Kosmische Kartografie

Klänge aus dem Weltall: Wie Forscher Gravitationswellen nachspüren

Albert Einstein hatte sie vorausgesagt, 2015 wurden sie erstmals nachgewiesen: Gravitationswellen. Die Möglichkeit, sie direkt zu messen, stellt seitdem ein fundamental neues Werkzeug zur Erforschung des Universums dar. Nun sind Astronomen noch einen entscheidenden Schritt weitergegangen.

Das MeerKAT-Radioteleskop in Südafrika ist eines der leistungsstärksten Radioteleskope der Welt.

© Imago/Xinhua

Das MeerKAT-Radioteleskop in Südafrika ist eines der leistungsstärksten Radioteleskope der Welt.

Von Markus Brauer

Der erste Nachweis von Gravitationswellen im Jahr 2015 war eine wissenschaftliche Sensation. Mittlerweile sind Dutzende derartige Ereignisse beobachtet worden. Darunter waren Verschmelzungen von Schwarzen Löchern mit unterschiedlicher Masse sowie Neutronensterne.

Neue Erkenntnisse zu Gravitationswellen

Rund 100 Jahre nach Einsteins Vorhersage fingen die Ligo-Observatorien in den USA im September 2015 erstmals die Gravitationswellen von zwei sich umkreisenden Schwarzen Löchern auf, die in rund 1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung zur Erde verschmolzen waren. Das Erzittern der Raumzeit, ausgelöst durch Ereignisse in den Tiefen des Universums, konnte so hörbar gemacht werden.

Der Nachweis wurde am 11. Februar 2016 der Weltöffentlichkeit präsentiert. Drei US-Wissenschaftler erhielten dafür im Jahr 2017 den Nobelpreis für Physik. Gravitationswellen-Forscher aus Hannover und Potsdam waren damals an der Entdeckung maßgeblich beteiligt.

Was sind Gravitationswellen?

Gravitationswellen gehören zu den spektakulärsten Vorhersagen von Albert Einsteins (1879-1955) Allgemeiner Relativitätstheorie, die er 1915 veröffentlichte (die Spezielle Relativitätstheorie hatte er bereits im Jahr 1905 präsentiert).

Gravitationswellen entstehen, wenn große Objekte wie Sterne beschleunigt werden. Dabei stauchen und strecken sie die Raumzeit. Sie breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus und verbiegen dabei den Raum – ähnlich wie ein ins Wasser geworfener Stein, der sich ausbreitende Wellen auf der Oberfläche erzeugt.

Wie entstehen Gravitationswellen?

Bei dieser Veränderung der Raumzeit werden gigantische Massen beschleunigt. Massen, die etwa bei der Explosion von Sternen am Ende ihrer Lebenszeit entstehen. Jeder beschleunigte Körper sendet Einsteins Theorie zufolge Gravitationswellen aus, die umso stärker sind, je mehr Masse der Körper hat. Allerdings sind sie in der Regel so winzig, dass man sie nicht messen kann.

Der amerikanische Physiker Joseph Weber von der Maryland University war 1958 der Erste, der Gravitationswellen mit Hilfe von Resonanzdetektoren nachzuweisen versuchte. Das Messprinzip ist in etwa gleich geblieben, wenn auch extrem komplexer und detaillierter.

Karte des Gravitationswellen-Himmels

Jetzt sind Astronomen noch einen entscheidenden Schritt weitergegangen, indem sie die bislang aussagekräftigste Karte des Gravitationswellen-Himmels erstellt haben.

Um dieses Ziel zu erreichen, analysierten sie einen Datensatz von Pulsar-Beobachtungen, die über einen Zeitraum von 4,5 Jahren mit dem MeerKAT-Radioteleskop – einem der leistungsstärksten Radioteleskope der Welt – aufgenommen wurden.

Astronews! Das Gesicht des Gravitationswellenhintergrunds Forschende ergründen mit #MeerKAT das niederfrequente #Gravitationswellenuniversumhttps://t.co/ZONvRaYJKa — Max-Planck-Institut für Radioastronomie (@MPIfR_Bonn) December 3, 2024

Zur Info: Ein Pulsar ist ein Neutronenstern mit einem starken Magnetfeld, der durch seine Eigendrehung regelmäßige Radiopulse zur Erde sendet.

Wellen im Gewebe der Raumzeit

Ein sogenanntes Pulsar Timing Array nutzt die äußerst regelmäßigen Pulse von Pulsaren, um schwache Abweichungen von der Regelmäßigkeit der Pulse aufzuspüren, die durch Gravitationswellen verursacht werden. Dabei handelt es sich um winzige Wellen im Gewebe der Raumzeit.

