Klimaziel 2035: Wie kommt der Fernsehturm weg vom Öl?

Bis in zehn Jahren soll Stuttgart laut Klimabeschluss emissionsfrei sein. Wie schafft das der Stuttgarter Fernsehturm? Es gibt Pläne, aber auch viele Fragezeichen.

Momentan hofft man auf ein Nahwärmenetz auf der Waldau.Momentan hofft man auf ein Nahwärmenetz auf der Waldau.

© /Max Kovalenko

Momentan hofft man auf ein Nahwärmenetz auf der Waldau.Momentan hofft man auf ein Nahwärmenetz auf der Waldau.

Von Judith A. Sägesser

Stuttgart - Als der Stuttgarter Fernsehturm 1956 eröffnet wurde, war er der erste seiner Art in der Stahlbeton-Bauweise. Er war eine Innovation und eine Sensation. Dieser Ruhm reicht bis ins Hier und Heute. Der Fernsehturm ist das Wahrzeichen von Stuttgart. Nun soll diese Stadt bis 2035 klimaneutral werden. So hat es der Gemeinderat beschlossen. Was bedeutet das für den Fernsehturm?

Die Sache ist kompliziert. Das Bauwerk gehört dem Rundfunksender SWR, er ist so gesehen der Hausherr, ihm gehört auch die Heizanlage. Das Wahrzeichen als solches wird aber von anderen betrieben. Will man mehr über den CO2-Fußabdruck des in Stuttgart herausragenden Gebäudes erfahren, muss man mit den Leuten der SWR Media Services GmbH sprechen, verantwortlich für die Sehenswürdigkeit vom Shop am Fernsehturmfuß bis zur Aussichtsplattform.

Dritter Beteiligter ist die Gastronomie, sie hat ihre eigene Energierechnung und damit einen eigenen CO2-Fußabdruck. „Eine genaue Trennung von Betrieb und Gastronomie ist uns aber nicht durchgängig möglich“, sagt Francisco Hoyo, Sprecher der SWR Media Services GmbH, „etwa weil die Heizungssysteme zum Pächter stark mit unseren verwoben sind“.

Insgesamt seien für Wahrzeichen und Gastronomie im Jahr 2023 knapp 8000 Liter Heizöl verbraucht worden, so Hayo. Zum Vergleich: Für ein 120-Quadratmeter-Haus rechnet die gemeinnützige Organisation CO2Online mit durchschnittlich rund 2000 Litern pro Jahr. Der Fernsehturm sei „komplex“, sagt Thomas Steffens, Fachbereichsleiter Liegenschaften und Technik bei der SWR Media Services GmbH. „Er ist mit keinem normalen Gebäude vergleichbar.“

Das liegt auch an den vielen Antennen und der Sendetechnik des SWR oben an der Turmspitze. Laut Angaben der SWR-Sprecherin Sibylle Schreckenberger hatte der Fernsehturm 2024 einen Stromverbrauch von rund 720  000 Kilowattstunden. Das entspricht dem von insgesamt 205 Durchschnittshaushalten.

Um zu zeigen, wie das mit der Energie im Fernsehturm läuft, geht es zu Fuß auf drei Meter hinauf. Heizungs- und Wasserrohre sowie Stromkabel verlaufen rund 140 Meter durch den Schaft nach oben bis zum Technikgeschoss. Im Keller stehen –  für den gesamten Fernsehturm – drei Brenner und zwei Öltanks mit 21 300 und 32 600 Litern. Die Heizungsrohre sind mit Alu ummantelt, verloren geht auf der Strecke bis in den Turmkorb dennoch Energie. Hinzu kommt, dass es im Fernsehturm einen Schornsteineffekt gibt.

Wer genau hinschaut, entdeckt von außen entlang des Schafts kreisrunde Löcher. Sie dienen dem Brandschutz. Negativer Nebeneffekt: Die Wärme aus dem Shop und den Büros wird vom Turm angesaugt und nach oben ins Freie transportiert. „Immer wenn die Aufzugtür aufgeht, ist so ein leichter Zug zu spüren“, sagt Patrick Schnauffer, zuständig für Führungen und Veranstaltungen im Fernsehturm.

Ob die Transformation in diesem Bauwerk bis in zehn Jahren gelingt? „Wir möchten das schon anstreben“, sagt Steffens. „Aber wir haben nicht alle Karten in der Hand.“ Für den Hausherr SWR sagt Sibylle Schreckenberger: „Die Wärmeversorgung soll perspektivisch entweder dezentral mit Nahwärme Waldau oder zentral mit Hochleistungswärmepumpen in Verbindung mit einem Gaskessel für Spitzenauslastungen erfolgen.“

Es gibt derzeit tatsächlich die Hoffnung, dass der Fernsehturm an ein neues Nahwärmenetz auf der Waldau angeschlossen werden könnte. Dieses gehört zwar nicht zu den elf Gebieten, die die Stadtwerke Stuttgart als erstes angehen wollen. Aber seitens der Stadt ist zu vernehmen, dass man dem Fernsehturm gerne eine Möglichkeit anbieten würde.

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Erstellt:
24. März 2025, 22:10 Uhr
Aktualisiert:
25. März 2025, 21:58 Uhr

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