Plagegeister länger aktiv
Klimawandel führt zu deutlich mehr Stechmücken
Stechmücken mögen es warm und feucht. Auch der Klimawandel kann Auswirkungen auf ihre Entwicklung haben. Derzeit sind Keller und Wohnungen bei der Gemeinen Hausmücke beliebt.
Von Markus Brauer/dpa
Der Klimawandel wird aus Sicht einer Forscherin die Aktivität von Stechmücken verlängern. Damit wächst auch in Deutschland die Gefahr der Übertragung von Viren. „Je früher im Jahr und je länger es warm ist, desto länger ist die Gemeine Hausmücke draußen aktiv und sticht auch“, sagt die Biologin Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) im brandenburgischen Müncheberg.
Der #Mückenatlas des ZALF kartiert die Ausbreitung von Mückenarten in Deutschland mithilfe eingesendeter Mücken aus der Bevölkerung. Wie das funktioniert und wie #Tigermücken aussehen, erklärt Dr. Doreen Werner vom ZALF bei Planet Wissen: https://t.co/0qTjZjAcilpic.twitter.com/45xlhHwesv — ZALF (@zalf_leibniz) October 19, 2023
2024 begann Stechmückensaison schon im April
Die Entwicklung der Krankheitserreger in den Mücken sei ein temperaturabhängiger Prozess, der sich beschleunigen könnte. Auch die Zeitspanne der Übertragungen könnte sich verlängern.
„Das ist nicht optimal für uns. Die Verbreitung etwa des West-Nil-Virus passiert dann schneller“, betont Werner, die Initiatorin des bundesweiten Mückenatlas ist. In diesem Jahr begann die Stechmückensaison ihr zufolge bereits im April und damit etwa drei bis vier Wochen früher als üblich, dauerte aber nicht länger als sonst.
Stechmücken suchen Winterquartier in Wohnungen
Derzeit sind die Hausmücken oft in Kellern und Wohnungen zu finden. „Sie mögen es feucht und warm.“ Die Weibchen suchten sich angesichts kalter Außentemperaturen wärmere Winterquartiere und drängten in den Wohnbereich. „Da wollen sie auch mal stechen, aber vor allem frostfrei über den Winter kommen“, erläutert Werner.
Mücken-Funde zuhause und Hochsaison für Fachleute
„In einem feuchten Keller und bei angelehntem Fenster können sie tausende von Mücken im Keller haben“, so Werner. „Wir haben auch gerade Hochsaison, weil die Leute die Mücken zuhause sehen und wissen wollen, was es damit auf sich hat.“ Sie ruft weitere Menschen dazu auf, Mücken zu fangen und zur Analyse an die Fachleute des Mückenatlas zu schicken.
West-Nil-Virus kann durch Hausmücken übertragen werden
Im Jahr 2019 wurden laut Robert Koch-Institut (RKI) die bundesweit ersten durch Mücken auf Menschen übertragene Infektionen des West-Nil-Fiebers bekannt und zwar im Osten Deutschlands. Seitdem seien sie weiter überwiegend in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen registriert worden. 2024 wurden zudem einzelne Fälle in anderen Bundesländern nachgewiesen.
Meisten Erkrankungen verlaufen symptomfrei
Durch den Stich einer heimischen Mücke haben sich in Deutschland laut RKI dieses Jahr inzwischen mindestens 26 Menschen nachweislich mit dem West-Nil-Virus infiziert. Die große Mehrheit der Infektionen verläuft aber ohne schwere Krankheitssymptome.
Da etwa 80 Prozent der Infektionen beim Menschen ohne Symptome verlaufen, ist mit einer hohen Dunkelziffer von Infizierten zu rechnen. Zudem verlaufen auch viele symptomatische Fälle ähnlich einer Grippeerkrankung und nicht so schwerwiegend, dass Betroffene einen Arzt aufsuchen. Oft kommen Mediziner auch nicht auf die Idee, für einen Tests auf den West-Nil-Virus Blut abzunehmen.
Bei knapp 20 Prozent gibt es dem RKI zufolge milde, unspezifische Symptome wie Fieber oder Hautausschlag. Auch diese bleiben häufig unbeachtet.
Schwere Verläufe vor allem bei Älteren und Vorerkrankten
Auch trage längst nicht jede Mücke den Erreger in sich, da sie sich selbst erst an einem Vogel infizieren müsse, betont Doreen Werner. Etwa 20 Prozent der Infizierten entwickeln nach RKI-Angaben eine fieberhafte, grippeähnliche Erkrankung. Nur etwa jeder 100. infizierte Mensch erkranke schwer.
Schwerere und tödliche Verläufe betreffen meist ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Nur etwa ein Prozent der Infektionen führen zu schweren neuroinvasiven Erkrankungen. Da Tests und damit gesicherte Nachweise meist nur bei solchen Verläufen erfolgen, ist für Deutschland von einer sehr viel höheren Zahl an jährlichen durch heimische Mücken übertragenen Infektionen auszugehen.
Nur bei einem Teil der Schwererkrankten tritt zudem eine Hirnhautentzündung (Meningitis) auf, die meist gutartig verläuft. In seltenen Fällen entwickelt sich eine Enzephalitis (Entzündung des gesamten Gehirn-Gewebes oder Teilen davon), die Spätfolgen nach sich ziehen kann,sowie eine Entzündung des Herzens oder der Leber.
„Virus ist eine ernst zunehmende Krankheit“
Ursprünglich kommt das West-Nil-Virus vor allem in wärmeren Regionen der Erde vor. Wissenschaftler des Friedrich-Loeffler-Instituts hatten allerdings heimische Hausmücken als Überträger des Erregers identifiziert. Das Virus kann in Stechmücken überwintern. „Je wärmer es dann wird, umso besser können sich die Krankheitserreger weiterentwickeln“, erläutert Doreen Werner.
Der Tropenmediziner Tomas Jelinek stuft das Virus als „eine ernst zunehmende Krankheit“ ein, aber man müsse „kein massenhaftes Auftreten in Deutschland erwarten“. Allerdings sei es durchaus wahrscheinlich, dass es in Zukunft auch hierzulande zu kleineren West-Nil-Ausbrüchen kommen werde