshots auf X (ehemals Twitter) mehrere hundert K-Pop-Stores weltweit angekündigt haben, RIIZE zu boykottieren und deren Alben sowie Merchandise nicht mehr zu vertreiben, falls Seunghan nicht in die Band zurückkehrt. Engagierte Fans zerschneiden die Schleifen an den zuvor aufgestellten Trauerkränzen. Für Außenstehende womöglich ein surreales Bild.

Die Macht der K-Pop-Fans

Die Reaktionen auf Seunghans Comeback und späteren Ausstieg verdeutlichen die enorme emotionale Bindung, die Fans oft zu K-Pop-Stars entwickeln. Die Fans unterstützen die sogenannten „Idols“ oft über Jahre hinweg intensiv und fühlen sich als Teil einer engen Gemeinschaft. Diese starke Verbindung führt dazu, dass selbst persönliche Angelegenheiten der Stars schnell zu großen Kontroversen werden können, wie im Fall von Seunghan. Die Reaktionen – von jubelnder Unterstützung bis hin zu Protesten mit Trauerkränzen – zeigen, wie tief Fans in die Karriereentwicklung „ihrer“ Stars involviert sind.

Gleichzeitig verdeutlicht diese Kontroverse, wie mächtig die Fangemeinde in der K-Pop-Industrie ist. Über soziale Medien können Fans Druck auf Unternehmen ausüben, um ihre Wünsche durchzusetzen, sei es durch Petitionen, Protestaktionen oder Boykottaufrufe. Die Macht der Fangemeinde hat sich über die Jahre zu einem wesentlichen Einflussfaktor in der Entscheidungsfindung der großen Entertainment-Agenturen entwickelt, was sich auch in den sich widersprechenden Reaktionen auf Seunghans Situation zeigt.

Image im K-Pop: Marke „Saubermann“

In der K-Pop-Industrie ist das Image eines Stars von herausragender Bedeutung. Idols werden nicht nur als Musiker oder Entertainer gesehen, sondern sollen nach außen hin ein nahezu perfektes Vorbild abgeben. Dies umfasst eine makellose öffentliche Persona, die frei von Skandalen und Kontroversen bleibt. In einem Land wie Südkorea, wo trotz rapider Modernisierung und technischen Fortschritts noch immer traditionelle Werte und konservative Normen stark verankert sind, werden Verhaltensweisen wie Rauchen, öffentlicher Alkoholkonsum oder romantische Beziehungen von jungen Idols oft kritisch betrachtet.

Während Seunghans Verhalten laut Billboard vor allem in der südkoreanischen K-Pop-Industrie für Empörung sorgte, zeigte sich ein Teil der internationalen Fangemeinde weitaus weniger kritisch. Für viele Fans außerhalb Koreas schienen die Vorwürfe überzogen, da romantische Beziehungen und Rauchen in ihren Gesellschaften als persönliche Entscheidungen angesehen werden, die nichts mit der Karriere oder dem Talent eines Künstlers zu tun haben. Diese unterschiedliche kulturelle Perspektive führt dazu, dass internationale Fans verstärkt ihre Unterstützung für Seunghan ausdrücken und ihn als Opfer eines übermäßig strengen Systems betrachten. Doch auch in Südkorea selbst findet Seunghan Unterstützer, die für ihn demonstrieren oder auf Social Media aktiv werden.

Die Rolle der „Companies“ im K-Pop

In der K-Pop-Welt sind „Companies“ (auch bekannt als „Entertainment Agencies“ oder „Entertainment Companies“) die Unternehmen, die K-Pop-Idols und -Gruppen managen. Sie spielen eine zentrale Rolle in der K-Pop-Industrie, da sie für die Entdeckung, Ausbildung und Förderung von Talenten verantwortlich sind. Bekanntes K-Pop-Companies sind etwa SM Entertainment, KQ Entertainment und JYP Entertainment.

Diese Companies bieten umfassendes Management, das alles von Gesangs- und Tanztraining über Auftrittsvorbereitungen bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung abdeckt. Sie organisieren auch Debütauftritte, Musikvideos, Touren und Social-Media-Aktivitäten für die Künstler. Zudem sind sie häufig in die Produktion von Musik und Musikvideos involviert, sodass sie einen großen Einfluss auf den Stil und das Image der Idols haben.

K-Pop-Agencies stehen häufig in der Kritik, unter anderem wegen den "Slave Contracts", die langfristige und oft einseitige Verträge darstellen. Strenge Zeitpläne mit wenig Ruhephasen sollen für Künstler im K-Pop die Norm sein, was nicht selten in Burnout, Depressionen und ernsthaften gesundheitlichen Problemen resultiert.

Oftmals sollen die Agencies das gesamte Image, die Musik und das öffentliche Auftreten der Star kontrollieren, was deren individuelle Kreativität und Selbstbestimmung enorm einschränke. Gleichzeitig stünden die Idols unter großem Druck, ein bestimmtes Schönheitsideal zu erfüllen. Viele K-Pop-Agencies sollen großen Wert auf das äußere Erscheinungsbild ihrer Künstler legen und strenge Diäten, manchmal sogar Schönheitsoperationen, verlangen, um bestimmten Standards zu entsprechen.

Auch die ungleiche Verteilung der Einnahmen sorgt für Kritik. Trotz ihres großen Erfolgs sollen viele Idols nur einen kleinen Anteil an den Gewinnen erhalten. Der Großteil gehe an die Agencies. Besonders besorgniserregend sei aber der oft fehlende Schutz der mentalen Gesundheit. Obwohl die Stars unter immensem Druck stehen, sollen sich viele Agencies nicht ausreichend um ihr psychisches Wohlbefinden kümmern. Erst vor wenigen Tagen berichtete K-Pop-Sängerin Hanni Pham bei einer parlamentarischen Anhörung von Mobbing und Belästigung am Arbeitsplatz, wie Der Spiegel berichtete. Tragische Vorfälle wie psychische Zusammenbrüche und Suizide von K-Pop-Stars, wie 2017 von Kim Jonghyun, haben die Diskussion über die Arbeitsbedingungen in der K-Pop-Industrie verstärkt und den Ruf nach Reformen laut werden lassen. Der Fall von Seunghan und RIIZE könnte, je nach Ausgang, beispielhaft dafür stehen, wie sich die Werte im K-Pop verändern und wie sich die Macht der Fans auswirken könnte.

Um ihn geht es in der Debatte: RIIZE-Gründungsmitglied Seunghan (hier im Januar 2024 in Paris).

© IMAGO / ABACAPRESS

Um ihn geht es in der Debatte: RIIZE-Gründungsmitglied Seunghan (hier im Januar 2024 in Paris).

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Erstellt:
18. Oktober 2024, 12:47 Uhr
Aktualisiert:
19. Oktober 2024, 08:09 Uhr

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