Kein Geld bei Krankheit

Karenztage sind Populismus

Die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall schadet der Wirtschaft eher, als dass es sie entlastet, kommentiert unsere Autorin Bettina Hartmann.

Wer ansteckend ist, gehört nicht ins Büro.

© dpa/Philip Dulian

Wer ansteckend ist, gehört nicht ins Büro.

Von Bettina Hartmann

Sind die Deutschen zu oft krank? Allianz-Chef Oliver Bäte sagt „ja“ und fordert die Wiedereinführung eines Karenztags. Sprich: Arbeitnehmer sollen für den ersten Fehltag nicht mehr bezahlt werden. So könne das Blaumachen erschwert und pro Jahr 40 Milliarden Euro eingespart werden.

Was zunächst nach einer unangenehmen Wahrheit klingt, die endlich mal jemand ausspricht, erweist sich bei näherer Betrachtung als populistisch und zu kurz gedacht. Nur die wenigsten melden sich aus Spaß krank. Wer sich zur Arbeit schleppt, steckt schlimmstenfalls Kollegen an und riskiert Unfälle, mit hohen Folgekosten.

Karenztage unterstellen außerdem Faulheit – ein kaum geeignetes Mittel, Vertrauen und Motivation der Arbeitnehmer zu erhöhen. Eine weitere logische Konsequenz: Verstopfte Wartezimmer quellen noch mehr über. Denn wer ohne Attest weniger Geld bekommt, lässt sich von Tag eins an krankschreiben, womöglich sogar länger als nötig.

Beifall aus konservativen Kreisen

Bäte bekommt teils zwar Beifall aus konservativen Kreisen, viele seiner Kollegen bewerten die Lage aber anders. Vom Unternehmensberater Ernst&Young nach Wirtschaftsbremsen in Deutschland befragt, nannten kürzlich 115 Manager zuerst Bürokratie (70 Prozent), dann Fachkräftemangel (57 Prozent). Den Krankenstand sahen nur sechs Prozent als Problem. Und wer sagt eigentlich, dass die Zahlen alarmierend sind: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht im Europa-Vergleich jedenfalls keinen stark erhöhten Krankenstand in Deutschland.

Was nicht heißt, dass man ihn ignorieren soll. Es lohnt, zu analysieren, wie man die Gesundheit generell verbessern kann. Etwa mit der Förderung von Präventivprogrammen. Hier sind auch die Arbeitnehmer gefordert: Für die eigene Gesundheit ist jeder ein Stück weit mitverantwortlich.

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Erstellt:
7. Januar 2025, 16:08 Uhr
Aktualisiert:
7. Januar 2025, 16:20 Uhr

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