Kampf gegen Clan-Kriminalität: Justiz stellt Forderungen
dpa Berlin. Vor einem Jahr beschloss der Berliner Senat einen Fünf-Punkte-Plan, um schärfer gegen kriminelle Mitglieder arabischer Großfamilien vorzugehen. Die Polizei sieht erste Erfolge, doch die Ermittlungen sind weiterhin sehr schwierig.

Einsatzkräfte stehen bei einem Einsatz in Berlin-Neukölln. - Bei einer Konferenz beraten Experten in der Bundeshauptstadt über Strategien gegen kriminelle Mitglieder von arabischstämmigen Clans. Foto: Paul Zinken/dpa
Die seit einem Jahr verstärkten Maßnahmen gegen kriminelle Clans in Berlin zeigen nach Einschätzung der Polizei Erfolge.
„Alles ist wirksam - man fühlt sich massiv gestört“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Donnerstag über die Aktionen der verschiedenen Behörden und die Auswirkungen auf die Großfamilien.
Auch würden Polizisten selbstbewusster auftreten. „Wir dürfen nur jetzt, und das ist eine große Gefahr, den Druck nicht verlieren“, betonte sie auf einer Berliner Konferenz über Strategien gegen die meist arabischstämmigen Clans. Die Staatsanwaltschaft forderte dringend mehr Personal und weiterreichende Möglichkeiten, weil die Ermittlungen höchst schwierig seien.
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und der Europol-Chef für den Bereich der organisierten Kriminalität, Jari Matti Liukku, betonten zu Beginn der Konferenz die Bedeutung der nationalen und internationalen Zusammenarbeit. „Wenn es gelingt, bundesländerübergreifend und staatenübergreifend zu arbeiten, sind wir schon einen ganzen Schritt weiter“, sagte Geisel. „Eine offene Missachtung der Regeln des Staates muss sanktioniert werden.“
In Berlin habe es seit Beginn des Jahres 237 Polizeieinsätze gegen Clans gegeben, 55 davon in Kooperation mit dem Zoll, dem Finanzamt, den Bezirken und Jobcentern. Auch am Donnerstag gab es eine Razzia in vier Bundesländern, darunter Berlin: Die Polizei ging gegen einen libanesischen Familienclan wegen Schleuserkriminalität vor. Dabei seien zwei Haftbefehle vollstreckt worden, teilte die Staatsanwaltschaft Trier mit. Gegen Mitglieder des Familienclans und weitere Personen werde wegen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern und weiterer Straftaten ermittelt.
Europol-Chef Liukku nannte zahlreiche Beispiele für die internationale Vernetzung der organisierten Kriminalität (OK), besonders beim Drogenhandel, der Geldwäsche und den Verbindungen in die Wirtschaft, wo die Strukturen bis Südamerika und Asien reichten. Er zeigte aber auch, dass Deutschland sich bei den OK-Ermittlungen auf Drogenkriminalität konzentriere, während es sonst bei der Polizei in Europa oft um kriminelle Finanzgeschäfte gehe.
Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra, Berlins oberster Ermittler gegen organisierte Kriminalität, warnte vor dem großen Einfluss der sieben bis acht Berliner Clans, die zahlreiche kriminelle Mitglieder hätten. „Sie vermitteln die Aura, dass ihnen der Staat nichts kann.“ Das führe zu einer „massiven Beeinträchtigung des objektiven und subjektiven Sicherheitsgefühls der Bevölkerung“.
Durch Bedrohung oder Bestechung seien die Clans „inzwischen in der Lage, nahezu jeden Zeugen zu manipulieren“. Die Opfer von Clans hätten sogar Schwierigkeiten, selbst einen Rechtsanwalt zu finden, weil auch manche Anwälte Angst hätten.
Kamstra beklagte, dass es der Justiz an Personal fehle. „Wir warten teilweise monate- und jahrelang auf die Auswertung sichergestellter Laptops.“ Die Politik führe „jahrelange Diskussionen“ über das Gesetz zur Vermögensabschöpfung oder eine Ausweitung der Videoüberwachung. Um an die Clanmitglieder heranzukommen, gebe es oft nur die Möglichkeiten des Abhörens. Die Kriminellen würden ihre Vorhaben in Wohnungen, Autos oder Shisha-Bars besprechen. Die Polizei habe hier aber fast keine Möglichkeiten der Überwachung. Nötig seien auch die Videovernehmung von Zeugen und mehr Maßnahmen zum Zeugenschutz.
Geplant ist am Nachmittag noch eine Diskussionsrunde über bundesweite Strategien und Kooperationen. Teilnehmer sollen der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, sowie die Leiter der Landeskriminalämter von Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen, sein.
In ganz Deutschland galten im vergangenen Jahr 45 große Ermittlungsverfahren im Bereich der organisierten Kriminalität den Clans. Das ging kürzlich aus dem jüngsten BKA-Lagebild hervor. Dabei ging es nicht nur um Mitglieder arabischstämmiger Familien, sondern auch um Großfamilien aus dem früheren Jugoslawien und der Türkei.