Klimaproteste erfassen das Land
Die Zahl streikender Schüler im Südwesten erreicht an diesem Freitag eine neue Dimension
Schulen - Wenn es um den Klimaschutz geht, gibt es eine große Allianz von Schülern, Eltern und Lehrern. Dennoch ist die Art des Protests umstritten. Demonstrierten die Schüler besser in der Freizeit?
Stuttgart Das Kultusministerium und die Elternvertretern haben sich entschieden: Schüler, die sich für den Erhalt des globalen Klimas engagieren wollen, sollen das ohne Bußgeldzahlungen tun dürfen, aber die verlorene Unterrichtszeit nachholen. So viele Demonstrationen wie an diesem Freitag sind im Südwesten noch nie angemeldet worden.
Rückblick Bisher sind die Freitagsdemonstrationen im Rahmen der Bewegung Fridays for Future überschaubar gewesen. Am vergangenen Freitag beispielsweise sind Kinder und Jugendliche in Göppingen, Heilbronn, Stuttgart, Überlingen und Villingen-Schwenningen auf die Straße gegangen- nach Polizeiangaben insgesamt rund 700 Menschen. Die Woche zuvor versammelten sich rund 650 Teilnehmer in den Städten Friedrichshafen, Stuttgart und Reutlingen.
Ausblick Wie die Organisatoren der Bewegung ankündigen (www.fridaysforfuture.de), werden an diesem Freitag Menschen in mehr als 100 Ländern auf die Straße gehen, innerhalb Deutschlands in mehr als 150 Orten. Innerhalb Baden-Württembergs handelt es sich um Achern, Balingen, Biberach, Calw, Freiburg, Freudenstadt, Geislingen, Göppingen, Heidelberg, Heidenheim, Heilbronn, Karlsruhe, Kehl, Konstanz, Lahr, Leutkirch, Ludwigsburg, Mannheim, Mühlhausen, Offenburg, Pforzheim, Ravensburg, Reutlingen, Rottweil, Stuttgart, Tübingen, Tuttlingen, Ulm, Villingen-Schwenningen und Wangen.
Sicherheit Nach Angaben des Innenministeriums gab es bei den bisherigen Demonstrationen keinerlei Zwischenfälle. Am 8. März beispielsweise sind in fünf Städten rund 40 Beamte zur Sicherung der Demos eingesetzt worden. Zum Vergleich: Am selben Wochenende wachten 870 Polizisten in und um baden-württembergische Fußballstadien.
Schulleitungen Nach dem Schulgesetz entscheidet jede Schulleitung autark, wie mit streikenden Schülern umgegangen wird. Auch Bußgelder sind möglich. Dass es dazu bisher nicht gekommen ist, dürfte auch an einer Bitte der Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) liegen. In einem internen Rundschreiben von Ende Februar regte sie bei Rektoren an, „dass wir das Thema von der Straße ins Klassenzimmer holen“. Lehrer könnten sich Material dafür zum Beispiel auf der Internetplattform „KlimaNet Baden-Württemberg“ holen. Für die Streiks, schreibt Eisenmann, „habe ich großes Verständnis, auch beeindruckt mich das Engagement der Schüler sehr“.
Elternschaft Eisenmann liege mit ihrer Empfehlung richtig, urteilt Matthias Fiola, stellvertretender Vorsitzender des Landeselternbeirats. „Das ist bei uns auch ausdiskutiert.“ Das Engagement der jungen Menschen habe die Sympathie der Elternvertreter, aber: „Schüler haben bewusst den Regelbruch vorgenommen. Und wenn wir sie ernst nehmen wollen, dann gehört dazu auch die Sanktionierung.“ Die Streiks dürften nicht als verkappte Freizeit verstanden werden.
Lehrerschaft Auch Ralf Scholl, Vorsitzender des Philologenverbands, äußert „große Sympathie“ für die Demonstrationen, doch die Art und Weise missfällt den Pädagogen. „Ein Schulstreik ist für uns nicht akzeptabel“, so Scholl. „Es glaubt doch wohl niemand, wir würden die Welt retten, indem wir weniger Unterricht haben.“ Sein Vorschlag ist, die Demonstrationen freitags auf die Zeit ab 13.30 oder 14 Uhr zu verlegen.