Atomenergie
Keine Zukunft für die Atomkraft in Belgien
Politiker wollen die vorhandenen Reaktoren noch 20 Jahre länger laufen lassen, doch der Betreiber Engie hält nichts von dieser Idee.
Von Knut Krohn
Belgien hängt ab von der Atomenergie. Fast 40 Prozent des täglichen Strombedarfs wird von den AKW an den beiden Standorten Doel und Tihange bereitgestellt. Das Problem: die Reaktoren sind alt und häufig wird über Pannen berichtet. Aus diesem Grund wurde in Brüssel schon früh am Ausstieg aus der Kernenergie gearbeitet, der dann aber immer wieder hinausgezögert wurde.
Belgien vollzieht den Ausstieg vom Atomausstieg
Der Krieg in der Ukraine führte dann allerdings zum Ausstieg aus dem Atomausstieg. Eigentlich sollte 2025 der letzte Reaktor vom Netz gehen, doch nach dem Überfall Russlands floss kein billiges Gas mehr in Richtung Westen. Angesichts der drohenden Energiekrise entschied sich die Regierung Anfang 2023, die Laufzeit der beiden Meiler Tihange 3 und Doel 4 bis ins Jahr 2035 zu verlängern. Das war allerdings erst nach sehr zähen Verhandlungen mit dem Energieversorger Engie möglich geworden. Denn der hatte immer wieder betont, dass der Weiterbetrieb technisch äußerst schwierig und sehr teuer sei.
Bis heute ist nicht bis ins Detail geklärt, wie der praktische Ablauf der Laufzeitverlängerung vonstatten gehen wird. Fest steht lediglich, dass an den Meilern in Zukunft je zur Hälfte der belgische Staat und Engie beteiligt sein werden. Völlig unklar ist weiter, wie der radioaktive Abfall entsorgt wird und wie hoch die Kosten dafür sein werden. Allerdings hat die Regierung versprochen, diese Kosten zu deckeln. Im Klartext heißt das, dass der Staat das finanzielle Risiko voll übernimmt. Erst nach dieser Zusage konnte offensichtlich auch Engie dem Deal zustimmen.
Glatte Absage an die Atomkraftbefürworter
Nun kommen aber neue Forderungen aus der Politik, die Betriebszeiten sogar auf zwanzig Jahre zu verlängern und auch die anderen Reaktoren weiter am Netz zu lassen. Diesen Ideen hat nun allerdings Vincent Verbeke, Chef von Engie Belgium, eine deutliche Absage erteilt. Sichtlich entnervt von den ständigen Diskussionen erklärte er jüngst auf einer Pressekonferenz, dass Atomkraft „nicht mehr zu den strategischen Prioritäten“ seines Unternehmens gehöre. Man habe genug damit zu tun, die Reaktoren Doel 4 und Tihange 3 technisch so fit zu machen, dass sie bis 2035 weiter betrieben werden können. Ansonsten werde Engie alle anderen Reaktoren an den belgischen Standorten definitiv vom Netz nehmen, da es technisch kaum machbar und wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre, sie zu modernisieren. Selbst die Kosten für den Weiterbetrieb von Doel 4 und Tihange 3 sind noch immer nicht bekannt, werden aber laut Engie-Chef wahrscheinlich bei knapp zwei Milliarden Euro liegen.
Betreiber Engie setzt auf erneuerbare Energien
Zudem beschrieb Vincent Verbeke bei seinem Auftritt sehr ausführlich, wo das französische Unternehmen die Zukunft der Stromerzeugung sieht. Mindestens vier Milliarden Euro werde Engie in den kommenden Jahren in Belgien investieren. Geplant sind etwa große Batterieparks in Vilvvorde (200 MW) und Kallo (100 MW), ein Pumpspeicherkraftwerk und das Gaskraftwerk Flémalle (875 MW). Der Schwerpunkt liegt aber beim Ausbau von Solar- und Windkraft. Zum Prestigeprojekt wird der Offshore-Windpark mit dem Namen Prinzessin Elisabeth.
Das wird eine High-Tech-Anlage rund um eine künstliche Insel in der Nordsee. Dort sollen nicht nur hochmoderne Windmühlen mit einer Leistung von insgesamt 3,5 Gigawatt Strom produzieren. Im Zentrum steht eine 100 mal 500 Meter große künstliche Insel, die wie eine Mehrfachsteckdose funktionieren soll. Dort soll der Stromfluss anderer Windkraftwerke auch aus britischen und dänischen Gewässern gebündelt und über mehrere Unterseekabel an Land geleitet werden. Verbunden werden sollen damit nicht nur Belgien, sondern auch Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und Dänemark.
Ganz am Ende formulierte Engie-Chef Vincent Verbeke noch einmal eine deutliche Botschaft an die Befürworter der Atomkraft. „Denjenigen, die glauben, Atomkraft sei billig, sage ich, dass das falsch ist!“ Die Kernenergie sei nicht nur wegen der äußerst komplexen Vorschriften eine sehr teure Technologie. Es sei deshalb günstiger, den Einsatz der erneuerbaren Energien voranzutreiben.