Karl-May-Festspiele
Karl May – der Mann, der Old Shatterhand war
Viel früher als im Vorjahr erleben schon mehr als 200 000 Zuschauerinnen und Zuschauer die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg – mit einem besonderen Stück. Aber wer war dieser Karl May? Ein Blick zurück.
Von Markus Brauer
Die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg haben die 200 000. Besucherin begrüßt. Die Marke sei bereits in der 36. Vorstellung von „Winnetou II – Ribanna und Old Firehand“ und damit drei Aufführungen früher als im Jahr 2023 übersprungen worden, hat der Veranstalter jetzt mitgeteilt. In der vergangenen Saison waren insgesamt mehr als 430 000 Zuschauer in das Freilichttheater am Kalkberg in Bad Segeberg gekommen.
„Winnetou II - Ribanna und Old Firehand“
Das neue Abenteuer „Winnetou II - Ribanna und Old Firehand“ läuft noch bis zum 8. September. Es ist das einzige Stück von Karl May, in dem sich Winnetou (Alexander Klaws) verlieben darf. Doch Ribanna (Sila Sahin) muss sich zwischen dem Häuptling der Apachen und dessen Freund Old Firehand (Jan Hartmann) entscheiden.
Das Freilichtspiel „Winnetou II – Ribanna und Old Firehand“ nach dem Roman „Winnetou II„ von Karl May wurde im Jahr 1966 von Wulf Leisner als Theaterstück für Freilichtbühnen geschrieben und erstmals am 9. Juli 1966 unter der Regie des Autors in Bad Segeberg uraufgeführt.
Meistverkaufter Schriftsteller deutscher Sprache
Wer war dieser Karl May, der diversen Festspielen seinen Namen gegeben hat? Mit einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren, einschließlich der Übersetzungen in mehr als 40 Sprachen, ist Karl May der meistverkaufte Schriftsteller deutscher Sprache.
Der Sachse war zeitlebens ein notorischer Aufschneider, Hochstapler und Plagiator. Sein Drang zur Selbstdarstellung und zu Betrügereien wurde nur noch von seiner genialen Fantasie übertroffen, die ihn eine literarische Wunderwelt erschaffen ließ.
Größter aller Abenteuer-Romanciers
Am 25. Februar 1842 wurde Karl May als Sohn armer Weber im sächsischen Hohenstein-Ernstthal geboren. Als er am 30. März 1912 im Alter von 70 Jahren starb, war er eine internationale Berühmtheit.
Karl Mays Ruhm beruht auf einem riesigen Opus, das in der Welt der Abenteuerromanen seinesgleichen sucht. Farbenprächtige Exotik, fantastische Abenteuer und literarische Hochspannung machten seine Romane für Generationen von kleinen und großen Lesern zu einem unwiderstehlichen literarischen Vergnügen.
Dabei war sein ganzes Leben eine einzige große Aufschneiderei. Dass er, Karl May, Old Shatterhand und der Ich-Erzähler Kara Ben Nemsi in einer Person gewesen seien, ist genauso eine Legende wie die Behauptung, dass er die Länder gesehen habe, die Abenteuer selber erlebt habe, von denen er erzählte.
Karl May war weder der christlich-humanistische Friedensbote, für den er sich ausgab, noch der Naturvölker-Versteher, für den er sich hielt. Die Neigung zu Betrug und Hochstapelei, für die er als junger Mann steckbrieflich gesucht wurde und vier Jahre im Zuchthaus saß, begleitete ihn sein Leben lang.
Zurück in die Kindheit
Was von Karl May geblieben ist, sind seine Romane, die Millionen kleiner und großer Helden in die Welt des Wilden Westens und des Orients entführten. „Der Schatz im Silbersee“, „Winnetou I-III“, „Der Schut“, „Unter Geiern“ und „Durch das wilde Kurdistan“ gehörten früher als Buch und Vinyl-Schallplatte zum Kinderzimmer wie Timpo Toys Western- und Ritterfiguren, Matchbox-Autos, „Was-ist-Was“-Bände und „Supermann“-Comics.
Karl Mays erfolgreichstes und bekanntestes Buch ist der 1890/1891 erschienene Westernroman „Der Schatz im Silbersee“. 1962 wurde er von Harald Reinl verfilmt – mit Lex Barker, Pierre Brice, Götz George, Herbert Lom und Karin Dor in den Hauptrollen. Die Uraufführung fand am 12. Dezember 1962 im Universum-Kino in Stuttgart statt.
Der Western, der in Kroatien gedreht wurde, war ein sensationeller Kassenerfolg, dem bis 1968 insgesamt 16 weitere sehr freie Karl-May-Adaptionen aus dem Wilden Westen, Südamerika und dem Orient folgten.
