Keine Bußgelder für ungeimpfte Pflegekräfte

Zum Jahresende läuft die einrichtungsbezogene Coronaimpfpflicht aus. Dem Gesundheitsamt wurden 1400 Fälle mangelnder Impfnachweise gemeldet, die Behörde erteilte aber keine Strafen. In den Einrichtungen bleiben Ungerechtigkeitsempfinden und Erschöpfung zurück.

Vor Inkrafttreten der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hat sich diese Mitarbeiterin im Alten- und Pflegeheim Staigacker Ende 2020 gegen Covid-19 impfen lassen. Archivfoto: Jörg Fiedler

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Vor Inkrafttreten der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hat sich diese Mitarbeiterin im Alten- und Pflegeheim Staigacker Ende 2020 gegen Covid-19 impfen lassen. Archivfoto: Jörg Fiedler

Von Nicola Scharpf

Backnang. Es sind noch wenige Tage, dann läuft die umstrittene einrichtungsbezogene Coronaimpfpflicht aus. Dann „wird für uns vieles einfacher“, sagt Sabine Laible. Die stellvertretende Geschäftsführerin des Backnanger Alten- und Pflegeheims Staigacker findet es gut, dass die Impfpflicht zum Jahresende ausläuft, auch wenn es, wie sie sagt, „stillschweigend“ vonstatten geht. Sie fand die einrichtungsbezogene Impfpflicht von Anfang an weder gut noch korrekt: „Entweder alle oder keiner.“

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war im März 2022 eingeführt worden

Im Dezember 2021 hatten Bundestag und Bundesrat die einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen, die im März 2022 eingeführt wurde. Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitswesen mussten daraufhin bundesweit nachweisen, dass sie gegen das Coronavirus vollständig geimpft oder genesen sind. Wer sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen konnte, musste ein Attest vorlegen. Wenn Arbeitnehmer keinen Nachweis vorlegten, musste das Gesundheitsamt durch die jeweiligen Einrichtungen informiert werden. Dem betroffenen Personal drohte seitdem ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot oder ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro.

Im Alb-Donau-Kreis sorgt das aktuell für Ärger: Das dortige Landratsamt hat 80 Bußgeldbescheide an nicht geimpfte Pflegekräfte verschickt. Die Evangelische Heimstiftung wehrt sich gegen die Vorgehensweise der Behörde. Nach Informationen des SWR wurde in zwei Fällen demnach Widerspruch eingelegt und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. So hoch kocht das Thema im Rems-Murr-Kreis nicht. Die Pressestelle des Landratsamtes in Waiblingen informiert, dass der Behörde insgesamt 1400 Fälle wegen mangelnder Impfnachweise gemeldet wurden. „Alle uns gemeldeten nicht immunisierten Personen haben wir kontaktiert und zur Vorlage eines Immunisierungsnachweises aufgefordert“, teilt eine Pressesprecherin mit. Es habe im Rems-Murr-Kreis aber weder Bußgeldbescheide noch Betreuungs- und Beschäftigungsverbote gegeben und in der Folge auch keine Widersprüche und Fälle, die an die Staatsanwaltschaft übergeben wurden. Die Begründung: „Aufgrund unseres Ermessensspielraumes haben wir auf beides verzichtet.“

Sabine Laible bestätigt, dass ihr keine Fälle bekannt sind, dass ungeimpfte Mitarbeiter Bußgelder erhalten hätten. Die gemeldeten Mitarbeiter seien zwar von der Behörde angeschrieben worden. Sie als Arbeitgeber sei aber an keinem Anhörungsverfahren beteiligt gewesen. Anders beim Alexander-Stift der Diakonie Stetten, das nach Angaben von Geschäftsführerin Gaby Schröder Stellungnahmen als Arbeitgeber abgeben musste. Zu den Vorgängen im Alb-Donau-Kreis sagt Schröder: „Tut mir leid, das verstehe ich überhaupt nicht mehr. Was ist angemessen, was nicht?“ Auf der einen Seite brauche man händeringend Fachkräfte in den Pflegeberufen. Auf der anderen Seite behandele man diese Berufsgruppe so ungerecht anders – beispielsweise durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht. „Das ist paradox.“

Es fehlt die Auswertung, ob sich die Sicherheit der Bewohner erhöht hat

Die Impfpflicht gestaltete sich bei Neueinstellungen oftmals als K.-o.-Kriterium, berichten Laible und Schröder übereinstimmend. Insbesondere in den Bereichen Hauswirtschaft, Haustechnik und Reinigung habe man deutlich gemerkt, dass sich durch das Einführen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht die Mitarbeitersuche erschwerte, so Schröder.

Wenn die einrichtungsbezogene Impfpflicht etwas genutzt habe, dann weil sich der Großteil der Mitarbeiter habe impfen lassen – auch diejenigen, die sonst ungeimpft geblieben wären, sagt Sabine Laible. Ob die einrichtungsbezogene Impfpflicht auch für die Sicherheit der Bewohner und Bewohnerinnen etwas gebracht hat, kann Gaby Schröder nicht beurteilen, dafür fehle die wissenschaftliche Auswertung. Jedenfalls seien viele Beschäftigte zunächst dabei mitgegangen, dass die Pflegeberufe den Anfang machen auf dem angekündigten Weg zu einer allgemeinen Impfpflicht. Nachdem die einrichtungsbezogene Impfpflicht aber zum Vorläufer für eine allgemeine Impfpflicht wurde, die nie kam, sei bei den Mitarbeitern großer Unmut entstanden, der sich nach wie vor gegen die Regierung und Politik richte. „Ich hätte es als ein Statement empfunden, zu sagen, wir machen die allgemeine Impfpflicht nicht und setzen deshalb auch die einrichtungsbezogene wieder aus. Nun schleicht es sich jetzt so aus“, bedauert Schröder.

Zurück blieben ein großes Ungerechtigkeitsempfinden – und Erschöpfung: „Es war extrem anstrengend. Der Bürokratismus bringt einen an den Rand.“ Auch Sabine Laible weist darauf hin, dass die Kontrolle und Meldung für die Einrichtungen mit einem riesigen Verwaltungsaufwand verbunden war. „Und im Grunde für nichts. Das steht in keinem Verhältnis.“

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Erstellt:
15. Dezember 2022, 19:32 Uhr

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