Bremer Bürger verhindern Abschiebung

Kirchenasyl: Was ist das eigentlich?

Wenn die Abschiebung droht, kann Kirchenasyl die letzte Hoffnung sein. Doch der Unterschlupf bei einer Gemeinde oder im Kloster ist nicht gesetzlich verankert – und die Toleranz dafür schwindet.

Die Kirchen in Deutschland gewähren Flüchtlingen Zuflucht, deren Leib und Leben durch eine Abschiebung bedroht wäre oder die nicht hinnehmbare soziale und psychische Härten ertragen müssten.

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Die Kirchen in Deutschland gewähren Flüchtlingen Zuflucht, deren Leib und Leben durch eine Abschiebung bedroht wäre oder die nicht hinnehmbare soziale und psychische Härten ertragen müssten.

Von Markus Brauer/epd/dpa

Die Bremer Innenbehörde hat in der Nacht zum Dienstag (3. Dezember) vergeblich versucht, ein Kirchenasyl in der Bremer Neustadt zu beenden. Der leitende Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche, Bernd Kuschnerus, appellierte an Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), zum bisherigen Verfahren zurückzukehren. „Das Kirchenasyl ist und bleibt ein wichtiger, unverletzlicher Schutzraum in besonderen Härtefällen.“ Mäurer verteidigte den Polizeieinsatz und kritisierte die Kirche scharf.

Pastor spricht von „Tabubruch“

Polizeikräfte hatten versucht, das Kirchenasyl im Zion-Gemeindezentrum aufzulösen, um einen 25-jährigen Somalier abzuschieben. Rund 100 Bürger hätten dies unter Glockengeläut friedlich verhindert, berichtete der Gemeindepastor Thomas Lieberum. Der Pastor sprach von einem „Tabubruch“.

Mäurer verurteilte den Widerstand gegen die Polizei. Mit der Aktion sei gegen eine gültige Vereinbarung von 2015 zwischen Staat und Kirche verstoßen worden, wonach der Staat ein Kirchenasyl nach positiver Härtefallprüfung akzeptiert. In diesem Fall sei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) jedoch nach erneuter Prüfung bei seiner Rechtsauffassung geblieben, dass dem Somalier in Finnland nichts passieren werde.

Wenn Leib und Leben bedroht sind

Die Kirchen in Deutschland gewähren Flüchtlingen Zuflucht, deren Leib und Leben durch eine Abschiebung bedroht wäre oder die nicht hinnehmbare soziale und psychische Härten ertragen müssten. Ziel ist, dass die Flüchtlinge doch ein Bleiberecht in Deutschland erlangen.

Sakrale Räume haben eine jahrhundertealte Schutztradition. Die Flüchtlinge leben aber in den seltensten Fällen direkt in der Kirche, vielmehr im Gemeinde- oder Pfarrhaus oder anderen Räumen. Dort sind sie weitgehend vor einem polizeilichen Zugriff geschützt, denn der deutsche Staat achtet das Kirchenasyl.

Neuregelung des Kirchenasyls im Jahr 2015

Im Februar 2015 vereinbarten die Kirchen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass die Behörde gemeldete Kirchenasyl-Fälle noch einmal individuell prüft – oft mit einem positiven Ausgang für die Betroffenen. Die Vereinbarung betrifft allerdings nur Fälle, bei denen die Zuständigkeit für das Asylverfahren noch bei einem anderen EU-Mitgliedsland liegt.

Laut der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG) sind bundesweit (Stand 18. September 2024) 542 aktive Kirchenasyle mit mindestens 690 Personen bekannt, davon sind 114 Kinder. 522 der Kirchenasyle sind den Angaben zufolge sogenannte Dublin Fälle.

Kirchenasyl und Dublin-Verfahren

Die Vorstandsvorsitzende von Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, warnt aufgrund der restriktiveren europäischen Asylpolitik vor einer Gefahr für das Kirchenasyl. Ihr zufolge sind seit 2015/16 fast ausschließlich solche Menschen im Asyl, die von sogenannten Dublin-Abschiebungen betroffen sind.

Zur Info: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge definiert das sogenannte Dublin-Verfahren wie folgt: „Das Dublin-Verfahren dient der Zuständigkeitsbestimmung zur Durchführung des Asylverfahrens in einem EU-Mitgliedstaat. Die Dublin III-Verordnung legt Kriterien und Verfahren fest, die bei der Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung des gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, zur Anwendung gelangen.“

Das Dublin-Verfahren bezweckt, dass jeder Asylantrag, der auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaatengestellt wird, materiell-rechtlich nur durch einen Staat geprüft wird. Damit soll die Sekundärwanderung innerhalb Europas gesteuert bzw. begrenzt werden.

Für deren Asylverfahren ist eigentlich ein anderes EU-Land zuständig, in dem sie erstmals registriert wurden. Zudem habe die Bundesarbeitsgemeinschaft seit Sommer 2023 bereits acht Räumungen von Kirchenasylen durch die Polizei verzeichnet.

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Erstellt:
4. Dezember 2024, 11:50 Uhr
Aktualisiert:
4. Dezember 2024, 20:11 Uhr

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