Kochduell mit Rührei-Champion

Serie Mitgemacht: Beim Kochkurs „Die Männer-Überlebensküche“ der VHS Backnang sollen Spaß und Freude im Mittelpunkt stehen

Es gibt Unmengen Kurse, die BKZRedakteur Matthias Nothstein gerne belegt hätte, wie etwa Bogenschießen oder Kartfahren. Er hätte sich vermutlich selbst mit Töpfern für Anfänger angefreundet. Doch seine Kollegen schicken den Kochmuffel zum VHS-Kurs „Die Männer-Überlebensküche“. Ausgerechnet ihn, den selbst ernannten Weltmeister des Rühreis. Na dann Mahlzeit.

Kochnovize Matthias Nothstein an der Spätzlepresse, skeptisch beäugt von den Kursteilnehmern Maric Davor und Martin Sorg (rechts). Fotos: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Kochnovize Matthias Nothstein an der Spätzlepresse, skeptisch beäugt von den Kursteilnehmern Maric Davor und Martin Sorg (rechts). Fotos: T. Sellmaier

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Bei den aktuellen Fernsehformaten nervt mich vermutlich keines so sehr wie die inzwischen allgegenwärtigen Kochsendungen. Wenn ich nur schon den Typ mit dem Riesenschnauzer sehe, diesen Heinz Lichter oder so, der nachmittags auch noch Gerümpel an Liebhaber verscherbelt, dann hechte ich schon nach der Fernbedienung. Und egal, ob sie nun Joachim Lafer, Paul Boküs oder Stefan Hänsler heißen – alle nicht mein Ding.

Und jetzt das. Jetzt stehe ich an einem Samstagnachmittag mit 13 anderen Männern in der VHS-Schulungsküche und bin quasi derselben Situation ausgeliefert, nur ohne Kamera. So muss sich Reiner Calmund in einem Ballettkurs fühlen. Immerhin hat die toughe Kursleiterin Ulrike Stiehler was drauf, sie erklärt uns vorab, dass wir uns am Herd alle duzen und schickt uns Mannsbilder vor der ersten Action zuerst einmal zum Händewaschen, das gefällt mir. Zuvor hat die dreifache Mutter aus Sulzbach ihre Qualifikation verraten. Als Diätassistentin hat die 46-Jährige schon an vielen Schulen zwischen Backnang und Murrhardt und in mehreren Kliniken Kurse gegeben. Nun erklärt sie: „Mir ist es ganz arg wichtig, dass ihr Spaß an dem Kurs habt und nicht Angst und euch dauernd fragt ,hoffentlich bekomme ich das hin‘.“ Das zu hören tut gut, die Aufregung sinkt.

Das Abenteuer Kochen beginnt mit Theorie. Die Herrscherin über die Töpfe geht alle Gerichte und Beilagen – neun an der Zahl –, die sie für uns vorgesehen und auf einer Liste mit Zutaten und Zubereitung aufgeführt hat, im Schweinsgalopp durch. Als da wären Linsen mit Spätzle und Saitenwürstchen, Nudeln mit Tomatensoße, Blattsalat mit Vinaigrette, Frikadellen, wilde Kartoffeln, Sauerrahmdip, Flammkuchen, paniertes Schnitzel, Kaiserschmarrn. Klingt machbar. Für mich aber viel wichtiger: essbar.