Wild, Wild West
Als der damals in Deutschland kaum bekannte 33-jährige französische Schauspieler Pierre Brice entdeckt wurde und 1962 erstmals in die Mokassins des edelmütigen Häuptlings im beige-blauen Fransenkostüm schlüpfte, konnte niemand ahnen, dass sich aus der naiv-skurrilen Filmadaption der „Winnetou“-Romane und der Platzpatronen-Baller-Wild-West-Show ein Hit, ja Kult entwickeln könnte.
Durch die elf Film-Adaptionen von Karl Mays frei erfundenen Western-Stoffen wurde „Wild, Wild West“ in den Herzen von Millionen Kindern und Erwachsenen fest verankert.
Winnetou vom Stamm der Mescalero-Apachen war der Edelste unter den Rothäuten und der größte aller Helden in dem an Helden so reichen Universum des sächsischen Fantasten.
Helden und Bösewichte
Als 1962 der erste Teil der Indianer-Saga „Der Schatz im Silbersee“ in die Kinos kam, standen Millionen Zuschauer in Deutschland Schlange, um zu sehen, wie das dynamische Duo Winnetou und Old Shatterhand (gespielt von Lex Barker) den Bösewichten um den „Roten Colonel“ Brinkley und seine Tramps das Handwerk legte.
„Winnetous Herz ist voller Freude, seinen weißen Bruder zu sehen.“ – „Auch Old Shatterhand ist voller Freude, seinen roten Bruder nach so vielen Monden wiederzusehen.“ Dialoge wie diese schrieben deutsche Filmgeschichte. Preziosen aus dem Archiv, die so kultig sind, dass sie die Tage des roten und weißen Mannes überdauern werden.
Die Filmreihe endete 1968. „Winnetou und Old Shatterhand im Tal der Toten“ hieß der letzte der elf Wild-West-Streifen. Der Film-Winnetou starb in den kroatischen Bergen an der Kugel des feigen weißen Pistoleros Rollins, als der sich schützend vor seinen Blutsbruder Old Shatterhand warf. Dass dem Bösewicht schnurstracks sein gerechtes Schicksal ereilte, konnte die Winnetou-Fans nicht über den Tod ihres Idols hinwegtrösten.
Ab in die ewigen Jagdgründe
Kein Wunder also, dass Pierre Brice 30 Jahre später für den ZDF-Zweiteiler „Winnetous Rückkehr“ nochmals das Indianerkostüm überzog. Ein bisschen reifer und rundlicher – und ohne die „Schmetterhand“ an seiner Seite.
Lex Barker war da schon längst in den ewigen Jagdgründen angekommen. Er starb am 11. Mai 1973, drei Tage nach seinem 54. Geburtstag an der Kreuzung Lexington Avenue/61. Straße in Manhattan (New York) an einem Herzinfarkt.
„Winnetou hört leise die Glocken von Santa Fe“, sagt der Indianer in „Winnetou III“ zu Old Shatterhand. Der weise Apache sah die ewigen Jagdgründe schon visionär vor sich. Anders als im Film wird der echte, literarische Winnetou am Berg Hancok von einem Sioux erschossen.
Karl May starb wohl an chronischer Bleivergiftung
Karl Mays eigener Weg in die ewigen Jagdgründe war weniger dramatisch als der seines Protagonisten. Er starb am 30. März 1912 im ostsächsischen Radebeul bei Dresdenlaut Bestattungsbuch an „Herzparalyse, acute Bronchitis, Asthma“. Neuere Untersuchungen des Skeletts deuten auf eine chronische Bleivergiftung hin.
Beider Name werden weiterleben und an den Lagerfeuern der roten und weißen Männer beim Rauchen der Friedenspfeife mit Ehrfurcht genannt werden. „Hugh, Winnetou hat gesprochen!“
Info: Karl-May-Festspiele
Bad Segeberg Im schleswig-holsteinischen Bad Segeberg finden seit 1952 alljährlich Aufführungen im Freilichttheater am Kalkberg statt.
Elspe Die Karl-May-Festspiele im sauerländischen Elspe (Elspe Festival) haben sich seit 1964 dieser Tradition verschrieben.
Radebeul Die Karl-May-Festtage finden jedes Jahr im Mai im sächsischen Radebeul statt.
Burgriedeng Die Karl-May-Festspiele in Burgrieden bei Ulm finden seit 2014 statt.
Egingg Außerdem gibt es Karl-May-Spiele in der Westernstadt Pullman City in Eging am See, Niederbayern.