Kein Glasboden für die neue Backnanger Sporthalle

Zu teuer und zu anfällig: Der Backnanger Gemeinderat entscheidet sich nach einer Begutachtung in Bayern gegen den neuartigen Bodenbelag. Sollten die Handballer des HC Oppenweiler/Backnang in die Zweite Bundesliga aufsteigen, könnte das zum Problem werden.

Leuchtende Linien gibt es seit September in der Untermainhalle im fränkischen Elsenfeld, wo der Handball-Zweitligist TV Großwallstadt seine Heimspiele austrägt. Der HC Oppenweiler/Backnang muss auf diese Innovation verzichten. Foto: Paul Kliemann

Leuchtende Linien gibt es seit September in der Untermainhalle im fränkischen Elsenfeld, wo der Handball-Zweitligist TV Großwallstadt seine Heimspiele austrägt. Der HC Oppenweiler/Backnang muss auf diese Innovation verzichten. Foto: Paul Kliemann

Von Kornelius Fritz

Backnang. Der Handball-Zweitligist TV Großwallstadt hat eine neue Attraktion. Der Traditionsverein aus Unterfranken, der in den 1970er- und 80er-Jahren mehrfach deutscher Meister und sogar Europapokalsieger war, trägt seine Heimspiele seit dieser Saison auf einem Glasboden aus. Für den Laien klingt das nach einem harten und glatten Untergrund, tatsächlich schwärmen aber die meisten Nutzer von dem neuartigen Belag. Dieser sei gelenkschonender und beuge Verletzungen vor. Auch die typischen Verbrennungen, die man sich beim Rutschen auf Hallenböden leicht zuzieht, soll es damit nicht mehr geben.

Der von einer bayerischen Firma entwickelte Boden hat aber noch einen weiteren Vorteil: Anders als auf den üblichen Hallenböden werden die Linien nämlich nicht aufgeklebt, sondern mit LED-Technik eingeblendet. So sind auf Knopfdruck immer nur die Markierungen zu sehen, die für die jeweilige Sportart benötigt werden. Das bunte Linienwirrwarr, das man aus den meisten Sporthallen kennt, ist damit Geschichte. Beim TV Großwallstadt ist man von dem neuen Boden jedenfalls begeistert: „Die Untermainhalle wird damit auf ein ganz anderes Niveau katapultiert“, schwärmt Geschäftsführer Stefan Wüst.

Berechnungen zur Amortisation unterscheiden sich stark

Auch die Handballer des HC Oppenweiler/ Backnang hätten ihre Heimspiele künftig gerne auf einem solchen Glasboden ausgetragen. Im Bauausschuss für die neue Sporthalle, die gerade auf der Maubacher Höhe entsteht, hatten Vertreter des Vereins diesen Wunsch vorgebracht. Der Verein denkt dabei an die Zukunft, denn sollte dem ambitionierten Drittligisten früher oder später der Aufstieg in die Zweite Bundesliga gelingen, braucht er einen Hallenboden, auf dem nur die Handballlinien zu sehen sind. Seit der Streaminganbieter Dyn Media alle Spiele der zweiten Liga live überträgt, ist ein solcher „Fernsehboden“ Pflicht.

Mit dem Einbau eines Glasbodens in die neue Sporthalle hätte man diese Bedingung also erfüllen können, doch da spielt der Backnanger Gemeinderat nicht mit. In nicht öffentlicher Sitzung stimmte das Gremium kürzlich einstimmig dafür, es wie geplant bei einem klassischen Schwingboden mit Linoleumbelag zu belassen. Hauptargument war dabei der Preis. Laut Baubürgermeister Stefan Setzer hätte der Generalunternehmer für einen Glasboden Mehrkosten von 2,4 Millionen Euro in Rechnung gestellt. Dabei wird die vierteilige Sporthalle mit Gesamtkosten von 19,5 Millionen Euro ohnehin schon viel teurer als ursprünglich gedacht. Angaben des Herstellers, wonach sich der teurere Belag aufgrund einer längeren Lebensdauer und geringerer Reinigungskosten nach 15 bis 20 Jahren amortisieren soll, konnten die Verantwortlichen in Backnang nicht nachvollziehen. „Wir kamen bei unseren Berechnungen eher in den Bereich von 80 Jahren“, sagt Stefan Setzer.