Kurt hat in den 60ern eine Kochausbildung angefangen

Als die Chefin vier Gruppen bildet, lande ich mit Kurt Hofmann im Team Kartoffeln und Fleischküchle. Kurt erzählt mir, dass er in den 60ern mal eine Kochausbildung angefangen und schnell wieder abgebrochen hat. Seine Erklärung, „es hat mir nie Spaß gemacht“, macht ihn mir sympathisch. Seit sieben Jahren schafft er bei der Vesperkirche in der Zionskirche mit und ist dort für den Salat zuständig. Der ist seiner Aussage zufolge legendär, „manche kommen nur deswegen“, so Kurts unbescheidene Selbsteinschätzung. Je mehr Kurt schildert, desto mehr sinkt mein Selbstbewusstsein wieder, mein Kollege ist also ein Profi. So kümmert er sich auch sofort und unmissverständlich um das viel komplexere Projekt Fleischküchle, ich darf derweil die Kartoffeln waschen und in Viertel schnipseln. Das dürfte zu schaffen sein. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Kurt profigleich Brötchen einweicht, ratzfatz Zwiebeln schält und würfelt und mit Knoblauch, Hackfleisch, Eiern und Gewürzen hantiert, als hätte er nie etwas anderes gemacht.

Ulrike pendelt derweil von Station zu Station und schaut den Vertretern des starken Geschlechts abwechselnd über die Schultern. Mit mir ist der Kantinen-Feldwebel zufrieden, ich atme auf. Kurz drauf kriegt die Spätzlesgruppe ihr Fett ab. Mit deren Arbeit ist die strenge Köchin ganz und gar nicht einverstanden. „Die würde ich am liebsten nochmals neu machen“, lautet die feinfühlige Bemerkung, nachdem ein Kollege zu viel Wasser an den Spätzleteig gegeben hat. Seine Begründung, „ich dachte, der Teig ist zu zäh“, wird entschieden gekontert: „Die Mengenangaben stimmen, ich habe alle Rezepte getestet.“

Der Stimmung tut die Episode keinen Abbruch, die ist prächtig. Alle haben Spaß. Es wird gelacht und gefrotzelt. Es bewahrheitet sich, was in der Kursankündigung so zu lesen war: „Die Erfahrungen haben gezeigt, dass sich Männer in der Küche mehr trauen, wenn sie unter sich sind. Egal, ob Sie blutiger Anfänger oder erfahrener Hobbykoch sind oder irgendwo dazwischen liegen, an diesem Abend stehen Spaß und die Freude am gemeinsamen Kochen beziehungsweise Essen im Mittelpunkt. Wir werden in diesem Kurs einfache und leicht nachzukochende Gerichte zubereiten, damit ,Mann’ ohne große Schwierigkeiten im Alltag überleben kann.“

Den angesprochenen Spaß hat der Kollege nebenan ganz eindeutig mit der Salatschleuder. Der junge Mann bringt das Teil über Minuten auf Hochtouren. Nie war ein Grünzeug abgetropfter als heute. Während meine wilden Kartoffeln im Ofen (vorgeheizt!) bei 200 Grad Ober- und Unterhitze Farbe annehmen, erlaube auch ich mir einen Rundgang von Kochfeld zu Kochfeld und suche das Gespräch mit meinen Koch-Kommilitonen. Der Backnanger Philipp Kröninger ist in der Buchhalterausbildung. Er hat schon diverse Kurse belegt, weil er gerne kocht. Er meint: „Man lernt nie aus.“ Der Kurs war als Geschenk zu Philipps 26. Geburtstag ein Gag seiner Mutter, „aber ein willkommener“. Auch Hans und Sebastian König haben den Kurs von der Frau respektive Mutter geschenkt bekommen. Zuhause kochen beide ganz selten. Vater Hans sagt: „In erster Linie geht es darum, dass der Sohn kochen lernt.“ Der stimmt zu: „Es schadet ja nicht, wenn man ein Gefühl fürs Kochen bekommt, auch wenn mein Auszug jetzt nicht unmittelbar bevorsteht.“ Ganz unvorbereitet käme der Ernst des Lebens aber nicht für Sebastian, „ich habe schon mehrere Koch-Basics-Kurse besucht.“

Die Tante kochte die ganze Woche nur Ravioli aus der Dose

Auch Jürgen und Lian Ott aus Maubach sind keine Anfänger. Und das, obwohl Lian erst zwölf Jahre alt ist. Aber der Vater hat den Junior schon öfter zu Kursen begleitet, weil diesem das Brutzeln Spaß macht. Der Bub kann daher auflisten: „Ich habe schon indisch und vegetarisch gekocht.“ Als Mitglied der Schnitzelgruppe hat er sich akribisch an Ulrikes Zubereitungstipps gehalten. Dort heißt es: „Das Fleisch in einen Gefrierbeutel oder zwischen zwei Folien legen und mit einem Plätteisen oder einem schweren Topf etwas flach klopfen.“ Lian hat sich für eine Pfanne entschieden und klopft jetzt mit sichtlichem Spaß das Schnitzel platt.

