Klimafreundlich verreisen? Nö, danke!

Besucher der Reisemesse CMT ignorieren die Appelle des Klima- und Umweltbündnisses Stuttgart, klimafreundlich zu verreisen – der Protest kommt nicht gut an.

Flugblätter werden vor den Hallen verteilt – doch die Besucher der CMT ignorieren das weitgehend.

© Lichtgut/Stuttgart

Flugblätter werden vor den Hallen verteilt – doch die Besucher der CMT ignorieren das weitgehend.

Von Heidemarie A. Hechtel

Stuttgart - „Fliegen Sie nach Mallorca, fliegen Sie nach Teneriffa“, wirbt scheinbar die rot markierte Einladung auf Plakaten am Infostand, dem die Ordnungsbehörde zum ersten Mal einen Platz direkt am Weg von der Bahn zu den Hallen gegönnt hatte. „Bisher durften wir immer nur da hinten stehen“, deutet Dieter Bareis zum Rand der Messepiazza.

Näher angeguckt hat sich trotzdem keiner die Plakate, auf denen keine Reise, sondern Aufklärung geboten wurde: Dass jeder Economy Passagier mit der Flugreise eine halbe Tonne CO2 verursacht, so viel wie ein Ghanaer im ganzen Jahr ausstößt. Mit der Flugreise nach Teneriffa verursache man 1,4 Tonnen CO2 .

Noch verhängnisvoller ist die Bilanz bei einem Flug nach Neuseeland mit 9750 Kilogramm CO2, die fast so viel zur Erderwärmung beitragen wie ein Bundesbürger im Jahr. Eindringlich wirbt Bareis, auf Flugreisen zu verzichten: „Zeigen Sie Verantwortung gegenüber den Kindern und Enkeln.“ Und auch für die Tierwelt, vertreten durch den Auftritt eines Eisbären. Weil ihm die Eisschollen unter den Pfoten wegtauen und er nicht mehr in der Lage sein wird, Robben zu jagen, ist er nur ein Bild des Jammers: „Nur noch Haut und Knochen. Zerstören Sie nicht seine Zukunft.“

Das Mitleid hält sich in Grenzen. Es ist ja nicht so, dass diese Tatsachen und ihre Konsequenzen für Mensch und Natur nicht bekannt wären. Doch die erschreckenden Zahlen, mit denen das Klima- und Umweltbündnis aufrütteln will, sind als Begleitprogramm der CMT nicht wirklich willkommen. Die einen gucken stur gerade aus und wollen sich die Lust auf Fernreisen per Flugzeug und Kreuzfahrt oder einen Sprit schluckenden Caravan nicht verderben lassen, die anderen reagieren auf die angebotenen Flugblätter mit einem schroffen „nö, danke“, und der Dritte fühlt sich offenbar so gestört, dass er seinem Unmut freien Lauf lässt: „Geh‘ arbeiten“, schreit er Bareis an.

Ist „daheimbleiben“, wie ein Besucher den Umweltschützern zuwirft, die einzige Alternative zur Rettung der Welt? „Unsinn“, sagt Torsten Littmann, der am Stand stehen bleibt: „Wir sollten uns darauf besinnen, dass man auch zu Fuß verreisen kann“, meint er. „Wie unsere Vorfahren. Oder mit dem Rad. Aber nicht mit dem E-Bike“, schränkt er gleich ein. Er besitze auch kein Auto, weswegen er mit der U6 zur Messe gekommen sei. Damit blieb ihm der Stau auf den Zufahrten erspart, denn der Wegfall der S-Bahn an diesem Wochenende war für die Umwelt nicht förderlich.

Und in der Halle 6, wo sich die deutschen Urlaubsregionen von den Alpen bis zum Meer präsentieren, findet man allein 16 der insgesamt 50 - auch italienischen und französischen - Reiseanbieter, die von den Klima- und Umweltschützern empfohlen werden, weil sie mit der Bahn erreichbar sind und zu Touren zum Wandern, zum Radfahren oder auf dem Wasser animieren. Eben hier trifft man auch die Besucher, die die Appelle der Umweltschützer längst verstanden haben und beherzigen. Jannik Beck, 23, erkundet, was am Bodensee geboten ist. Auf jeden Fall werde man mit dem Zug in Urlaub reisen, versichert Stiefvater Stefan Heinrich. Sonst fahre man hauptsächlich Rad.

Andreas und Martina Romberg buchen gerade eine Kultur-Tour nach Irland. Mit dem Flugzeug. Und der Gegenrechnung: „Wir leben sehr umweltbewusst, erzeugen unseren eigenen Strom, doppelt so viel, wie wir selbst brauchen, und fahren ein E-Auto“, beteuert Andreas Rombach. „Da können wir auch mal ein paar Fußabdrücke mehr beim Verreisen hinterlassen.“ Genauso argumentiert Moritz Schenk, der über eine Reise nach Indien, in diesem Jahr Partnerland der CMT, nachdenkt.

Man könnte auch auf dem Landweg nach Indien reisen, wie die Familie im Oldtimer-Bulli, deren Abenteuer ein Film auf der CMT zeigt. „Viel zu gefährlich bei all den Krisenregionen dort“, rät Bimal Agarwala vom Reisebüro Ahret ab. Aber man könne einen oder zwei Euro pro Flug als Äquivalent gegen die Emission zahlen. Ob das dem Eisbären hilft?

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Erstellt:
26. Januar 2025, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
26. Januar 2025, 23:55 Uhr

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