Glasboden in Elsenfeld war nach acht Wochen viermal beschädigt

Zu den finanziellen Überlegungen kamen aber auch Bedenken, ob ein Glasboden für die Backnanger Halle wirklich geeignet wäre. Anfang November hatte eine Abordnung aus Gemeinderat und Verwaltung extra eine Exkursion ins fränkische Elsenfeld unternommen, wo der TV Großwallstadt seine Heimspiele austrägt. Dort hörten sie zwar einerseits, dass die Sportler mit dem neuen Boden sehr zufrieden seien, aber auch, dass dieser in den ersten acht Wochen schon viermal beschädigt worden sei.

Einmal hätten zum Beispiel Schüler ein Tor auf den Glasboden fallen lassen, ein anderes Mal fiel beim Abstauben der Lüftungsanlage eine Eisenstange herunter. Jedes Mal ging dabei eine Glasplatte zu Bruch und musste ausgetauscht werden. Kosten pro Platte: rund 3000 Euro. „Es hat sich gezeigt, dass dieser Boden eine spezielle Einweisung und besondere Sorgfalt erfordert“, sagt Stefan Setzer. Bei einer Halle, die auch regelmäßig von zwei Schulen für den Sportunterricht genutzt werden soll, sei dies nur schwer zu gewährleisten.

„Die Entscheidung für den robusteren Linoleumboden hält Stadtrat Hettich für vernünftig“

Das sieht inzwischen auch Rolf Hettich so. Der CDU-Stadtrat war lange Zeit ein Befürworter des Glasbodens, doch auch ihm kamen nach dem Besuch in Elsenfeld Zweifel: „Natürlich wäre so ein Boden eine tolle Sache für Backnang, aber für den Schulsport halte ich ihn für problematisch.“ Die Entscheidung für den robusteren Linoleumboden hält Hettich mittlerweile für „vernünftig, auch wenn es mir im Herzen wehtut“.

Enttäuschung herrscht hingegen bei den Vereinsvertretern: „Ich finde es schade. Das wäre ein Alleinstellungsmerkmal für die Sportstadt Backnang gewesen“, sagt Rainer Böhle, der sich in der Turnabteilung der TSG Backnang 1846 und beim HCOB engagiert. Mit einer Glasbodenhalle hätte man aus seiner Sicht auch die Chance gehabt, hochklassige Sportwettkämpfe nach Backnang zu holen, etwa Juniorenländerspiele im Handball oder Basketball. „Nicht nur der HCOB hätte davon profitiert, sondern alle Backnanger Vereine“, glaubt er.

Der HCOB ist allerdings der einzige Verein, der nun eine Alternative braucht, falls es tatsächlich mit dem Aufstieg in die Zweite Bundesliga klappen sollte. Für diesen Fall müsste der Verein wohl selbst einen Handballboden anschaffen, der dann vor jedem Heimspiel über dem normalen Hallenbelag verlegt und hinterher wieder abgebaut wird. Ein solcher Boden sei für etwa 50000 Euro zu haben, sagt Stefan Setzer, die Kosten für Auf- und Abbau beziffert er auf 2000 Euro pro Spiel. Ob sich die Stadt an diesen Kosten beteiligen würde, lässt der Erste Bürgermeister offen: „Darüber diskutieren wir, wenn der Aufstieg geschafft ist.“

Der Rohbau steht

Bauarbeiten Der Bau der neuen Sporthalle auf der Maubacher Höhe schreitet zügig voran. Wie Hasan Garic, Projektleiter beim Generalunternehmer Goldbeck Süd, mitteilt, liegt die Baustelle im Zeitplan. „Wir sind bei den letzten Rohbauarbeiten und beginnen bereits mit der Dachabdichtung“, so Garic. Auch die Fenster sollen noch dieses Jahr kommen, dann beginnt der Innenausbau.

Zeitplan Mit dem Bau der neuen vierteiligen Sporthalle, die die abgerissene Karl-Euerle-Halle ersetzt, wurde im Mai begonnen, im Juli fand die feierliche Grundsteinlegung statt. Der nächste Meilenstein wird am 8. Dezember mit dem Richtfest gefeiert. Bis August 2024 soll die Halle fertig sein, damit Schulen und Vereine sie nach den Sommerferien nutzen können.

Zum Artikel

Erstellt:
23. November 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen