Kampf dem tödlichen Rausch
US-Politiker ignorieren die Drogenepidemie – Filme wie dieser nennen die Krise beim Namen
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Holly weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll, als ihr Sohn Ben am Weihnachtsmorgen vor der Tür steht. Seit Wochen wohnt der Junge in einer betreuten Gruppe für drogenabhängige Jugendliche, eigentlich sollte er dort auch die Festtage verbringen. Doch Ben (Lucas Hedges) behauptet, sein Mentor hätte ihm die Stippvisite genehmigt. Für Holly (Julia Roberts) und den Rest der Familie beginnen bange Tage. Ob Ben es schafft, die Finger vom Stoff zu lassen?
Es ist bekannt, dass die USA seit Jahren unter einer regelrechten Rauschgiftepidemie ächzen. Auch Prominente wie der 2014 verstorbene Schauspieler Philip Seymour Hoffman sind unter den Opfern. Für 2017 verzeichnete die US-Gesundheitsbehörde CDC ein Rekordhoch von 70 237 Todesfällen infolge einer Überdosis. Hinter den schockierenden Zahlen stecken Schicksale, um die sich die Politik unter Donald Trump nur wenig zu scheren scheint.
Wie präsent Rauschmittel im Alltag der Amerikaner tatsächlich sind, zeigen aktuelle Filmproduktionen wie Peter Hedges packendes Familiendrama „Ben is back“, das von den verheerenden Langzeitwirkungen der Drogen erzählt. Am Beispiel des Mutter-Sohn-Gespanns fächert Hedges die harschen Konsequenzen von Drogenkonsum und Beschaffungskriminalität auf, die nicht nur den Süchtigen selbst, sondern auch dessen Umfeld belasten. Hedges stellt klar, dass besonders der vermeintlich gesicherte Mittelstand betroffen ist.
Das Phänomen beschrieb schon die Serie „Breaking Bad“ über den an Krebs erkrankten Chemielehrer Walter White, der zunächst aus schierer Geldnot in Produktion und Vertrieb von Crystal Meth einsteigt. Obwohl sich die Macher der Serie der Darstellung sozialer Realität verpflichteten, setzten sie bewusst auf spannende, gerade nicht moralinsaure Unterhaltung mit einem von Todesangst und Geldgier getriebenen Normalbürger als Antihelden.
Felix Van Groeningens „Beautiful Boy“, der am 24. Januar in den deutschen Kinos startet, sowie Hedges „Ben is back“ lenken den Blick dagegen auf das Leid der Kleinfamilien. Van Groeningen schildert emotional eine von Drogen überschattete Vater-Sohn-Beziehung, Peter Hedges weist in „Ben is back“ auch auf gesellschaftliche Bedingungen der individuellen Suchtgeschichte hin. Wenn Holly den Kinderarzt ihres Sohnes angeht, weil der dem Jungen nach einem harmlosen Unfall extrem süchtig machende Schmerzmittel verschreibt, bekommt man einen glaubwürdigen Eindruck davon, wie arglos US-Mediziner riskante Stoffe einsetzen.
Es ist nicht leicht, die harte Materie im Unterhaltungsmedium Kino zu vermitteln. Doch Werke wie „Ben is back“ beweisen, dass es möglich ist, die Drogenepidemie künstlerisch interessant aufzuarbeiten. Wenn die Politik sich der Realität verweigert, müssen andere Disziplinen Aufklärungsarbeit leisten.