Neue Bestattungsformen

Knochen zu Kompost: „Reerdigung“ bleibt in Baden-Württemberg verboten

„Reerdigungen“ sind bisher nur in Schleswig-Holstein erlaubt: Der Leichnam wird in einem Verwesungstank kompostiert; übrig gebliebene Knochen werden zermahlen. In Baden-Württemberg soll dies offenbar nicht möglich werden.

Heu, Stroh, Blumen und eine Holzfigur liegen in einem sogenannten „Kokon“ bei einem Pressegespräch zu der neuen Bestattungsform „Reerdigung“ in der Kapelle auf dem Kieler Parkfriedhof Eichhof.

© dpa/Christian Charisius

Heu, Stroh, Blumen und eine Holzfigur liegen in einem sogenannten „Kokon“ bei einem Pressegespräch zu der neuen Bestattungsform „Reerdigung“ in der Kapelle auf dem Kieler Parkfriedhof Eichhof.

Von Markus Brauer/KNA/dpa

Die „Reerdigung“, bei der Leichen in einem Verwesungstank kompostiert werden, bleibt einem Bericht des „Spiegel“ zufolge in Baden-Württemberg verboten. Dies gehe aus einem Schreiben des Landessozialministeriums an den baden-württembergischen Gemeindetag hervor, heißt es.

Mit der „abschließend zu beachtenden Rechtsauffassung“ untersagt demnach die Behörde alle Facetten des Verfahrens, das derzeit in Schleswig-Holstein (Mölln im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg sowie Kiel) als Pilotversuch erlaubt ist – vom Einbetten des Leichnams in den Tank bis zur Beisetzung der Verwesungsreste in einem Tuch.

Die neue Bestattungsform „Reerdigung“ ist bisher nur im nördlichen Bundesland möglich, aber die Erde darf auch in Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern beigesetzt werden.

„Nach 40 Tagen bereits Erde sein“

Die „Kompostierungszeit“ betrage 40 Tage, erklärt ein Kirchensprecher von Lübeck-Lauenburg. Dann werden die Überreste aus dem Kokon entnommen und in ein nur 30 Zentimeter tiefes Grab gelegt. Darüber kommt eine Schicht Friedhofserde.

„Auch das Ende des Lebens zahlt auf den ökologischen Fußabdruck jedes Menschen mit ein“, heißt es  seitens der Nordkirche. Im Vergleich zur Feuerbestattung spare die „Reerdigung“ bei jedem Toten eine Tonne CO2 ein. Der Leichnam werde auf Heu, Stroh und Blumen gebettet, dann übernehmen die Mikroorganismen die Kompostierung.

„Der Gedanke, nach 40 Tagen bereits Erde zu sein, ist für viele Menschen schön“, sagt Pablo Metz, Mitbegründer des Berliner Anbieters „Meine Erde“. Bei der nachhaltigen Bestattungsform werden Tote auf ein pflanzliches Substrat aus Heu, Stroh und Schnittgut in einem abgeschlossenen Kokon gebettet.

Erde zu Erde – in überschaubarer Zeit

Seit 2022 wurden auf diese Weise in Deutschland bereits zehn Menschen „reerdigt“.„Der Tod und das Sterben haben ganz viel mit Emotionalität zu tun“, erklärt die Pröpstin des Kirchenkreises Altholstein, Almut Witt. Derzeit würden sich Menschen in etwa 80 Prozent der Fälle für Feuerbestattungen entscheiden. „Erde zu Erde, sagen wir seit Jahrtausenden. Bei der „Reerdigung“ wird dies sehr deutlich – und nicht erst nach Jahrzehnten, sondern in überschaubarer Zeit.“

Nach Angaben des Anbieters wird dem Kokon nur Luft zugeführt. „Aus 80 Kilogramm Mensch werden etwa 110 Kilogramm Erde“, erläutert Metz. Diese wird anschließend wie bei einer Erdbestattung beigesetzt. Die Kosten nur für die Bestattungsform betragen rund 2900 Euro. 

Ein Klumpen des organischen Materials soll verhindert werden

Die Ausführungen in der Patentschrift zum Verfahren der Reerdigung hätten das Ministerium bestärkt, die umstrittene Bestattungsvariante für unzulässig zu erklären, heißt es in dem Schreiben des Stuttgarter Landessozialministeriums weiter.

In der Patentschrift, die das Unternehmen Circulum Vitae GmbH 2021 eingereicht hat, ist laut „Spiegel“ von Prall- und Knochenmühlen zur Nachbearbeitung der Kompostierungsreste die Rede. Und von einer „Drehung des Kompostierungsbehältnisses“ zwei- bis dreimal um jeweils 360 Grad, um ein „Klumpen des organischen Materials effektiv“ zu verhindern.

„Leichenfabriken mit Robotern“

Ebenfalls verstörend sind laut „Spiegel“ Hinweise auf Fabriken, die in der Patentschrift „Lagereinheiten“ genannt würden, mit jeweils „200 Kompostierungsbehältnissen“, die von Robotern gestapelt werden sollen.

