Keine Angst vor der Selbstständigkeit
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) plädiert für bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen sowie Angestellte
Als Ehrengast hatte die IHK-Bezirkskammer Rems-Murr zu ihrem diesjährigen Neujahrsempfang Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gewinnen können. Dieser sprach in seiner Festrede nicht nur über die Herausforderungen, denen der Wirtschaftsstandort Deutschland ausgesetzt ist, sondern auch darüber, wie Politik und Unternehmen diesen entgegentreten können.

© Pressefotografie Alexander Beche
Moderator Michael Antwerpes (links) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier scherzten gemeinsam auf der Bühne. Foto: A. Becher
Von Lorena Greppo
BACKNANG. Wer einen drögen Vortrag erwartet hatte, den belehrte Peter Altmaier eines Besseren. Der Bundeswirtschaftsminister gestaltete seine Festrede beim Neujahrsempfang der IHK Rems-Murr mit viel Humor, aber auch leidenschaftlichem Einsatz für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Lacher auf seiner Seite hatte Altmaier schon gleich zu Anfang, als ihn SWR-Moderator Michael Antwerpes, der durch den Abend begleitete, nach seinen Neujahrsvorsätzen befragte. Zuvor hatte IHK-Bezirkskammerpräsident Claus Paal auf die gleiche Frage geantwortet: „Abnehmen wollen wir doch alle.“ Altmaier offenbar nicht. Er sei zwar in den sieben Jahren, die er der Bundesregierung angehöre, nicht immer der wichtigste Minister gewesen, wohl aber der gewichtigste. „Gegen Sigmar Gabriel war das nicht immer leicht, aber den Titel will ich mir auch dieses Jahr nicht nehmen lassen.“
Der Minister für Wirtschaft und Energie widmete sich in seinem Vortrag unter dem Titel „Wirtschaftspolitik in Zeiten globaler Herausforderungen“ aber auch ernsteren Themen. Zwar sei die Wirtschaftslage in Deutschland momentan herausragend, damit dies so bleibe, bedürfe es aber harter Arbeit. „Man kann sich wappnen, vorbereiten und die Weichen richtig stellen.“ Deutschland habe im Laufe der Jahrzehnte dazugelernt. Etwa, dass die Wirtschaft nicht nur von einigen wenigen großen Unternehmen dominiert werde, sondern dass es einen soliden Mittelstand gebe. Damit neue Betriebe nachkommen, brauche es aber auch junge Leute, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen.
Steuererhöhungen erteilt der Minister eine Abfuhr
Altmaier nahm mit Sorge Bezug auf eine Aussage seines Vorredners Claus Paal, dass laut Umfragen 40 Prozent der Studenten eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst attraktiv finden. – Tendenz steigend. „Viele resignieren vor der Selbstständigkeit, weil sie Angst vor der Bürokratie und vor den Risiken haben“, erklärte der Minister. Ihnen müsse man zeigen, wie wichtig ihre Tätigkeit ist. Jemand, der sich verschulde, um ein Unternehmen zu gründen und anderen Arbeit zu geben, mache sich um die Allgemeinheit verdient.
Damit aber die Unternehmen wachsen können, müssten die Rahmenbedingungen stimmen. Viele Betriebe tun sich derzeit schwer, geeignete Fachkräfte zu finden. Unter anderem durch ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz wolle die Politik den Unternehmen helfen, „dass kein Arbeitsplatz deshalb nicht besetzt wird, weil sich keine Fachkraft dafür findet“. Zudem müsse die Bezahlbarkeit des deutschen Sozialsystems gewährleistet werden. „Jene, die dazu beitragen, müssen wir vor unmäßigen Belastungen schützen“, forderte der Wirtschaftsminister. Das bedeute, dass die Steuern nicht erhöht werden dürften. „Wer bei der Arbeit ranklotzt, der soll auch etwas davon haben.“ Auch der Einführung einer Vermögenssteuer erteilte Altmaier eine Absage, denn sie sei ungerecht. Zudem sprach er sich für einen „vernünftigen Stufenplan“ aus, mit dem der Solidaritätszuschlag schrittweise abgeschafft wird. Der sogenannte Soli sei nach der deutschen Einheit richtig und notwendig gewesen. Nun brauche man ihn aber nicht mehr.
Was Deutschland laut Altmaier auch nicht braucht, sind flächendeckende Fahrverbote in den Städten. Diese seien die „am wenigsten intelligente und wirksame“ Maßnahme, um die Luftqualität zu verbessern. „Ich plädiere deshalb sehr dafür, mit aller Kraft zu versuchen, diese Fahrverbote zu vermeiden“, machte der Minister klar. Es sei schon schlimm genug, dass es vonseiten der Automobilkonzerne Schummeleien gegeben habe. Doch nun jenen Leuten, die in gutem Glauben ein Dieselauto gekauft haben, zu sagen, sie dürfen damit nicht mehr in die Stadt fahren, „ist eine Enteignung mit retroaktiver Wirkung“.
Nachholbedarf in Sachen
Mobilfunk und Breitbandausbau
Nicht nur in der Politik hat Peter Altmaier aber Nachholbedarf erkannt. Er sieht die Entwicklung künstlicher Intelligenz als zukunftsweisend – Deutschland sei auf diesem Feld jedoch nicht das Maß aller Dinge. „Es treibt mich um, wenn wir bei dieser Entwicklung nicht vorne mit dabei sind“, äußerte er seine Bedenken. Beispielsweise würden Spracherkennungssysteme zwar hier in Deutschland entwickelt, den Gewinn machten dann aber andere damit, vornehmlich die amerikanischen Internetunternehmen wie Google, Microsoft und Apple. Wenn die deutsche Industrie an dieser Stelle nicht aufhole, würden die kommenden Generationen irgendwann fragen, warum es nicht gelungen ist, etwas vom Erfolg der vergangenen Jahre und Jahrzehnte „rüberzuretten“, ist sich Altmaier sicher.
Noch einmal kam der Bundeswirtschaftsminister an dieser Stelle auf die Rahmenbedingungen der Unternehmen zu sprechen. Denn in puncto Mobilfunknetz und Breitbandausbau sei die Lage in Deutschland „ärgerlich und inakzeptabel. Es muss unser Anspruch sein, dass es überall möglich ist, zu telefonieren und zu simsen.“ Wirtschaftswachstum dürfe aber nur so weit gehen, wie es ökologisch verträglich ist. „Der kleine, arme Planet Erde wird diese Entwicklung nur schaffen, wenn wir verantwortungsvoll wirtschaften.“ Man sei in Deutschland nicht umsonst Weltmeister der Ressourceneffizienz und werde auch diese Herausforderung bewältigen.
Einen Ausblick auf die eigene Zukunft gewährte Peter Altmaier abschließend auch noch: In 30 Jahren sehe er sich mit Hüftgelenksarthrose im Bett liegen, von einem Pflegeroboter betreut. Dem werde er sagen: „Bring mir eine Flasche Bier aus der Küche.“ Und wenn die smarte Maschine sich weigere, weil die Harnanalyse vom Vortag schon Beweis ausschweifenden Bierkonsums war, dann werde er das aber nicht auf sich sitzen lassen. Offenbar muss auch die künstliche Intelligenz ihre Grenzen kennen.