Solidaritätszuschlag
Könnte Karlsruhe den Soli kippen?
Der Solidaritätszuschlag sollte die Lasten der deutschen Wiedervereinigung finanzieren. An diesem Mittwoch fällt ein wegweisendes Urteil.

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Der Zweite Senat entscheidet zu einer Verfassungsbeschwerde von sechs FDP-Politikern gegen den Solidaritätszuschlag.
Von dpa/AFP/Michael Bosch
Das Bundesverfassungsgericht verkündet am Mittwoch (10 Uhr) sein Urteil über den Solidaritätszuschlag. Sollte Karlsruhe ihn kippen, hätte das spürbare finanzielle Folgen für den Bund – und womöglich auch für die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD.
Das Gericht entscheidet zu der Verfassungsbeschwerde von sechs FDP-Politikern – darunter der ehemalige Fraktionsvorsitzende Christian Dürr und die ehemaligen Finanzstaatssekretäre Florian Toncar und Katja Hessel. Sie hatten geklagt, noch bevor die Liberalen Teil der letzten Ampel-Regierung wurden.
Wird der Soli zurückgezahlt?
Sollte das Gericht den Zuschlag für verfassungswidrig erklären, würde das die künftige Bundesregierung vor eine Herausforderung stellen. Denn für dieses Jahr sind im bisherigen Haushaltsentwurf Soli-Einnahmen von 12,75 Milliarden Euro fest verplant, die Steuerschätzer rechnen sogar mit 13,1 Milliarden. Diese Einnahmen würden wegfallen und der Bundesregierung schmerzhaft fehlen.
Doch es könnte noch schlimmer kommen: Der Senat könnte entscheiden, dass der Staat Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag der vergangenen Jahre zurückzahlen muss. Das wären von 2020 bis 2024 etwa 66,5 Milliarden Euro. Vermutlich würde die Rückzahlung automatisch über das Finanzamt laufen.
Wer zahlt noch Soli?
Der Soli wird als Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer sowie Kapitalerträge erhoben und beträgt 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer. Nachdem es 1991/1992 zunächst einen zeitlich befristeten Vorläufer gegeben hatte, wurde der Zuschlag 1995 vor dem Hintergrund des zusätzlichen Finanzbedarfs der Deutschen Einheit unbefristet eingeführt. Das Geld ist aber - wie alle Steuereinnahmen - nicht zweckgebunden und fließt in den Bundeshaushalt.
Bis Ende 2020 mussten fast alle Bürgerinnen, Bürger und Betriebe in Ost und West den Solidaritätszuschlag zahlen. Seit 2021 zahlen ihn nur noch Besserverdienende, Unternehmen und Kapitalanleger. Für 90 Prozent der Steuerpflichtigen wurde er im Rahmen des „Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995“ abgeschafft, für weitere 6,5 Prozent zumindest zum Teil.
Dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge zahlten zuletzt noch rund sechs Millionen Menschen und 600.000 Kapitalgesellschaften die Abgabe. In diesem Jahr müssen laut Finanzministerium diejenigen Soli zahlen, die mindestens 19.950 Euro Steuern auf ihr Einkommen ableisten. Teilweise fällig wird die Abgabe damit für alle Ledigen mit einem zu versteuernden Einkommen ab etwa 73.500 Euro. Der volle Soli ist ab einem zu versteuernden Einkommen von rund 114.300 Euro zu zahlen. Für Verheiratete oder Steuerpflichtige mit Kindern liegen die Grenzen höher.
Warum wird gegen den Soli geklagt?
Die Beschwerdeführer meinen, der Zuschlag sei mit Auslaufen des sogenannten Solidarpakts II verfassungswidrig geworden. Mit diesem Pakt flossen finanzielle Sonderleistungen des Bundes zur Bewältigung der Folgen der deutschen Teilung an die ostdeutschen Bundesländer. So sollte nicht nur die Infrastruktur ausgebaut, sondern auch die Finanzkraft der Kommunen gestärkt und die Wirtschaft gefördert werden.
Der Solidarpakt II lief Ende 2019 aus. „Der Zweck des Solidaritätszuschlags ist damit inzwischen weggefallen“, sagte Toncar der Deutschen Presse-Agentur. Wenn er nicht abgeschafft werde, drohe eine „Soli-Endlosschleife“.
Die Kläger argumentieren zudem, dass Bezieher verschiedener Einkommen inzwischen ungleich behandelt würden, weil die Abgabe 2021 nur für einen Teil der Bürger abgeschafft wurde.
Wie argumentiert die Bundesregierung?
Die inzwischen nur noch geschäftsführende Bundesregierung argumentiert, die Wiedervereinigung verursache weiterhin Kosten - zum Beispiel bei der Rentenversicherung und am Arbeitsmarkt. Außerdem sei eine soziale Staffelung bei der Besteuerung ausdrücklich erlaubt, heißt es im Finanzministerium.
Gibt es bereits Urteile zum Soli?
Es ist nicht das erste Mal, dass ein hohes deutsches Gericht über den Soli entscheidet. Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hatte 2023 eine Klage gegen den Zuschlag abgelehnt und ihn für verfassungskonform erklärt. Die Kläger - ein Ehepaar aus Aschaffenburg - hatten zusammen mit dem Bund der Steuerzahler eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gefordert. Laut BFH-Urteil legte der Bund aber schlüssig dar, dass die Wiedervereinigung weiter erhöhten Finanzbedarf verursache, auch wenn die Solidarpakte zur Finanzierung der Einheitslasten ausgelaufen seien.