Kein Platz für Tiny Houses
Während die Nachfrage nach der alternativen Wohnform hoch ist, gibt es für Interessenten im Rems-Murr-Kreis bislang kaum Möglichkeiten, sich den Traum eines Minihauses zu erfüllen. In Weissach im Tal plant man noch, in Backnang ist man skeptisch.

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Auf kleinstem Raum wohnen und so Ressourcen schonen – das ist das Konzept der Tiny Houses. Foto: Adobe Stock/ppa5
Von Lorena Greppo
BACKNANG/WEISSACH IM TAL. Als sich Elisabeth Späth Anfang des vergangenen Jahres nach einer neuen Wohnung umschaute, fielen ihr zwei Dinge auf: „Das Angebot an Immobilien in der Region ist knapp und die Preise sind utopisch.“ Dabei wollte die Backnangerin gar keine Luxuswohnung haben, im Gegenteil: „Ich wollte die minimalistische Richtung einschlagen und mich aufs Nötigste beschränken.“ Ein kleines Häuschen, auch Tiny House genannt, sei ihre Vorstellung gewesen. So wäre sie beim Umzug auch „den vielen Schrott losgeworden, der sich über die Jahre angesammelt hat“. Nur: Ein Grundstück zu finden, auf dem sich ein solches Vorhaben umsetzen lässt, ist gar nicht so einfach. „Ich habe alle Gemeinden im Umkreis angeschrieben“, berichtet Späth. In Winnenden gebe es das Wohngebiet Adelsbach, in dem Platz für Tiny Houses vorgesehen ist. Nur wird es bis zu dessen Umsetzung noch einige Zeit dauern. Von den meisten Kommunen habe sie überhaupt keine Rückmeldung erhalten, sagt Späth. In Weissach im Tal verwies man darauf, dass das Projekt Tiny-House-Siedlung noch nicht weit genug vorangeschritten sei, um eine Interessentenliste zu führen oder gar Baugrundstücke zu veräußern.
Im Rahmen der Zukunftsoffensive Ortsteile war die Idee dazu eingebracht worden, seitdem hat sich die Gemeinde nach geeigneten Standorten umgesehen. In der jüngsten Gemeinderatssitzung der Tälesgemeinde war eben jene Siedlung ein Punkt auf der Tagesordnung. Gemeinsam mit dem Planungsbüro Roosplan hatte die Verwaltung ein erstes Konzept ausgearbeitet. Eine mögliche Fläche für die Umsetzung des Projekts wurde in Cottenweiler hinter dem kommunalen Kindergarten ausgemacht. Da sich dort Tiefbrunnen befinden, sei eine herkömmliche Bebauung von vornherein ausgeschlossen. „Vom Grundgedanken her sollte es so sein, dass die Gemeinde die Fläche einem möglichen Betreiber – etwa einem Verein – über einen Erbpachtvertrag zur Verfügung stellt und dafür einen Pachtzins erhält“, heißt es vonseiten der Gemeindeverwaltung. Erste Vorentwürfe zeigten Varianten mit bis zu 13 Tiny-House-Einheiten à 15 Quadratmetern und einem größeren Gemeinschaftshaus. Nur: Der Beschluss des Gemeinderats fiel negativ aus, das Gremium erachtete den Standort als ungeeignet. Die Verwaltung wurde beauftragt, sich nach alternativen Flächen umzusehen.
Die Grundstückspreise sind auch für kleine Häuser hoch.
Dass die verkleinerte Wohnform auf Interesse stößt, hat die Gemeinde allerdings festgestellt. Nicht nur Elisabeth Späth hat dort nachgefragt. Zahlreiche Privatinteressenten hätten sich bei der Weissacher Verwaltung gemeldet, weil sie gerne ein Tiny House beziehen möchten. „Es handelt sich dabei um Studenten, Pädagogen, Musiker, Selbstständige oder Pensionäre – das heißt um ganz unterschiedliche Bevölkerungsgruppen.“ Auch Elisabeth Späth hat über diverse Online-Foren und im Gespräch mit Freunden viel Zuspruch erfahren. Eine Freundin habe auch mitmachen wollen. Dort, wo sie sich aber für entsprechende Bauplätze beworben habe, sei ihr gesagt worden, dass die Projekte völlig überzeichnet seien – das Angebot könne keinesfalls die Nachfrage decken. „Insofern frage ich mich, warum die Kommunen das nicht verfolgen“, sagt Späth. Ihr scheine es, als sei das Interesse an nachhaltiger Wohnwirtschaft gering, die Herangehensweise der Verwaltungen in puncto Wohnungsbau nicht offen genug.
Anfragen zu möglichen Tiny Houses erreichen hin und wieder auch die Stadt Backnang. Ein spezielles Projekt dazu gibt es in der ehemaligen Gerberstadt jedoch nicht. „Begrüßenswert ist der Ansatz, kostenreduziert und technisch schlichten (Lowtech) Wohnraum zu schaffen“, findet der Backnanger Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann. Das sei bei Tiny Houses aber auch nicht immer der Fall und könne grundsätzlich auch über weitere Gebäudetypen und Fertigungsweisen erreicht werden. „Aus meiner Erfahrung gab es auch Anfragen, welche Tiny House gleich erschwingliches oder vergünstigtes Grundstück setzen und dann erstaunt sind, dass hierfür ähnliche Grundstückspreise von potenziellen Verkäufern aufgerufen werden, Kanal oder Hausanschluss notwendig werden oder die Auflagen an Brandschutz zu erfüllen sind“, so der Stadtplaner weiter. Denn auch wenn die Häuser kleiner ausfallen als sonst üblich, heiße das nicht, dass die Bauvorgaben laxer sind. Folglich müsse das Grundstück erschlossen sein, also über Abwasserkanal und Ähnliches verfügen, eine baurechtliche Beurteilungsgrundlage sollte vorliegen und städtebauliche Einfügekriterien wie Dachformen, Material, Belichtung und Ähnliches gelten unverändert. „Dahin gehend beantworten und begleiten wir auch Anfragen beratend“, fügt Großmann an.
In Schorndorf wird die Wohnform nun am Stadtrand erprobt.
Elisabeth Späth hat sich nach den vielen Absagen vom Traum eines Tiny House verabschiedet. „Du läufst ständig nur auf“, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Sie und ihr Freund haben stattdessen ein altes Bauernhaus in Murrhardt bezogen. Weil sie aber weiterhin davon überzeugt war, nicht so viel Platz zu brauchen, teilen sie sich das Haus mit einer Freundin und deren Familie.
Bedeutet das, dass die kleinen Häuser im Rems-Murr-Kreis vorerst nicht realisierbar sind? Nicht ganz, denn andere Kommunen sind hier bereits ein ganzes Stück weiter. In Schorndorf hat der Gemeinderat den Weg frei gemacht für die Erprobung neuer Wohnformen. Für den Bau stehen im südlichen Stadtrandgebiet Flächen zur Verfügung, die jenen Bürgern vergeben werden, welche dort ein Tiny House bauen und darin wohnen möchten. Insgesamt gibt es fünf Bauparzellen, jeweils zwischen 121 und 144 Quadratmetern, die sich räumlich in zwei Hälften trennen. „Die Flächen befinden sich in einem Naherholungsgebiet nahe dem Stadtwald“, heißt es vonseiten der Schorndorfer Stadtverwaltung. Auch die Innenstadt sei in wenigen Gehminuten erreichbar und sämtliche Einrichtungen des täglichen Bedarfs seien in direkter Umgebung vorhanden. Die Bauparzellen werden mit einer Laufzeit von zunächst zehn Jahren verpachtet. Die Hausanschlüsse für die Sparten Kanal, Wasser, Strom und Kabel werden auf Kosten der Stadt hergestellt und der monatliche Pachtzins beträgt zwischen 200 und 240 Euro pro Bauparzelle.
In einem Tiny House wohnt man dauerhaft auf kleinstem Raum und reduziert sich so zwangsläufig auf die wichtigsten Dinge. Die alternative Wohnform richtet sich an Menschen mit minimalistischem, ressourcenschonendem und umweltbewusstem Lebensstil.
Um Menschen mit dem Interesse an den Kleinsthäusern zusammenzubringen, hat sich im Juli 2019 der Verein Tiny House Region Stuttgart gegründet. Dieser veranstaltet Treffen für Interessierte, organisiert Austausch und Information und kooperiert mit anderen Tiny-House-Organisationen. Für die geplante Tiny-House-Siedlung in Weissach im Tal komme der Verein als Betreiber in Betracht.