Kai-Uwe Ernst: „Die Vielseitigkeit erfüllt einen einfach“
Kai-Uwe Ernst ist seit 100 Tagen Bürgermeister in Auenwald. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Die ersten Wochen verliefen etwas holprig, denn einige unerfreuliche Überraschungen warteten auf den 26-Jährigen. Mittlerweile laufen die Amtsgeschäfte runder und Ernst fühlt sich sehr wohl.
Von Florian Muhl
Auenwald. Kai-Uwe Ernst sieht beim Pressetermin zufrieden aus. Morgen sind es genau 100 Tage, die seit der Vereidigung des neuen Bürgermeisters am 12. Mai vergangen sind. Er lacht, als er auf die Frage, wie er sich als Verwaltungschef fühlt, antwortet: „Gut, man kommt auch immer besser rein, ich wurde auch von den Kollegen hier im Rathaus sehr gut aufgenommen.“ Mit seinen 26 Jahren ist er der jüngste Bürgermeister, der bislang in der Gemeinde Auenwald gewählt wurde. Wie beurteilt der Finanzwirt, der keine Verwaltungsausbildung absolviert hat, seinen neuen Job im Rathaus? „Klar, das Aufgabengebiet ist komplett anders“, sagt Ernst, der zuvor als Sachbearbeiter beim Finanzamt Waiblingen arbeitete. „Als Bürgermeister hat man jeden Tag neue Aufgaben. Man hat keine Routine, sondern es ist ständig was los, ständig etwas Neues, auch Sachen, die unvorbereitet kommen.“ Und es hat auch Überraschungen gegeben – aber dazu später. Zudem habe er jetzt im Vergleich zu seiner vorherigen Position wesentlich mehr Verantwortung.
Die Amtsübergabe war kaum mehr als ein vierstündiges Gespräch
Dass sein Start auf dem steinigen Weg etwas holprig verlief, kann man Ernst kaum ankreiden. Der junge Mann hatte es in den ersten Wochen gleich mit mehreren Felsbrocken zu tun, die er auf seinem Weg umrunden oder beiseite schaffen musste. Angefangen bei der Amtsübergabe durch seinen Vorgänger. Die hatte sich Ernst in der Tat anders vorgestellt. „Ich hatte schon im Vorfeld angefragt, Anfang Mai, ob wir uns nicht mal zusammensetzen könnten, um die Übergabe anzugehen.“ Aber es kam anders. Ernst schildert das so: „An dem ersten Freitag nach der Amtseinsetzung hatten wir ein Gespräch, das ging etwa vier Stunden. Da wurden mir die verschiedenen Sachverhalte präsentiert und wir haben sie durchgesprochen – das war im Prinzip die Einführung.“ Gewünscht hätte sich der 26-Jährige, dass man mal beispielsweise einen Tagesablauf durchgeht, weil die Verwaltungstätigkeit in einem Rathaus für ihn komplettes Neuland war, wie die Kommunikation im Haus, mit dem Vorzimmer, was Terminvereinbarungen anbelangt – Ernst war es nicht gewohnt, ein eigenes Vorzimmer zu haben. „Einfach Kleinigkeiten“, sagt der Bürgermeister, „die haben sich aber mittlerweile eingespielt.“
Informationen zu Anliegen der Bürger hätten übergeben werden sollen
„Wir haben großen Respekt vor Herrn Ernst, da die Einarbeitung beziehungsweise Übergabe vom Amtsvorgänger mehr als dürftig ablief. In einem vierstündigen Gespräch wurde ein Wissensstand von 16 Jahren weitergegeben und Akten überreicht“, teilt Nicole Birkenbusch, Fraktionsvorsitzende der Neuen Liste (NLA), auf Anfrage mit. „Wir von der NLA hatten uns eine Übergabe über eine längere Zeit gewünscht, mit Informationen zu laufenden und geplanten Projekten. Ebenso hätten wir diverse Vorortbesichtigungen für sehr wichtig gehalten. Viele wichtige Hintergrundinformationen zu verschiedenen Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger hätten auch schwerpunktmäßig übergeben werden sollen“, so die Sprecherin der NLA weiter.
