Mercedes-Chef
Mit diesen drei Forderungen will Källenius die Autobranche retten
Mercedes-Chef Ola Källenius setzt als neuer Präsident des europäischen Autoindustrie-Verbands hohe Erwartungen in die Politik. Er fordert er einen Kurswechsel in der Klima-, Handels- und Industriepolitik. Was er zum geplanten Verbrenneraus 2035 sagt.
Von Klaus Köster
Mercedes-Chef Ola Källenius fordert die Europäische Union auf, die geplanten Strafzahlungen für Autohersteller zu verwerfen, die die verschärften Zwischenziele zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes nicht erreichen. Seine Vorstellungen gehen aber weit über die Klimapolitik und den Green Deal der EU hinaus.
Klimapolitik: Aus fürs Verbrenner-Aus?
Der Weg zur Dekarbonisierung der Autoindustrie müsse „marktgetrieben, nicht strafgetrieben“ sein, schreibt Källenius in seiner neuen Funktion als Präsident des europäischen Autoindustrie-Verbands Acea an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, an das EU-Parlament und an die Mitgliedstaaten. Das Risiko, hohe Strafzahlungen leisten zu müssen, führe dazu, dass Gelder, die für Forschung und andere Investitionen benötigt werden, nicht zur Verfügung stehen.
Zugleich stellt Källenius auch das Ziel des europäischen „Green Deal“ in Frage, 2035 bei Autos aus der Verbrennungstechnologie auszusteigen – ohne sich allerdings ausdrücklich für eine Rücknahme auszusprechen. Die meisten europäischen Ziele und Richtlinien basierten auf Vorhersagen, die nicht eingetreten seien, erklärt Källenius mit Blick auf geopolitische und gesamtwirtschaftliche Entwicklungen. „Deshalb müssen diese Ziele und Richtlinien jetzt an die veränderte Wirklichkeit angepasst werden.“ Notwendig sei eine „umfassende Überprüfung der CO2-Regulierung mit Blick auf 2030 und 2035“.
Ausdrücklich erklärt der Acea- und Mercedes-Chef, die europäische Autoindustrie stehe zum Ziel der EU, 2050 klimaneutral zu werden. Die Transformation müsse allerdings zu einem „grünen und profitablen Geschäftsmodell“ werden. Nur wenn die Industrie wettbewerbsfähig und wirtschaftlich erfolgreich sei, könne sie die Transformation überhaupt finanzieren.
In der Branche, die Källenius vertritt, gibt es zu dem Thema allerdings unterschiedliche Ansichten. Sein Vorgänger, Renault-Chef Luca de Meo, hatte immer wieder erklärt, an dem Ausstieg nicht rütteln zu wollen. Aus der Branche kommen jedoch immer mehr andere Töne. VW-Chef Oliver Blume hat sich bereits gegen Strafzahlungen ausgesprochen; Porsche-Vizechef Lutz Meschke warnte im Herbst davor, die Umsetzung des für 2035 geplanten Verbrennerverbots könne Europa zum „Armenhaus“ machen und den sozialen Frieden gefährden.
BMW wiederum stand dem Verbrenner-Aus von Anfang an kritisch gegenüber, hält die für dieses Jahr angedrohten Strafen aber für sinnvoll – wohl auch deshalb, weil das Unternehmen sie voraussichtlich wird vermeiden können, während dies für den Rivalen Mercedes mit seiner großen Van-Sparte und seinem geringeren E-Auto-Anteil zum teuren Kraftakt werden dürfte. Källenius selbst wiederum hat in seiner Eigenschaft als Mercedes-Chef das Ruder bereits herumgerissen und das ursprüngliche Ziel, bis 2030 möglichst aus der Verbrennertechnologie auszusteigen, kassiert. Mit seinem neuen Kurs als Verbandschef zeigt Källenius von Anfang an Führung in einer Branche, die von vielen eigenständigen Köpfen mit unterschiedlichen Interessenlagen geführt wird.
China-Handel: Keine Strafzölle
Erstaunlich klar positioniert sich Källenius auch bei der hoch umstrittenen Frage, ob es richtig ist, insbesondere China mit Strafzöllen zu belegen, weil es seine Autoindustrie stark fördert und so den Wettbewerb verzerrt. Europa habe in den vergangenen Jahrzehnten stark vom freien Welthandel profitiert und könne nun viel verlieren, wenn diese Entwicklung umgekehrt wird, so der Acea-Chef. Die Erfahrung habe gezeigt, dass Handelskriege keine Gewinner hervorbrächten. Gerade mit Blick auf China warnt er, sich von Märkten abzuschotten und etablierte Lieferketten aufs Spiel zu setzen. Sowohl Europa wie auch China wollten Jobs schützen und zugleich vom freien Handel profitieren. „So gesehen haben beide Seiten ein Interesse, sich zu einigen.“ Es sei zu begrüßen, dass China und die EU darüber verhandelten, die beschlossenen Strafzölle abzuwenden.
Auch hier zeigt Källenius Führung, ist diese Position doch in der EU keineswegs unumstritten. So setzte Frankreich die Strafzölle gegen Deutschland durch. Schließlich hat dortige Autoindustrie durch chinesische Importe viel, durch chinesische Vergeltungszölle aber nur wenig zu verlieren. Denn im Gegensatz zur deutschen Autobranche sind französische Hersteller in China kaum vertreten.
US-Handel: Ein Deal mit Trump?
Beim Verhältnis zu den USA spricht sich Källenius indirekt dagegen aus, Trump mit allzu großen Vorbehalten entgegenzutreten. Er zitiert die europäische Notenbankchefin Christine Lagarde mit der Aussage, um künftige Handelsbeziehungen zu entwickeln, müsse man sich „auf die andere Seite des Tisches einstellen“. Källenius verweist auf die riesigen, langfristigen Investitionen europäischer Autobauer, die ein integraler Bestandteil der US-Wirtschaft seien. Um einen möglichen Handelskonflikt abzuwenden, plädiert er wie bei China für Verhandlungen. Ein „Deal“ mit Trump wäre Källenius demnach lieber als ein Handelskrieg.