Koalitionsgespräche

Wie sich das Spitzenpersonal der SPD neu aufstellen könnte

Bringt er die Verhandlungen mit der Union erfolgreich zu Ende, steht Lars Klingbeil vor der Entscheidung: Geht er ins Kabinett oder bleibt er Fraktionschef? Andere in der SPD kämpfen gerade ums politische Überleben – mit unterschiedlichen Chancen.

Im Gespräch: die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken

© dpa/Michael Kappeler

Im Gespräch: die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken

Von Tobias Peter

Siegertypen erkennt man oft in der Stunde der Niederlage. „Ich sage hier mit absoluter Klarheit: Der Generationenwechsel in der SPD muss eingeleitet werden“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil am Abend der historischen Niederlage bei der Bundestagswahl. Praktisch für ihn: Im Alter von 47 Jahren ist er vom Generationenwechsel nicht negativ betroffen. Bald darauf wurde klar: Statt der Verantwortung für die Niederlage übernahm Klingbeil zusätzlich auch noch den Fraktionsvorsitz.

Pluspunkte vorzuweisen

Lars Klingbeil, dem die Genossen auch seinen Anteil an dem desaströsen 16,4-Prozent-Ergebnis bei der Wahl ankreiden könnten, kann drei wichtige Pluspunkte vorweisen. Er hat seinen eigentlich konservativen Wahlkreis mit 42,1 Prozent gewonnen, das beste Erststimmenresultat der SPD bundesweit. Er gilt als kommunikativer Brückenbauer. Und: Beim Ringen um eine Reform der Schuldenbremse und ein Sondervermögen für Infrastruktur hat er gezeigt, dass er erfolgreich verhandeln kann.

Sobald Klingbeil die Koalitionsverhandlungen mit der Union mit einer inhaltlichen Einigung abgeschlossen hat, wird die Personalfrage verstärkt in den Vordergrund treten. Welche Rolle sieht der SPD-Chef für sich selbst? Wer ist im Kabinett gesetzt? Wie beim Kinderspiel „Reise nach Jerusalem“ gibt es weniger Stühle als Teilnehmer.

Niedersachsen-Problem

Das Niedersachsen-Problem

Ein wichtiger Faktor ist das Niedersachsen-Problem der SPD. In diesem Landesverband gibt es viele erfolgreiche Sozialdemokraten, die eine wichtige Rolle für sich in Anspruch nehmen. Noch dazu sind sie alle Männer. Die Rede ist von Klingbeil, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Arbeitsminister Hubertus Heil. Auch Generalsekretär Matthias Miersch ist Niedersachse. Ziel ist nicht nur eine faire Aufteilung von Ämtern zwischen Frauen und Männern. Auch Regionalproporz spielt bei der Postenverteilung traditionell eine Rolle.

Klingbeil hat den ersten Zugriff. Er muss sich entscheiden: Will er in der Doppelrolle aus Partei- und Fraktionschef bleiben? Der Vorteil: Er könnte die SPD außerhalb der Kabinettsdisziplin profilieren – und sich so auf eine Kanzlerkandidatur in vier Jahren vorbereiten. Der Nachteil: Ginge er diesen Weg, würde ihm weiter die Regierungserfahrung fehlen. Genau das hat die SPD im Wahlkampf ständig Friedrich Merz vorgeworfen.

Im Kabinett könnte Klingbeil dagegen nach dem Posten des Finanzministers greifen und Vizekanzler werden. Wie mächtig ein Finanzminister ist, hat Christian Lindner in den vergangenen Jahren gezeigt. Dank Schuldenbremsen-Reform und Sondervermögen gibt es jetzt sogar Geld zu verteilen. Nicht zu vergessen: Olaf Scholz ist aus der Position des Finanzministers Kanzler geworden.

Boris Pistorius (65) dürfte als beliebtester Politiker Deutschlands im Kabinett gesetzt sein. Ob er Verteidigungsminister bleiben kann, ist aber noch unklar. Sollte Klingbeil Fraktionschef bleiben, dürfte Pistorius Vizekanzler werden.

Wer wird Arbeitsminister?

In der Regel übernimmt die SPD auch das Ministerium für Arbeit und Soziales. Dort sind die Themen Mindestlohn und Rente angesiedelt. Hubertus Heil (52) ist seit 2018 Arbeitsminister – und er hat sich als höchst durchsetzungsstarker Verhandler erwiesen. Der Qualifikation nach wäre er eigentlich gesetzt. Er wäre aber nach Klingbeil und Pistorius der dritte Mann aus Niedersachsen. Damit ist klar: Heil kämpft gerade um sein politisches Überleben, vielleicht auch in einer anderen Position als der derzeitigen. Und was ist mit SPD-Chefin Saskia Esken?

Wie stark gegen die 63-Jährige geschossen wird, lässt sich auch daran erkennen, dass ihr Kurzurlaub auf den Kanaren öffentlich wurde. Esken gehört zwar keiner Arbeitsgruppe an, die in der Zeit verhandeln musste – steht nun aber schlecht da. Sie ist leidenschaftliche Bildungspolitikerin. Wäre das vielleicht ein Ministerjob für sie? Viele in der SPD fordern andere Gesichter: als Zeichen der Erneuerung.

Gutes Argument

Der Druck auf Esken ist riesengroß. Sie hat aber auch ein gutes Argument auf ihrer Seite: Warum soll eigentlich allein die Frau an der Parteispitze die Verantwortung für die Niederlage übernehmen – und das, während der Mann weiter Karriere macht?

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Erstellt:
24. März 2025, 14:30 Uhr
Aktualisiert:
24. März 2025, 16:31 Uhr

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