TV-Duell von Scholz und Merz
Kanzlerkandidaten schwärmen von der Liebe
Auf Welt-TV und Bild-TV punkten Olaf Scholz und Friedrich Merz auf jeweils einem Fachgebiet. Und die Moderatoren versagen kläglich.
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© AFP/FABRIZIO BENSCH
Olaf Scholz und Friedrich Merz im TV-Duell der „Bild“ und der „Welt“.
Von Christoph Link
Es ist der Tag, an dem US-Präsident Donald Trump der Ukraine die Solidarität aufkündigt und die Welt ins Rätselraten und Europa in die Ratlosigkeit stürzt. Und was tun die Moderatoren Marion Horn von der „Bild“ und Jan Philipp Burgard von der „Welt“ auf ihren TV-Sendern, die am Mittwochabend das „Kanzlerduell“ von Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) übertragen? Sie fragten zu erst mal nach „ihren Erlebnissen in den vergangenen Wochen“ im Land und nach persönlichen Schicksalsschlägen, die sie erfahren haben.
Relativ harmonisch fielen da die Antworten aus, er erlebe Deutschland als „ein freundliches Land“ mit einer „ganz guten Stimmung“, bemerkte Olaf Scholz, aber ihn selbst treibe der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sowie die „neuen Entwicklungen“ um. Das war es dann schon mit der Tagespolitik, auf die in einer Talkrunde vielleicht auch ein Jota eingegangen werden sollte. Aber nicht in dieser. Auch Friedrich Merz bemerkte zur allgemeinen Gefühlslage, dass er „gut“ schlafe, aber es herrsche eine „gespannte Aufmerksamkeit im Lande“.
Das Versagen der Moderatoren
Unpolitisch ging es dann weiter, was der eine besser könne als der andere, Merz kann besser Fahrradfahren, so Scholz. Auch wie glücklich sie denn so seien, wurde gefragt. Das Versagen der Moderatoren in dieser Sendung ist selten so früh erkennbar gewesen. Scholz bekannte, dass er eigentlich noch keine richtigen Schicksalsschläge erfahren habe und ein glückliches Leben mit „Liebe“ im privaten Bereich erfahre. Wie schön. Merz hingegen berichtete, dass der Tod zweier seiner Geschwister schon „tiefe Spuren“ in ihm hinterlassen habe, ansonsten, so Merz, sei er „glücklich in der Liebe wie Herr Scholz“.
Einer Groko der Liebe könnte da wenig im Wege stehen, so könnte man mutmaßen – wären da nicht noch wenige inhaltliche Meinungsunterschiede, die im „Kanzlerduell“ dann doch noch auftauchten. Um es kurz zu machen, es gab nur zwei Themen, bei denen jeweils einer der Studiogäste punktete. Kurz abgehandelt wurde das Verhältnis zur AfD, bei der Scholz der CDU erneut vorwarf, mit den Rechtspopulisten gestimmt zu haben und Merz wiederum mit dem Vorwurf an die Ampel konterte, dass die AfD sich wegen derer schlechter Performance in dreieinhalb Jahre Rot-Grün-Gelb von 10,4 Prozent auf 20 Prozent fast verdoppelt habe.
Scholz hat bei Plänen gegen Arbeitsverweigerer die Nase vorn
Eingespielt wurde anschließend das Schicksal eines 58-jährigen Bürgergeldempfängers, der aus diversen Gründen seit 20 Jahren nicht arbeitet und 570 Euro sowie das Geld für die Miete bezieht – und es war Friedrich Merz der da bemerkte, er würde mit dem mal „ein ernsthaftes Gespräch führen“, während Scholz ziemlich präzise darlegte, wie solchen Arbeitsverweigerern das Handwerk zu legen sei.
Man müsse ein öffentliches Jobangebot schaffen und solchen Personen sagen, „da gehst du morgens um 6.30 Uhr hin“. Ziel sei es, den Leuten auch wirklich nachzuweisen, dass sie keine Lust zum Arbeiten hätten, „und dann können wir sie auch kriegen“. Aber man könne diesen Nachweis nicht den kleinen und mittleren Betriebe aufzwingen, die zum „200sten“ Mal einem Jobbewerber bei der Vorstellung die Unterschrift leisten, dass er beim Vorstellungsgespräch gewesen sei – ein Punkt für Olaf Scholz.
Scholz wirft Union „Steuergeschenke“ an Reiche vor
Auch beim Thema Wirtschafts- und Finanzpolitik stand Scholz nicht so schlecht dar. Er warf der Union vor, „Steuergeschenke“ an die Reichen machen zu wollen und eine Reform der Schuldenbremse zu blockieren, wobei Deutschland nur eine Staatsverschuldung von 60 Prozent, die USA aber 120 Prozent hätten. „Sie sind nicht so faktensicher“, warf Scholz seinem Kontrahenten Merz vor, der vehement auf eine Entlastung der Unternehmen pochte.
Es gebe einen Kapitalabfluss von jährlich 100 Milliarden Euro ins Ausland und jedes Jahr gingen wegen der harten Rahmenbedingungen wie der hohen Steuerlast im Land, 50.000 Unternehmen pleite, beklagte der Unions-Kanzlerkandidat, der für eine Bemerkung von Scholz, die SPD könne „gut mit Geld umgehen“, nur ein leises Lachen übrig hatte.
Merz punktet bei Migrationspolitik
Seinen großen Punkt machte Merz dann bei der Migrationspolitik, bei der Scholz zunächst allerlei Widernisse und die positive Bilanz der Ampel-Regierung – minus 100.000 Asylanträge – ausführte. Der legendäre und singuläre Abschiebeflug nach Afghanistan habe „diplomatischer Verrenkungen“ bedürft, um ihn hinzukriegen, so Scholz.
Nachdem die „Bild“-Chefredakteurin Horn ihre Betroffenheit – „Ich als Mutter“ – über die Anschläge von Aschaffenburg und München geäußert hatte, ergriff Merz das Wort und zeigte sich unbeeindruckt von der bisherigen Politik. Seit 2015 –also seit Merkel-Amtszeiten – laufe es falsch in der Migrationspolitik. „Wir haben hier 500 amtlich bekannte Gefährder überwiegend aus Afghanistan und Syrien, die laufen hier frei rum und man kriegt sie nicht unter Kontrolle“, sagte Merz. Das seien „tickende Zeitbomben“. Es gebe im Land 40.000 Personen, die sofort ausreisepflichtig seien und in der jetzigen Lage sei es die Ampel-Regierung, die trotzdem noch Afghanen nach Deutschland holen wolle: „Ich frage Sie, sind Sie wahnsinnig geworden?“
Nicht nur Meinungsverschiedenheiten, auch Gemeinsamkeiten
Trotz aller Meinungskonflikte, Scholz und Merz führten in diesem Duell einen fairen Umgang miteinander, es gab weder Beleidigungen noch Pöbeleien. Und es fanden sich sogar Gemeinsamkeiten. Man sei „nicht weit auseinander“, so Olaf Scholz, beim Thema Überwachung der sozialen Netzwerke, um möglichen Tätern von Anschlägen wie dem von München – der gut integriert war – auf die Spur zu kommen.
Ganz banal war eine andere Gemeinsamkeit. Wann sie denn selbst zuletzt in einem Supermarkt mal eingekauft hätten, wurden die beiden Kanzlerkandidaten gefragt – „im Dezember“ lautete die Antwort von beiden. Scholz zahlt mal bar oder mit Karte, Merz mit dem Handy.