Geoengineering

Kann die Reparatur der Erde mittels Technik funktionieren?

Partikel in die Atmosphäre schießen, Kohlendioxid unirdisch speichern, Spiegel im Weltall konstruieren: Kann die Menschheit so die globale Erwärmung stoppen? Wir stellen die wichtigsten Technologien vor.

Weltraumspiegel sind Satelliten, die als eine Form von Geoengineering dazu bestimmt sind, die Menge an Sonnenstrahlung zu verändern, die auf die Erde einwirkt.

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Weltraumspiegel sind Satelliten, die als eine Form von Geoengineering dazu bestimmt sind, die Menge an Sonnenstrahlung zu verändern, die auf die Erde einwirkt.

Von Markus Brauer/AFP/dpa

Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hält es für möglich, dass es im Kampf gegen den Klimawandel gelingen kann, die Erde in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts künstlich abzukühlen. „Es gibt die Chance, den Trend der Erderhitzung umzukehren, indem wir – zusätzlich zur schnellen Emissionsminderung in Richtung null – auch auf CO2-Entnahme aus der Atmosphäre setzen“, sagt PIK-Direktor Ottmar Edenhofer.

CO2-Staubsauger und Biomasse

Ein Werkzeug dafür seien die sogenannten CO2-Staubsauger – also große Filteranlagen. Sie saugen Luft an, entnehmen Klimagas, das dann in die Erdkruste geleitet und dort zu Stein wird, erläutert Edenhofer.

„Es gibt auch andere Möglichkeiten, etwa den Anbau schnell wachsender Biomasse zum Verfeuern mit CO2-Abscheidung oder das Ausbringen zerkleinerter Mineralien auf Böden zur beschleunigten Verwitterung”, fügt der Klimaforscher hinzu. „Ich bin davon überzeugt, dass uns die CO2-Entnahme und Speicherung vor dem Allerschlimmsten noch bewahren kann.“

CO2-Entnahme und Speicherung

Deswegen drängt Edenhofer darauf, eine Industrie zur CO2-Entnahme und Speicherung aufzubauen. „Wir können den europäischen Emissionshandel durch einen Handel mit Zertifikaten für die CO2-Entnahme und -Speicherung ergänzen“, erklärt der PIK-Direktor. „Ich sehe die Industriestaaten hier auch in einer moralischen Pflicht. Unsere Emissionen aus der Vergangenheit haben der Welt die Klimaprobleme eingebrockt, und die Schäden sind im globalen Süden am gravierendsten.”

Und weiter sagt Edenhofer. „Wenn wir durch CO2-Entnahme die Temperaturen wieder senken, wäre das nur gerecht. Wir können und sollten in großem Stil eine planetare Müllabfuhr schaffen, um den Mist aus der Atmosphäre zu holen, den wir hineingekippt haben.“

Was ist Geoengineering?

Das gezielte Eingreifen in das Klimasystem wird oft auch Geoengineering genannt. An der künstlichen Klimabeeinflussung wird schon länger geforscht. Diskutiert werden zwei Methoden, die ganz unterschiedliche Ansätze verfolgen:

Reduzierung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre

  • CDR (Carbon Dioxide Removal): Bei Negativ-Emissionstechnologien (NET) wird Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entfernt und anschließend für lange Zeit gebunden oder sicher verwahrt. Für die Bindung von CO2 hat die Wissenschaft mehrere Optionen: einerseits in Wäldern oder im Boden oder zur Düngung von Ozeanen.
  • Methoden: CDR umfasst direkte Methoden zur CO2-Beeinflussung wie Luftfilterung, CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS), aber auch indirekte Methoden, die die Aufnahmefähigkeit von Kohlenstoffsenken erhöhen sollen, wie Düngung der Meere mit Eisen oder Phosphor.
  • Risiken: Da diese Methoden direkt an der Hauptursache der globalen Erwärmung, den steigenden CO2-Konzentrationen, ansetzen, werden ihre Unsicherheiten und Nebenwirkungen im Vergleich zum Strahlungsmanagement als geringer eingeschätzt.
  • Effizienz: CDR-Methoden brauchen viele Jahrzehnte, um nachweisbare Verringerungen von Treibhausgaskonzentrationen zu erreichen. Im Gegensatz zu SRM-Methoden sind sie erst langfristig wirksam. Die Wirkung auf die Weltmeere ist noch deutlich träger. Wenn die CO2-Emissionen weiter steigen wie bisher, wird die resultierende Versauerung der Meere, durch die zahlreiche marine Spezies vom Aussterben bedroht sind, auch mit CDR noch über Jahrhunderte anhalten.

Beeinflussung der Sonneneinstrahlung

  • SRM (Solar Radiation Management): SRM zielt darauf ab, die Reflexion der Sonneneinstrahlung zu beeinflussen und somit den Wärmehaushalt der Erde zu verändern. Die eigentliche Ursache dieses drohenden Temperaturanstiegs, die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre und deren weitere Auswirkungen, wie die Versauerung der Meere, kann mit SRM nicht direkt beeinflusst werden. Ein früherer Klimazustand lässt sich damit nicht wiederherstellen.
  • Methoden: Forscher vermuten, dass diese Methoden im Falle einer drohenden Klimakatastrophe relativ rasch einen kühlenden Effekt bringen würden.
  • Risiken: Insbesondere Aerosolausbringungsmethoden bergen allerdings große Risiken in Hinblick auf unerwünschte Nebeneffekte (wie beispielsweise eine Schädigung der Ozonschicht oder negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, Tier- und Pflanzenwelt).
  • Effizienz: Noch ist einiges an Forschungsarbeit bezüglich Machbarkeit und Wirkung bei der künstlichen Klimabeeinflussung zu leisten, Wissenschaftler warnen von den unabsehbaren Folgen derartigen Eingriffe. Weitgehend unerforscht sind potenzielle Nebenwirkungen, wie etwa die Gefahr einer Veränderung der regionalen Niederschlagsverteilung oder die Auswirkungen auf Ökosysteme. Zudem sind für künstliche Klimabeeinflussung Ressourcen und Kosten vonnöten, internationale Reglementierungen fehlen.

„Overshoot“ mit nachträglichem Zurücksteuern

Eine reale Chance auf Bewältigung der Klimakrise gebe es aber nur, wenn die Emissionen wirklich auf nahe Null gesenkt würden, betont PIK-Direktor Edenhofer. „Gelingt das nicht, und schaffen wird es auch nicht, der Atmosphäre in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gewaltige Mengen an CO2 zu entziehen, dann werden wir uns mit einer in weiten Regionen menschenfeindlichen Erde arrangieren müssen“, warnt Edenhofer.

Das Tempo, das die Politik vorlege, stimme noch lange nicht. „Das 1,5-Grad-Ziel ist auf dem direkten Wege unerreichbar geworden. Es geht wohl nur noch über einen ,Overshoot’ mit nachträglichem Zurücksteuern“, erläutert der PIK-Direktor. „Ohne eine ambitioniertere Klimapolitik steuert die Welt auf eine Erwärmung von rund drei Grad bis Ende des Jahrhunderts zu. Die Folgen – auch für Europa – wären fatal. Daran lässt der Wissensstand keinen Zweifel mehr zu.“

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Erstellt:
5. Januar 2025, 09:00 Uhr
Aktualisiert:
5. Januar 2025, 09:08 Uhr

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