Info: Bestattungsformen

Ruhe in Frieden Es muss nicht immer die klassische Erdbestattung sein mit Sarg und Kränzen. Alternative und unkonventionelle Bestattungsorte werden immer populärer. Eine Übersicht:

Waldbestattung Bei der Waldbestattung wird die Urne mit der Asche des Verstorbenen im Wurzelbereich eines Baumes beigesetzt. Ein Namensschild am Baum weist darauf hin, wo sich die Grabstätte befindet. Anonyme Bestattungen sind ebenfalls möglich. Die Idee der Bestattung auf festgelegten und genehmigten Waldflächen außerhalb von Friedhöfen hat 1993 der Schweizer Ingenieur Ueli Sauter entwickelt. Kennzeichnend für einen Friedwald oder Ruheforst ist, dass es keine individuelle Grabpflege gibt und das Grab als solches nicht erkennbar ist. Dennoch ist ein Platz für die Trauerarbeit vorhanden. Naturbestattungen außerhalb von Friedhöfen setzen eine Einäscherung voraus. Der Baum für die letzte Ruhe kann bereits zu Lebzeiten für die Dauer von 99 Jahren erworben werden.

Wiesenbestattung Die Asche kann auch auf einer Wiese beigesetzt oder darauf verstreut werden. Geeignet sind Almwiesen, Bergbäche, Berghänge, Täler, Seeufer und  Weinberge (Friedweinberge). Da das deutsche Bestattungsrecht diese Art der Beisetzung – anders als die Schweiz oder Spanien – nicht zulässt, sollte ein entsprechender Wunsch des Verstorbenen schriftlich festgehalten sein, um den Angehörigen die Durchführung der Formalitäten zu erleichtern.

Urnenstele Urnen können auch in säulenförmigen Gebilden aus Naturstein oder Beton beigesetzt werden. Die Urnenkammer wird mit einer Abdeckplatte fest verschlossen und kann den Namen des Verstorbenen tragen. Die Nachfrage nach Urnenstelen steigt, weil sie platzsparend und kostengünstig sind. Der Friedhofsbetreiber übernimmt in der Regel die Pflege der Anlage.

Seebestattung Wem die Schifffahrt oder das Meer viel bedeutet haben, kann sich nach seinem Ableben in der Nord- und Ostsee versenken lassen. Wenn das Beisetzungsschiff die richtige Position erreicht hat, wird die Schiffsglocke geschlagen und die wasserlösliche Urne dem Meer übergeben. Die Angehörigen erhalten eine Seekarte mit der genauen Position und einen Auszug aus dem Logbuch.

Luftbestattungn Dabei wird der Leichnam direkt auf den Boden oder auf ein Gerüst gelegt und Aasfressern überlassen. In Tibet und der Mongolei ist die „ Himmelsbestattung“ weit verbreitet, bekannt sind auch die „Türme der Stille“ in Persien und Indien oder die Gerüstbestattungen bei nordamerikanischen Indianerstämmen. In Europa wird bei Luftbestattungen die Asche von einem Heißluftballon oder Flugzeug aus verstreut. Die Angehörigen bekommen eine Urkunde mit den Koordinaten des Ortes der Ausstreuung. Die Luftbestattung ist in Frankreich, der Schweiz oder in Tschechien erlaubt. Das deutsche Bestattungsgesetz verbietet sie (mit Ausnahme bestimmter Gebiete über der Nord- und Ostsee), weil hierzulande eine generelle Friedhofspflicht besteht.

Felsbestattung Bei einer Felsbestattung wird die Urne unter der Grasnarbe eines Felsens bestattet oder die Asche an einem Felsen verstreut. Man kann seinen eigenen Felsen erwerben oder an einem Gemeinschaftsfelsen beigesetzt werden.

Diamantbestattung Wer seinen Angehörigen nach dessen Ableben weiter bei sich haben möchte, kann dies in Form eines Erinnerungsdiamanten tun. Hierfür werden die sterblichen Überreste bei sehr viel höheren Temperaturen als bei der normalen Kremation verbrannt und Asche zum Diamanten umgewandelt. In Deutschland ist die Diamantbestattung nicht zulässig, der Prozess kann jedoch in den Niederlanden oder der Schweiz durchgeführt werden.

Hydrolyse Diese Bestattungsform gewinnt in den USA, in Kanada, Australien und Großbritannien immer mehr Anhänger. Bei der alkalischen Hydrolyse wird der Leichnam in einem Druckbehälter aus Edelstahl in stark ätzende Kalilauge gelegt. Bei Temperaturen von 150 bis 160 Grad Celsius zersetzt sich der Körper innerhalb von Stunden. Außer einigen Knochenresten bleibt nur eine braune Flüssigkeit übrig, die entsorgt wird.

Feuerbestattung Wegen hoher Nachfrage nach Feuerbestattungen ist die Zahl der Krematorien in Deutschland gestiegen. Ein Grund für die hohe Nachfrage: Eine Feuerbestattung ist in der Regel günstiger als eine Erdbestattung, etwa weil eine Urne in einem deutlich kleineren und damit günstigeren Grab beigesetzt werden kann als ein Sarg. Allerdings kann es große Preisunterschiede geben bei den Beisetzungen durch unterschiedliche Kosten für Sarg oder Urne sowie bundesweit sehr unterschiedlichen Friedhofsgebühren.

Einbalsamieren Die Begegnung am offenen Sarg ist ein wichtiger Bestandteil der Trauerbewältigung. Vielfach ist der Leichnam durch die Folgen einer Krebserkrankung, eines Suizids oder Unfalls so entstellt, dass der letzte Blick auf den Toten für Hinterbliebene traumatisch wirken kann. Damit sie ihn in guter Erinnerung behalten, ruft man Embalming-Fachleute. Modern Embalming (so lautet der englische Fachbegriff für das Einbalsamieren) meint eine spezielle Form hygienischer Totenversorgung für die offene Aufbahrung – also eine befristete Erhaltung auch unter extremen Bedingungen und ohne Kühlung.

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Erstellt:
28. Februar 2025, 18:00 Uhr
Aktualisiert:
28. Februar 2025, 18:50 Uhr

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