Knie auf Hals? Kusterer verteidigt Fixierung von Angreifern
dpa/lsw Stuttgart. Das Knien auf dem Hals von Verdächtigen kann aus Sicht des Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, in Ausnahmefällen vorkommen. „Im Gemenge ist alles denkbar“, sagte Kusterer der Deutschen Presse-Agentur. „Es geht immer um Verhältnismäßigkeit. Undenkbar ist es für mich nicht.“ Die Polizei habe teils mit Menschen zu tun, die etwa unter Drogen stünden. Die Gewalt gegen Polizeibeamte scheine grenzenlos zu sein. „Da kann es durchaus sein, dass sie im Handgemenge kurzzeitig auch mal auf dem Hals landen.“ Es sei aber nichts, was die Polizei trainiere, es zähle auch nicht zum Repertoire der Abwehrtechniken. Ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums erklärte am Donnerstag, bei Festnahmetechniken werde schon in der Ausbildung darauf geachtet, dass die Atemwege des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden.
Die Staatsanwaltschaft München I überprüft derzeit einen Einsatz der Bundespolizei in einer Münchner S-Bahn-Station vom Februar 2020. Auf einem Video aus einer Polizisten-Bodycam ist zu sehen, wie ein Polizist auf Kopf- und Halsregion eines um Hilfe rufenden Mannes kniet.
Das Video erinnert auf den ersten Blick - auch wenn die Folgen nicht zu vergleichen sind - an den tödlichen Polizeieinsatz gegen George Floyd in den USA, der eine Welle des Entsetzens und große Proteste ausgelöst hatte. Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einem brutalen Polizeieinsatz getötet worden. Ein Polizist presste sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser immer wieder flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor das Bewusstsein und starb wenig später. Der Polizist wurde zu 22 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.
Der Sprecher des Innenministeriums erläuterte, weder in der Aus- noch in der Fortbildung oder im Einsatztraining finde die Festnahmetechnik „Einsatz des Knies mit Druck in den Hals zu Boden“ bei der Polizei in Baden-Württemberg Anwendung. Seit den 1990er Jahren würden die Polizisten zum sogenannten lagebedingten Erstickungstod besonders sensibilisiert. „Dies wird sowohl im theoretischen Unterricht als auch im Situativen Handlungstraining sichergestellt.“ Dabei gehe es auch um Anzeichen einer Erstickung. Der Polizeinachwuchs lernt den Angaben nach, dass Menschen am Boden in Bauchlage gebracht und dort mit den Knien an Schulter und Hüfte fixiert werden sollten. Sobald es die Situation zulässt, sollte der oder die Betroffene sofort wieder in die Seitenlage gedreht werden, um leichter atmen zu können.
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