Kochduell-Kollege Gotthilf Holzwarth ist seit zwei Wochen im Ruhestand und hat den Kurs von seinen Kollegen zum Abschied geschenkt bekommen. Er berichtet von seinem Onkel, der eine Frau geheiratet hatte, bei der es die ganze Woche über Ravioli aus der Dose gab. Am Wochenende musste der Onkel selber kochen, wenn er etwas Besseres wollte. Dieses abschreckende Beispiel war ein Grund, weshalb sich Gotthilf einstens eine Frau gesucht hatte, die kochen kann. Es scheint ihm gelungen zu sein, denn heute schwärmt er von seiner Gattin: „Sie ist eine vorzügliche Köchin, die aus nichts etwas zaubert.“ Trotzdem hat er sich vorgenommen, sich in der Küche öfter sehen zu lassen, „ich habe jetzt ja Zeit“.

Für Rolf Waibel hat immer seine Mutter die Speisen zubereitet, doch seit zwei Jahren hat die Seniorin nicht mehr die Kraft dazu. Seither bindet sich Rolf selbst die Schürze um. Der 63-Jährige kann inzwischen mehrere Gerichte ganz leidlich und hat Lust, noch mehr zu lernen: „Ich möchte von den Fertigsachen wegkommen“. Deutlich jünger sind die Zwillinge Maric und Igor Davor. Die 32-Jährigen haben den Kurs von ihren Freundinnen zum Geburtstag geschenkt bekommen, „weil wir uns nie in die Küche trauen“.

Und warum traue ich mich nicht in die Küche? Ich grüble. Eigentlich gibt es keinen Grund, schließlich bin ich im restlichen Leben nicht der Typ, dem das Nudelwasser anbrennt. Aber es hat sich einfach nie ergeben. In meiner Kindheit war die Rollenverteilung glasklar, die Küche war das Reich meiner Mutter. Als Jugendlicher im Internat hatte ich dann keinen Zutritt zur Küche. Als Student übernahm ich die klassische Einstellung, dass feste Nahrung überbewertet wird. Zudem gab es ja auch noch die Mensa. Und dann lernte ich meine spätere Frau kennen, die ausgebildete Gesundheitsberaterin war und in jungen Jahren schon perfekt kochte. Als wir heirateten, war die Arbeitsteilung irgendwann gottgegeben: Ich kümmere mich um Tüv, Ölwechsel und die Steuererklärung samt der Rasenpflege, sie kocht.

Am Ende des Kochduells sitzen wir Helden alle zusammen und verspeisen, was an den verschiedenen Stationen fabriziert wurde. Allen schmeckt es, kein Gericht ging wirklich in die Hose. Es wird gelacht und gescherzt, und obwohl gerade die Sportschau laufen müsste, habe auch ich Spaß in der Runde. Vielleicht sollte ich doch einmal mehr als nur Rührei probieren? Vielleicht zum Hochzeitstag?

Für die Serie „Mitgemacht“ testen Redakteure unserer Zeitungen verschiedene Kursangebote und berichten über ihre Erfahrungen.

Ob Schnitzel, Fleischküchle, Flammkuchen, Spätzle oder Kaiserschmarrn, kein Gericht misslang.

© Tobias Sellmaier

Ob Schnitzel, Fleischküchle, Flammkuchen, Spätzle oder Kaiserschmarrn, kein Gericht misslang.

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Erstellt:
6. Juli 2019, 06:00 Uhr

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