Nachhaltigkeitsdialog EnBW
Klimasichere Zukunft: Raus aus der Ohnmacht, raus aus der Filterblase
Beim Nachhaltigkeitsdialog der EnBW diskutieren Experten der kommunalen Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und dem Katastrophen- und Zivilschutz über eine klimasichere Zukunft. Einig ist man sich über die Dringlichkeit – doch wie können Menschen aus der Ohnmacht geholt und zum Handeln bewegt werden?
Von Anna-Sophie Kächele
Es ist allgemein bekannt: 2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung, Extremwetterereignisse häufen sich, laut dem Weltwirtschaftsforum bereiten Umweltrisiken wie der Zusammenbruch von Ökosystemen in den nächsten zehn Jahren die größten Sorgen. Dennoch: im Bundestagswahlkampf dominieren die Themen Migration und Wirtschaft, viele Menschen fühlen sich wegen den Klimawandels macht- und hilflos.
Der Nachhaltigkeitsdialog der EnBW rückte am Donnerstagabend das Thema klimasichere Zukunft in den Mittelpunkt. Bei der Abendveranstaltung kamen Expertinnen und Experten aus der kommunalen Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und dem Katastrophenschutz in Impulsvorträgen und einer Podiumsdiskussion zu Wort.
Neurowissenschaftlerin Maren Urner erklärte, wie man aus der Ohnmacht herauskommt. Die eigentliche Frage sei nicht, welche Fakten man brauche, um zu handeln, sondern was man fühlen müsse, um sein Leben zu verändern. „Wir können nicht rational entscheiden ohne Emotionen“, sagt sie. Urner beschreibt drei Herausforderungen für das Gehirn, sich mit dem Klimawandel auseinander zu setzen. Erstens, das Gehirn habe einen sehr ausgeprägten Hang zum Negativen, um sich zu schützen. Zweitens, Angst und Unsicherheiten seien schlechte Beraterinnen und drittens, der Mensch sei ein Gewohnheitstier. Was hilft? Sich häufiger die Frage wofür statt wogegen zu stellen und kooperativ zusammenzuarbeiten. „Das was Menschen wirklich motiviert, ist die aktive Hoffnung, also die Überzeugung, dass das was ich tue, Veränderungen bringt“, sagt Urner.
Weltweite Umweltschäden steigen weiter an
„Manchmal fragen mich Menschen, wo ist das Problem, wenn es an einem Ort mit 36 Grad in Zukunft 37,5 hat?“, sagt Klimarisikoexperte Ernst Rauch von der Munich Reinsurance Company. „Eine kleine Veränderung des Mittelwerts von Wetterdaten beeinflusst die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen überproportional“, sagt er. Über 300 Milliarden Dollar Schadenssumme seien durch die Zerstörung durch Umweltkatastrophen 2024 weltweit entstanden. „80 bis 90 Prozent durch Wetterereignisse“, sagt Rauch. Vor Jahren hätten sich für viele Kunden die Frage gestellt, ob man sich die Versicherung leisten könne, heute „wird in manchen Regionen der Welt – nicht Deutschland – die Frage diskutiert, ob überhaupt noch Versicherungsschutz zur Verfügung gestellt wird.“
Joachim Dorfs, Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung und Moderator der Podiumsdiskussion, stellte seinen Gesprächspartnern die Frage, ob der Klimaschutz zu einem kontroversen Thema geworden sei. „Statt Lager zu überwinden, wird das Lagerdenken gestärkt. Es bräuchte neue Narrative, aber das läuft gerade ins Gegenteil“, sagt Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister von Wuppertal.
Experte fordern von Politikern gemeinsame Lösungssuche
Laut Louisa Schneider, Journalistin und Klimaaktivistin, werde zwar genauso viel darüber gesprochen, rechte Parteien würden das Thema aber für sich nutzen und beispielsweise über Windräder wettern. Demokratische Parteien hingegen würden sich zurückhalten. „Wirtschaft, Krieg, Migration – jedes Problem ist direkt mit dem Klimawandel verbunden“, sagt Schneider. „Warum versuchen wir das voneinander abzugrenzen?“
Zustimmende Reaktionen erhielt Steffen Jäger, Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg. „Wir müssen nach einer Bundestagswahl erwarten, dass parteipolitisch alles zur Seite geschoben wird, um gemeinsam über Lösungen zu sprechen.“ Wichtig sei, die Menschen zu überzeugen, dass man das Ziel erreiche. „Ohne Gestaltungsenergie der Bevölkerung kommen wir zu nichts.“