Die ersten Wochen für Ernst waren nicht leicht, denn neben der knappen Amtsübergabe musste Ernst ohne Bauamtsleiter auskommen, die Stelle ist erneut verwaist, und die beiden anderen Amtsleiterinnen hatten ihren Jahresurlaub genommen. Und das, wo doch die erste Gemeinderatssitzung bevorstand. „Die Führungsriege war urlaubsbedingt in der Vorbereitungszeit sehr dünn beziehungsweise gar nicht besetzt, somit konnte die Sitzung nicht optimal vorbereitet und durchgeführt werden“, schreibt Birkenbusch. Auch Franz K. Matyas, Vorsitzender der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWA), findet deutliche Worte: „Was will man erwarten, wenn die Amtsgeschäfte an einem Tag übergeben werden, die beiden Amtsleiterinnen drei Wochen Urlaub bei Amtsantritt haben? Würde es hier nicht bei jedem am Anfang holprig losgehen? Wer einen 26-Jährigen wählt und 20 Jahre Berufserfahrung erwartet, ist ein Traumtänzer.“
Zusätzlich wartete auf Ernst noch eine böse Überraschung. Den neuen Allwettersportplatz in Oberbrüden hatte sein Amtsvorgänger ohne Baugenehmigung erstellen lassen (wir berichteten). Der neue Bürgermeister hat das hinbiegen können, „zusammen mit der Stadt Backnang“, wie er hinzufügt. Die anfangs holprige Strecke wird mittlerweile immer sanfter und glatter. Ernst blickt optimistisch in die Zukunft. Dass der zeitliche Aufwand seiner Arbeit als Bürgermeister viel größer ist als bei seiner Tätigkeit zuvor, damit hat er gerechnet. „Ich hab’ im Schnitt einen Zehnstundentag“, meint der Verwaltungschef. Dazu kämen Termine am Wochenende, beispielsweise bei Vereinen. Einladungen zu Versammlungen oder Festen nehme er in der Regel wahr, sofern nicht terminliche Gründe dagegensprechen würden. In den ersten 100 Tagen sei er bereits bei 15 bis 20 Vereinstreffen gewesen. „So bin ich durchaus bei einer 50- bis 60-Stunden-Woche.“
Im Austausch mit Kollegen, Mitarbeitern und Gemeinderäten
Der Rathauschef ist zufrieden mit seinem Team, lobt seine Mitarbeiter, erhält die Unterstützung, die er benötigt. Und mit dem Gemeinderat sei er im regelmäßigen Austausch. „Wort gehalten“, lobt Matyas. „Der Ältestenrat findet statt und Themen werden offen angesprochen.“ Wort gehalten hat der Bürgermeister bezüglich seines Wohnortes. Denn sein Versprechen, dass er im Fall seiner Wahl von Berglen in die Gemeinde übersiedeln wird, hat er wahr gemacht. Ernst wohnt seit Monatsbeginn in Hohnweiler. Und wie steht’s mit dem Versprechen, mehr Bürgernähe zu schaffen? Auch das Thema ist am Laufen. In Planung seien bereits Bürgersprechstunden, die ab Herbst abgehalten werden sollen.
Man sieht es Ernst an, er hat Spaß bei seiner neuen Tätigkeit, „definitiv“, wie er sagt. „Die Vielseitigkeit erfüllt einen einfach. Der Kontakt mit den Menschen, den Bürgern ist toll, aber gerade auch der Austausch mit den Bürgermeisterkollegen ist wirklich super.“ Optimistisch blickt der 26-Jährige auch auf die Besetzung der Stelle des Bauamtsleiters. „Da finden Ende August die Vorstellungsgespräche statt.“
Barbara Hirzel (BWA). Bei der Verabschiedung von Herrn Ostfalk konnte Herr Ernst mitbekommen, welche Wertschätzung Herrn Ostfalk von verschiedenen Seiten entgegengebracht wurde. Amtskollegen der Nachbargemeinden, der Gemeinderat selbst, Vertreter des Landratsamtes, von Parteien und Vereinen et cetera und der Feuerwehr waren anwesend. (...) Damals konnte er einen ganz guten Überblick bekommen, mit wem man als Bürgermeister alles in Kontakt treten und verhandeln muss.
Sicherlich ist es sehr schwer, sich diesen Überblick innerhalb der ersten 100 Tage zu verschaffen. Aber Herr Ernst weiß, dass dies eine wichtige Aufgabe für ihn ist und er geht sie, so wie ich mitbekommen habe, sehr zielstrebig an. Als „Nicht-Auenwalder“ ist es natürlich umso schwerer, alle Vereine und deren Vorstände zu kennen und die Verbindungen aufzubauen und zu pflegen. Herr Ernst wächst in diese Aufgabe hinein und er macht sie bis jetzt ganz gut.
Nicole Birkenbusch (NLA). Viele Gespräche, Besichtigungen und erste Veränderungen haben stattgefunden. Auch die ersten Entscheidungen wurden von unserem Bürgermeister getroffen. Herr Ernst zeigte sich als aufgeschlossener, wissbegieriger Bürgermeister mit einer ernst zu nehmenden Persönlichkeit.
Um die Gemeinderatssitzungen effizienter und klar strukturiert abhalten zu können, tagt nun der Ältestenrat im Vorhinein. Was wir sehr begrüßen und die Veränderungen konnten wir in der zweiten Sitzung auch schon feststellen. Diese Sitzung lief nun strukturiert und geordnet ab mit dem sportlichen Einsatz der Ratsmitglieder.
Die Kommunikation zwischen uns ist unkompliziert und wir sind überzeugt, dass Herr Ernst seinen Weg gehen wird. Er braucht dazu aber noch die nötige Zeit und Ruhe, um sich in die laufenden Vorgänge einzufinden, und dieses Recht gestehen wir ihm gerne zu.
Franz K. Matyas (UWA). Absolut gut war die Abwicklung des nicht genehmigten, ohne Baugenehmigung gebauten Allwettersportplatzes in Oberbrüden. Herr Ernst hat hier den TSV Oberbrüden eingebunden und seine Zusage gehalten.
Bis dato wurden alle Themen offen angesprochen und kommuniziert. 100 Tage sind zu kurz für eine Beurteilung. Fragen Sie mich in einem Jahr wieder.
Man merkt eine Verbesserung von Sitzung zu Sitzung. Herr Ernst lässt auch die Amtsleiterinnen zu Wort kommen und macht nicht den Alleinunterhalter wie in den vergangenen 16 Jahren. Das zeugt von Souveränität. Man muss nicht alles wissen und muss auch nicht zu jedem Thema seinen Senf dazugeben.
Mein Wunsch: dass man Herrn Ernst Zeit gibt, ihn vonseiten Verwaltung und Gemeinderat unterstützt und ihm hilft. Nur dann haben er und die Gemeinde eine Chance für die Zukunft.