Energiepolitik und Wahlkampf

Klima schützen, Preise senken – und zurück zur Atomkraft?

Die Herausforderungen für die nächste Bundesregierung bei der Energiepolitik sind groß. Die Parteien wollen sie auf unterschiedliche Weise lösen.

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigte sich zuletzt – doch insbesondere bei den Netzen muss viel getan werden.

© IMAGO/Westend61/Gerasimovi

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigte sich zuletzt – doch insbesondere bei den Netzen muss viel getan werden.

Von Tobias Heimbach

Das Ziel der deutschen Energiepolitik ist klar. Die Energie soll verlässlich, günstig und klimafreundlich sein. Doch insbesondere bei den letzten beiden Punkten hapert es. Bei den Klagen über den Wirtschaftsstandort Deutschland werden die hohen Energiepreise immer wieder genannt. Auch in Sachen Klimaschutz gibt es noch Aufholbedarf. 2024 wurde zwar so viel Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wie noch nie (62 Prozent) – doch bei der fossilen Erzeugung dominierten Kohlekraftwerke, die besonders viel CO2 in die Atmosphäre blasen. Deren Anteil sinkt kontinuierlich, dennoch ist der Strom in Deutschland so klimaschädlich wie kaum sonst in Europa. Klar ist: Es gibt viel zu tun. Wo liegen die Herausforderungen und auf welche Lösungen setzen die Parteien? Ein Überblick.

Wie kriegt man die Kosten in den Griff?

Nirgends in Europa ist der Strom für Privathaushalte so teuer wie in Deutschland. Im Schnitt sind es laut EU fast 40 Cent pro Kilowattstunde. Günstiger kommt man häufig weg, wenn man Preise vergleicht. Wer heute seinen Stromanbieter wechselt, kann laut Angaben von Vergleichsportalen derzeit bereits mit Preisen von 28 Cent rechnen.

Daneben hat insbesondere die Wirtschaft mit hohen Energiepreisen zu kämpfen. Viele Parteien wollen daher vor allem die Abgaben und Steuern senken. Die Union schlägt im Wahlprogramm vor, die Stromsteuer auf ein europäisches Mindestmaß zu senken und die Netzentgelte – die „Maut“ für die Nutzung der Stromleitung – zu halbieren. Finanzieren will die Union dies mit den Einnahmen aus der CO2-Bepreisung. Das würde Unternehmen zugutekommen, aber auch Privathaushalten. Auch die Grünen, FDP, BSW und die SPD wollen diese Kosten reduzieren.

Auf welche Energie setzt Deutschland?

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat Tempo aufgenommen. Im vergangenen Jahr wurden die Ziele beim Ausbau der Solaranlagen übertroffen, bei der Windkraft verdreifachte sich die Zahl der Genehmigungen gegenüber 2022. SPD und Grüne wollen weiter Tempo machen. Einen anderen Kurs verfolgt die AfD. In ihrem Wahlprogramm fordert sie einen „Windenergie-Ausbaustopp“. Die Partei setzt sich – ebenso wie das BSW – zudem dafür ein, wieder Gas aus Russland zu beziehen. Damit wäre es kaum möglich, die Pariser Klimaziele einzuhalten, denen sich Deutschland verschrieben hat. Schließlich sollen im Jahr 2030 bereits 80 Prozent des Stroms aus grünen Quellen stammen. Doch der rasche Ausbau der Erneuerbaren Energien bringt auch Probleme, insbesondere bei den Netzen.

Wie macht man die Stromnetze fit?

Die Energiewende verlangt ein grundlegend anderes Stromsystem. Früher gab es wenige Kraftwerke, von denen der Strom zu den Verbrauchern transportiert werden musste. Heute gibt es Zehntausende Windkraft- und Solaranlagen, hinzu kommen Batteriespeicher. Weil über Jahrzehnte zu wenig investiert wurde, entwickelt sich das Stromnetz zum Flaschenhals. Batteriespeicher und Windräder können nicht angeschlossen werden. Der Investitionsbedarf ist enorm. Die Branche rechnet mit 250 Milliarden Euro bis 2030.

Strittig ist, wie der Ausbau und die Digitalisierung der Netze bezahlt werden sollen. Grüne und SPD sprechen sich für neue Schulden aus. Die Union bringt private Geldgeber ins Spiel. Bei FDP und Union wird zudem betont, der Ausbau der Erneuerbaren Energien solle „systemdienlich“ sein, sich also dem Tempo des Netzausbaus anpassen.

Was tun bei „Dunkelflaute“?

Das deutsche Stromsystem ist immer wieder Extremen ausgesetzt: Wenn es im Sommer viel Solarstrom gibt, fallen die Preise ins Negative. Im Winter gibt es hingegen „Dunkelflauten“, in denen weder Wind weht noch die Sonne scheint. Dann ist der Strom kurzzeitig teuer. Diese Spitzen sollen geglättet werden. Deswegen sind sich fast alle Parteien einig, dass mehr Speicher gebaut werden sollen. Die Zahl der Großspeicher wächst tatsächlich, bislang von niedrigem Niveau, dafür aber zügig. Laut Zahlen der Bundesnetzagentur gibt es aktuell Großspeicher mit einer Kapazität von rund 2,2 Gigawattstunden (GWh). Allein in den nächsten 12 Monaten sollen weitere 2,8 GWh hinzukommen. Die meisten Speicher stehen in Privathaushalten, hier beträgt die Kapazität bereits fast 18 GWh. Voraussetzung für den Ausbau der Speicher ist allerdings ein schneller Ausbau der Netze – der bekannte Flaschenhals.

Zusätzlich sollen neue Kraftwerke gebaut werden, die angeworfen werden, wenn die Erneuerbaren nicht produzieren. „Der Zubau von steuerbaren Kraftwerken ist hochgradig zeitkritisch und muss von der neuen Bundesregierung direkt angegangen werden“, fordert Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Energieverbands BDEW. Diese Kraftwerke seien „unverzichtbar“ und der Zubau gehöre auf die 100-Tage-Agenda einer neuen Regierung.

Hat die Atomkraft eine Zukunft in Deutschland?

Die AfD fordert einen Neubau von Atomkraftwerken, was allerdings Jahrzehnte dauern würde. Die Union hat im Wahlprogramm vermerkt, man wolle prüfen, ob die zuletzt stillgelegten Atomkraftwerke wieder in Betrieb gehen könnten. Die FDP sagt, man solle die Entscheidung über eine Wiederinbetriebnahme den Betreibern überlassen. Doch die betreffenden Unternehmen arbeiten bereits am Rückbau. Sie sagen, das Kapitel Kernkraft sei in Deutschland abgeschlossen.

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Erstellt:
13. Januar 2025, 15:46 Uhr

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