Kein Platz mehr für die Gruschtelkammer in Auenwald?
Nach 32 Jahren mit hochkarätigen Gästen fällt für die Gruschtelkammer in Auenwald wohl bald der letzte Vorhang. Der Vorsitzende des Vereins Charley Graf hadert mit der fehlenden Rückendeckung, Bürgermeister Kai-Uwe Ernst verteidigt die Rolle der Gemeindeverwaltung.
Von Kai Wieland
Auenwald. „Das wird noch einmal hochemotional werden“, sagt Charley Graf, Vorsitzender des Fördervereins Kleinkunstbühne sowie Gesicht der renommierten Gruschtelkammer in Auenwald, mit Blick auf die bevorstehenden Veranstaltungen. „Sechs restlos ausverkaufte Theaterabende in der Sängerhalle. Da freue ich mich sehr darauf.“
Abgesehen von einer großen Abschiedsgala in der Auenwaldhalle, die für Februar nächsten Jahres angedacht ist, werden es zum großen Bedauern vieler Kleinkunstfreunde weit über die Grenzen Auenwalds hinaus voraussichtlich die letzten Veranstaltungen der Gruschtelkammer sein, auf jeden Fall aber die letzten in der Sängerhalle. Deren geplanter Abriss im Zuge der Sanierung der Ortsmitte von Oberbrüden ist die Hauptursache dafür, dass sich die Kultureinrichtung in ihrer Abschiedsspielzeit befindet. Bei aller Vorfreude auf diese Abende im April und Mai überwiegt bei Charley Graf daher doch die Wehmut – und das Unverständnis über den fehlenden Willen, ihm und seinem Verein ausreichend Zeit für eine Lösung einzuräumen.
Abrisstermin steht noch nicht fest
Dass die Sängerhalle kein Domizil für die Ewigkeit sein würde, stand schon länger fest, ursprünglich war gar von einem Abriss im Jahr 2021 die Rede. Charley Graf hatte sich damals von Gemeindeverwaltung und -rat Zeit bis zum Jahr 2025 erbeten, um eine geeignete Alternative sowie einen jüngeren Nachfolger für seine Person zu finden, jedoch ohne Erfolg. Ein vereinseigener Neubau sei nicht zu stemmen, betonte er damals, die Nutzung der Mehrzweckhalle in Hohnweiler oder der Auenwaldhalle zu aufwendig und teuer – eine Einschätzung, die sich in der Pandemiezeit, als die Gruschtelkammer auf die Auenwaldhalle auswich, bestätigte (wir berichteten). Fast ironisch erscheint es da, dass im April 2023 nach wie vor kein konkreter Abbruchtermin für die Sängerhalle feststeht, wie Bürgermeister Kai-Uwe Ernst, der das Amt in Auenwald seit Mai 2021 innehat, bestätigt.
Es ist einer der Aspekte, die den Vorsitzenden der Gruschtelkammer resigniert zurücklassen. „Die Sängerhalle kann selbst in zehn Jahren noch stehen, aber auch dazu gibt es eben keine verlässlichen Auskünfte“, bemängelt Graf. Es fehle daher an Planungssicherheit. Deshalb habe sich der Verein schweren Herzens dazu entschieden, dass der Weiterbetrieb der Gruschtelkammer keinen Sinn mehr ergibt.
Drei Hallen und doch keine Alternative
Von der Gemeinde hätte er sich bei der Suche nach einer Lösung mehr Unterstützung gewünscht, stattdessen habe man in der Auenwaldhalle auch noch hohe Mietkosten zahlen müssen. Bürgermeister Kai-Uwe Ernst betont jedoch, dass man die Veranstaltungen der Gruschtelkammer gerade in der Coronazeit sehr unterstützt habe. „Außerdem gibt es eine Förderrichtlinie, die für alle Vereine gilt und nach der sich auch die Gruschtelkammer bei einer Veranstaltung im Jahr fördern lassen kann.“
Auf die Frage, ob es darüber hinaus Bemühungen gegeben habe, die Gruschtelkammer zu erhalten, verweist Ernst auf die Entscheidung des Vereins, das eigene Schicksal an das Bestehen der Sängerhalle zu knüpfen. „In Auenwald stehen drei Hallen zur Verfügung“, sagt der Bürgermeister. Deshalb sei auch der Bau einer neuen Kultureinrichtung im Zuge der Sanierung der Ortsmitte bislang nicht geplant. Persönlich bedauere er den Abschied der Gruschtelkammer sehr, sagt Ernst und betont auch noch einmal deren überregionale Strahlkraft. Wie die Dinge stünden, müsse man sich damit aber wohl leider abfinden.
Vieles ist noch unklar
Angebote aus umliegenden Gemeinden, die Gruschtelkammer aufzunehmen, habe es seit Bekanntwerden der Situation immer wieder in großer Zahl gegeben, sagt Charley Graf. „Wir haben diese auch im Vorstand besprochen, zuletzt aber beschlossen, dass wir nach Auenwald gehören. Hier hat es begonnen und wenn es nicht mehr weitergeht, dann soll es auch hier enden.“
Sofern kein Wunder geschieht, wird die Gruschtelkammer nach dieser Spielzeit und der Abschiedsgala also Geschichte sein. Nicht geklärt ist dagegen, wie es mit dem Förderverein Kleinstkunstbühne weitergehen wird, der hinter der Gruschtelkammer steht. Eine Auflösung sei bislang noch nicht beschlossen, aber „welchen Zweck hat die Mitgliedschaft in einem Förderverein, der keine Bühne hat?“, fragt Graf. Dennoch wolle er versuchen Anreize zu schaffen, um die Mitglieder zumindest noch für das kommende Jahr zu halten. „Danach sehen wir weiter.“
Auch für sein eigenes Wirken weiß Charley Graf noch nicht, was die Zukunft bereithält. Lust auf Kleinkunst hat er jedenfalls nach wie vor. „Ich bin natürlich sehr gut vernetzt, kenne viele Bürgermeister und Institutionen. Wenn die mal ein Abendprogramm oder ein kleines Festival planen und auf mich zukommen, kann ich mir gut vorstellen, mich da einzubringen. Aber das sind bislang nur lose Gespräche, da ist noch nichts fix.“
Was wird aus der Kultur in Auenwald?
Die meisten Bauchschmerzen bereitet ihm die zukünftige Rolle der Kultur in der Gemeinde: „Meine Angst ist die, dass die Kultur in Auenwald, das seit über 32 Jahren ganz oben dabei ist in der Kleinkunstszene, nun in ein schwarzes Loch fällt.“
Auf den Bürgermeister sei er daher mit dem Angebot zugegangen, seine Netzwerke und Erfahrung zu nutzen, um kulturelle Veranstaltungen zu begleiten, welche die Gemeinde selbst ausrichtet. Darauf habe es jedoch keine Resonanz gegeben. Das möchte Bürgermeister Kai-Uwe Ernst so allerdings nicht stehen lassen: „Wir waren in regelmäßigem Austausch mit Herrn Graf und sind so verblieben, dass wir bei zukünftigen Kulturveranstaltungen gerne auf ihn zukommen.“ Aktuell sei schlicht noch nichts Konkretes geplant, weshalb der Kontakt etwas weniger sei. Immerhin: Für die große Abschiedsgala in der Auenwaldhalle wurde Charley Graf die Garantie ausgesprochen, dass die Halle dann verfügbar sei. Auch das Programm nimmt wohl bereits Formen an: „Die Organisation des Abends ist schon auf einem ganz guten Weg“, sagt Graf.
Von Kai Wieland
Es scheint ein Abschied zu sein, den keiner will, aber gerade deshalb stellt sich die Frage, ob wirklich alle Mittel und Wege ausgelotet wurden, um die Gruschtelkammer in Auenwald zu erhalten. Der Verweis des Bürgermeisters auf die Förderrichtlinie ist verständlich, die Gleichbehandlung von Vereinen richtig und wichtig. Angesichts des überragenden Standings, das die Kulturinstitution deutschlandweit genießt und auf das man in Auenwald zu Recht stolz ist, sollte sich die Gemeinde aber schon im eigenen Interesse für deren Fortbestehen stärker mitverantwortlich fühlen. Man mag dem Verein vorhalten, dass er sich zu sehr auf die Sängerhalle versteift und die bestehenden Alternativen innerhalb der Gemeinde ausschlägt. Von den finanziellen und organisatorischen Aspekten ganz abgesehen ist es aber nun einmal Tatsache, dass die Qualität eines Kulturerlebnisses auch ganz entscheidend von der Atmosphäre und Größe der Räumlichkeit getragen wird.
Es fällt schwer zu glauben, dass mit etwas Fantasie und Willen nicht doch ein geeignetes Zuhause für die Gruschtelkammer hätte gefunden oder gar geschaffen werden können. Die ganze Region und Kulturszene, vor allem aber die Gemeinde Auenwald verliert nun ein echtes Pfund, anstatt auf dieses zu setzen und ein neues Kapitel der Erfolgsgeschichte mitzugestalten.
k.wieland@bkz.de