Zur Info: Ein Pulsar-Timing-Array ist eine Reihe galaktischer Pulsare, die überwacht und analysiert werden, um nach korrelierten Signaturen in den Ankunftszeiten der Pulse auf der Erde zu suchen. Als solche handelt es sich um Detektoren galaktischer Größe.

Im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit von Radioastronomen aus Australien, Deutschland, Großbritannien, Südafrika, den Niederlanden, Italien und Frankreich wurde mit dem MeerKAT Pulsar Timing Array (MPTA) ein Gravitationswellen-Detektor von der Größe einer Galaxie geschaffen. Die regelmäßigen Pulse von Pulsaren können mit dem MeerKAT-Radioteleskop in Südafrika auf Nanosekunden genau überwacht werden.

Die mit Pulsar-Timing-Arrays beobachteten Gravitationswellen werden von einigen der stärksten Quellen des Universums verursacht. Hierzu zählen supermassereiche Schwarze Löcher sowie Ereignisse kurz nach dem Urknall.

Kosmisches Summen und Hot Spots

Matt Miles, Forscher an der Swinburne University of Technology in Melbourne, Australien erklärt: „Die Summe aller dieser Gravitationswellen, die sich im Universum ausbreiten, bildet einen Gravitationswellen-Hintergrund. Ein kosmisches Summen, das wertvolle Hinweise auf die verborgenen Prozesse liefert, die unser Universum formen.“

Die Kartierung der Gravitationswellen am gesamten Himmel ermöglicht die Suche nach Gebieten, aus denen verhältnismäßig viele Gravitationswellen gemessen werden – so genannten Hot Spots.

Ein solcher Hot Spot kann durch ein einzelnes, aber besonders auffälliges binäres supermassereiches Schwarzes Loch verursacht werden. Dies wiederum kann grundlegende Erkenntnisse über den Ursprung des Gravitationswellenhintergrunds liefern.

Karte des Gravitationswellen-Himmels 

Auf der Grundlage der Daten des MeerKAT-Radioteleskops haben Forscher um Kathrin Grunthal vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn nun die aktuell beste Karte des Gravitationswellen-Himmels veröffentlicht.

„Indem wir nach Variationen in den Gravitationswellen am Himmel suchen, machen wir uns gleichzeitig auch auf die Suche nach dem Fingerabdruck der astrophysikalischen Prozesse, die hinter dem Gravitationswellensignal stecken“, erklärt die Astronomin. „Die Kartierung des Gravitationswellenhintergrunds liefert uns ein vollständigeres Bild des Universums.“

„Bei früheren Karten sei davon ausgegangen worden, dass es kein Signal gibt“, betont David Champion, Astronom am MPIfR. „Jetzt, da wir Beweise für Gravitationswellen haben, ändern sich die Berechnungen dieser Karten. Unsere Karte ist die erste Timing-Array-Karte, die dies berücksichtigt.“

Info: Wichtige Begriffe erklärt

Pulsar Pulsare sind die Überreste von Explosionen massereicher Sterne, bei denen der Kern als Neutronenstern überlebt hat. Die schnellsten Pulsare rotieren mit einer Geschwindigkeit von 700 Umdrehungen pro Sekunde und senden von ihren Magnetpolen einen Strahl aus.

Pulsar Timing Array Ein Pulsar-Timing-Array (PTA) ist ein Netzwerk von Pulsaren, die mit einem oder mehreren Radioteleskopen beobachtet werden, um nach Gravitationswellen im Nanohertz-Bereich (das heißt mit Wellenlängen in der Größenordnung von mehreren Lichtjahren) zu suchen und diese zu entdecken.

MeerKAT Gebaut und betrieben vom South African Radio Astronomy Observatory (SARAO), ist das MeerKAT-Teleskop – rund 90 Kilometer außerhalb der südafrikanischen Stadt Carnavon am Nordkap – das größte und empfindlichste Radioteleskop auf der südlichen Erdhalbkugel: 64 schüsselförmige Einzelantennen mit jeweils 13,5 Meter Durchmesser lauschen von Südafrika aus ins All und untersuchen ferne Strahlungsausbrüche ebenso mit hoher Präzision wie Pulsare oder interstellare Wolken innerhalb der Milchstraße.

SKAO Das Square Kilometre Array Observatory (SKAO) vernetzt zwei Standorte in Südafrika und in Australien mit über 3000 Kilometer Entfernung voneinander. Es ermöglicht Bilder mit besonders hoher Auflösung. Das Teleskop wird eine neue Ebene der Astronomie mit neuen Details über Galaxien, Sterne und interstellare Materie ermöglichen.

Zum Artikel

Erstellt:
3. Dezember 2024, 13:16 Uhr
Aktualisiert:
3. Dezember 2024, 19:25 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen