Keine Handhabe gegen Wettanbieter in Backnang

Mit einem neuen Vergnügungsstättenkonzept will die Stadt Backnang die Ausbreitung unerwünschter Angebote einschränken. Bei den Spielhallen ist das bereits gelungen, doch bei den Anbietern von Sportwetten sind die Möglichkeiten begrenzt.

Gleich mehrere Annahmestellen für Sportwetten haben sich in der Sulzbacher Straße angesiedelt. Die Stadt beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Foto: Kornelius Fritz

Gleich mehrere Annahmestellen für Sportwetten haben sich in der Sulzbacher Straße angesiedelt. Die Stadt beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Foto: Kornelius Fritz

Von Kornelius Fritz

Backnang. Spielhallen, Wettbüros oder zwielichtige Nachtklubs wollen die meisten Leute nicht gerne in ihrer Nachbarschaft haben. Auch die Stadt Backnang möchte die Ausbreitung solcher Angebote gerne verhindern. Das habe aber nichts mit einer moralischen Bewertung zu tun, betont der Leiter des Stadtplanungsamts, Tobias Großmann. Vielmehr gehe es der Verwaltung darum, negative Auswirkungen auf das Umfeld zu vermeiden.

Denn die Erfahrung zeigt, dass solche Vergnügungsstätten oft ein zweifelhaftes Publikum anziehen. „Es entstehen Angsträume, Lärm und Parkierungsprobleme“, erklärt Großmann. Die Folge könne ein sogenannter „Trading-Down-Effekt“ sein: Seriöse Gewerbetreibende in der Nachbarschaft suchen das Weite, weitere Vergnügungsstätten lassen sich nieder, die Mieten sinken, Immobilien verlieren an Wert. „Solche städtebaulichen Fehlentwicklungen gilt es zu verhindern“, sagt Großmann.

Spielhallen sind nur noch an wenigen Stellen erlaubt

Die Stadt kann dies über das Baurecht steuern, was im Einzelfall aber nicht immer ganz einfach ist. In der Vergangenheit hatten bereits Anbieter gegen die Ablehnung ihres Baugesuchs geklagt. Deshalb hat der Gemeinderat nun einstimmig ein Vergnügungsstättenkonzept beschlossen, das klar definiert, wo in Backnang Spielhallen und Wettbüros erlaubt sind und wo nicht. Große Teile des Stadtgebiets kommen dabei schon aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht infrage. So sind Vergnügungsstätten nach dem Landesglücksspielgesetz in einem Radius von 500 Metern rund um weiterführende Schulen und andere Jugendeinrichtungen verboten. Auch zwischen zwei solchen Einrichtungen gilt mittlerweile ein Mindestabstand von 500 Metern. Dies hat bereits dazu geführt, dass die Zahl der Spielhallen in Backnang seit dem Jahrtausendwechsel von zwölf auf nur noch drei zurückgegangen ist.

Darüber hinaus hat die Stadt jetzt aber noch weitere sogenannte Ausschlussgebiete definiert. Dazu gehören unter anderem die komplette Altstadt, alle Stadtteile, aber auch die Gewerbegebiete und „wichtige Stadteingänge“, konkret an der Weissacher Straße und der Sulzbacher Straße. „Ziel ist es, dass bedeutende Stadteingänge einen positiven Eindruck vermitteln“, heißt es in dem Konzept, das von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) in Ludwigsburg erarbeitet wurde.

Unbedingt verhindern will man etwa, dass sich im direkten Umfeld des Bordells in der Sulzbacher Straße 202 eine Spielhalle ansiedelt. Denn dann, so die Befürchtung der Experten, könnte dieser Bereich „zu einer Art Hotspot für eine bestimmte Zielgruppe werden“. Das Bordell selbst ist von dem neuen Konzept übrigens nicht tangiert: Prostitutionsbetriebe gelten im Planungsrecht nämlich nicht als Vergnügungsstätten, sonder als „Gewerbebetriebe aller Art“. Auch die bereits bestehenden Spielhallen müssen nichts befürchten: Für sie gilt Bestandsschutz.

Für neue Betriebe wird es nun allerdings eng, denn schaut man auf die Karte mit den verbotenen Zonen, bleiben nur noch sehr wenige Bereiche, wo Glücksspiel künftig erlaubt ist, etwa in einem ganz bestimmten Abschnitt der Sulzbacher Straße.

Feiner Unterschied zwischen Wettbüro und Annahmestelle

Die weitere Ausbreitung der Sportwettenanbieter wird man damit aber trotzdem nicht verhindern können, denn hier kommt ein feiner Unterschied zum Tragen. Als Vergnügungsstätten gelten nämlich nur „Wettbüros“. Darunter versteht der Gesetzgeber Lokale, in denen die Spieler nicht nur ihren Tippschein abgeben, sondern Sportereignisse zum Beispiel auch auf großen Fernsehern verfolgen und Getränke konsumieren können. Ein Wettbüro nach dieser Definition gibt es in Backnang bisher nicht.

Dafür aber mittlerweile zehn „Wettannahmestellen“, in denen man tippen, aber nichts konsumieren kann. „Das sind aber keine Vergnügungsstätten und deshalb können wir sie auch nicht pauschal ausschließen“, erklärt Tobias Großmann.

Vergnügungssteuer weiter auf hohem Niveau

Negative Auswirkungen befürchtet der Stadtplaner von diesen Annahmestellen trotzdem, insbesondere wenn sich gleich mehrere in unmittelbarer Nähe ansiedeln wie im unteren Bereich der Sulzbacher Straße. „Die Entwicklung dort beobachten wir mit Sorge“, sagt Großmann. Im Rathaus wird schon länger überlegt, wie dieser Straßenabschnitt neu gestaltet werden kann, denn auch die öffentlichen Flächen sind dort nicht sehr attraktiv. Für Großmann ist klar: „Da müssen wir rangehen.“

Übrigens: Die Freunde des Glücksspiels lassen sich von Beschränkungen und neuen Regeln kaum beeindrucken. Obwohl es in Backnang heute deutlich weniger Spielhallen gibt als früher, sind die Einnahmen aus der Vergnügungssteuer (siehe Infotext) laut Kämmerer Alexander Zipf stabil geblieben, und das auf hohem Niveau. Der boomende Glücksspielmarkt im Internet ist dabei noch gar nicht mit erfasst.

Vergnügungsstätten

Definition Bei Vergnügungsstätten im Sinne des Baurechts handelt es sich um gewerbliche Nutzungsarten, „die sich in unterschiedlichen Ausprägungen unter Ansprache des Sexual-, Spiel oder Gesellschaftstriebs einer Freizeitunterhaltung mit dem Ziel der Entspannung und Zerstreuung widmen“. Typische Vergnügungsstätten sind Spielhallen, Wettbüros, Discotheken und Nachtklubs, aber auch Billard- und Bowlingcenter, Stripteasebars und Swingerklubs.

Steuer Städte und Gemeinden können für solche Betriebe eine eigene Steuer erheben. Die Stadt Backnang hat mit der Vergnügungssteuer im Jahr 2022 insgesamt 1,4 Millionen Euro eingenommen. Bei Spielautomaten beträgt der Steuersatz 25 Prozent des eingespielten Geldes. Mehr lässt der Gesetzgeber auch nicht zu.

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Erstellt:
4. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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