Keine Flüchtlinge in Meßstetten: Streit mit dem Land beendet

dpa/lsw Meßstetten/Stuttgart. Noch im Dezember hatte Ministerpräsident Kretschmann der Stadt Meßstetten wenig Hoffnung gemacht: Den Wiederaufbau einer Landeserstaufnahmestelle (LEA) schloss er dort ausdrücklich nicht aus. Nun ist das Thema vorerst vom Tisch.

Meßstettens Bürgermeister Frank Schroft spricht bei einer Pressekonferenz. Foto: Felix Kästle/dpa/Archivbild

Meßstettens Bürgermeister Frank Schroft spricht bei einer Pressekonferenz. Foto: Felix Kästle/dpa/Archivbild

Im Streit mit Meßstetten um die Unterbringung von Flüchtenden hat das Land mit einem Verweis auf die zuletzt wieder sinkenden Zahlen nachgegeben. „Eine mögliche Reaktivierung der ehemaligen Landeserstaufnahmeeinrichtung Meßstetten muss derzeit nicht weiterverfolgt werden“, teilte das Justizministerium am Donnerstag in Stuttgart mit.

Es ist das vorübergehende Ende eines scharfen Streits zwischen Stadt und Land. Denn zuletzt waren wegen steigender Flüchtlingszahlen dringend weitere Aufnahmeplätze gesucht worden. Dabei wurde auch geprüft, ob die frühere Einrichtung (LEA) in Meßstetten wieder in Betrieb genommen werden könnte. Stadt und Landrat hatten das Areal dagegen als für eine Flüchtlingsunterbringung völlig ungeeignet bezeichnet.

Der Wiederaufbau einer sogenannten LEA auf einem früheren Kasernengelände sei in Betracht gekommen, weil im zweiten Halbjahr 2021 deutlich mehr Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes registriert worden seien, erklärte das Ministerium. Außerdem habe sich die Krise um Migranten an der östlichen EU-Außengrenze zu Belarus zugespitzt. Zuletzt seien die Zugangszahlen aber wieder zurückgegangen; auch seien andere Standorte erfolgreich ausgebaut worden. Deshalb sei es derzeit nicht notwendig, die ehemaligen LEA zu nutzen, auch wenn dies rechtlich möglich sei.

Es sei stets klar gewesen, dass das Land nur auf eine Nutzung in Meßstetten zugreifen würde, wenn es eine außergewöhnliche Lage erforderlich mache, sagte die für Migration zuständige Justizministerin Marion Gentges (CDU) auch mit Blick auf die Statistik. „In einer solchen befinden wir uns, auch wenn längerfristige Prognosen über Migrationsbewegungen nie möglich sind - jedenfalls derzeit nicht.“ Nach 2909 Menschen im Oktober und weiteren 2463 Männern, Frauen und Kindern im November wurden laut Ministerium im Dezember noch 1855 Migranten in den Erstaufnahmeeinrichtungen aufgenommen.

Meßstettens Bürgermeister Frank Schroft (CDU) äußerte sich erleichtert: „Das schafft Planungssicherheit und Klarheit für unsere großen Bemühungen, einen interkommunalen Industrie- und Gewerbepark auf dem Areal der ehemaligen Zollernalb-Kaserne auszuweisen.“

In Baden-Württemberg gibt es vier Landeserstaufnahmeeinrichtungen: in Ellwangen, Karlsruhe, Freiburg und Sigmaringen. Die LEA in Meßstetten wurde im Oktober 2017 geschlossen. Seit Oktober 2014 waren dort rund 28.000 Menschen untergekommen. Allerdings hatten bis in Dezember hinein Tausende Menschen versucht, von Belarus über die EU-Außengrenzen unter anderem nach Polen zu gelangen. Auch deshalb und wegen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie wurden Hunderte neuer Plätze geplant, darunter in Sigmaringen, Heidelberg, Schwetzingen, Ellwangen, Giengen, Stuttgart und Freiburg sowie in Karlsruhe.

Zwar ist die Zahl der Ankünfte zuletzt gesunken. Mit Blick auf das ganze Jahr hat sie sich in Baden-Württemberg 2021 aber im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Im vergangenen Jahr wurden 18.356 Migrantinnen und Migranten in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes aufgenommen. 2020 waren es laut Ministerium lediglich 8025 sogenannte Direktzugänge, 2019 dagegen weitere 14 904. Im Jahr 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, waren es mehr als 185.000. Die meisten Erstantragsteller kamen 2021 aus Syrien sowie aus dem Irak, aus Afghanistan und aus der Türkei.

© dpa-infocom, dpa:220120-99-787969/3

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Erstellt:
20. Januar 2022, 17:38 Uhr

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