Kohleausstieg spätestens 2038

Eine Kommission legt den Abschied von der Kohle fest: Es geht um saubere Versorgung mit Energie

Energie - Nach dem Atomausstieg will Deutschland als einer der ersten großen Industriestaaten auch aus der Kohle aussteigen. Nach langem Gezerre gibt es ein empfohlenes Ausstiegsdatum – und ein ziemlich teures Preisschild.

Frage: Wanngeht der letzte Kohlemeiler vom Netz?

Antwort: Aktuell werden in mehr als 100 Kohlekraftwerksblöcken noch knapp 40 Prozent des Stroms in Deutschland produziert. Laut Kommission soll spätestens 2038 das letzte Kraftwerk abgeschaltet werden. Neue Kohlemeiler sollen nicht mehr genehmigt werden. 2032 empfiehlt das Gremium Zwischenbilanz zu ziehen, um zu überprüfen, ob der Ausstieg auf 2035 vorverlegt werden kann. Das hängt davon ab, ob es gelingt, den Anteil der erneuerbaren Energien wie geplant von heute 38 Prozent auf 65 Prozent in 2030 zu steigern.

Frage: Was passiert in der Zwischenzeit?

Antwort: Bis 2022 will die Kommission Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von etwa fünf Gigawatt und Steinkohlekraftwerke mit einer Leistung von 7,7 Gigawatt vom Netz nehmen. Das ist mehr, als zeitweilig erwartet worden war. In der Folgezeit soll es bis 2030 eine weitgehend kontinuierliche Abschaltung weiterer Kohlemeiler bis 2030 geben. In welcher Reihenfolge sie vom Netz gehen, hat die Kommission offengelassen. Darüber müssten Gespräche zwischen Bundesregierung und Betreibern geführt werden, forderte das Kommissionsmitglied Barbara Praetorius. Die Betreiber sollen bei Stilllegungen bis 2030 entschädigt werden. Je älter ein Kraftwerk ist, desto geringer soll die Summe sein. Betriebsbedingte Kündigungen sollen ausgeschlossen sein und unbillige Härten sowie wirtschaftliche Nachteile für die Beschäftigten vermieden werden.

Frage: Wie geht es politischweiter?

Antwort: „Hier ist Schwerstarbeit geleistet worden“, hat Ex-Kanzleramtschef Roland Pofalla (CDU), Vorsitzender der Kohlekommission, am Samstag bei der Präsentation der Empfehlungen zum Kohleausstieg in Berlin betont. Dass es der 28-köpfigen Kommission, in der von den Ökoverbänden über die Energiewirtschaft bis zu den Kohlerevieren alle Interessengruppen vertreten waren, gelungen ist, Leitplanken für den Umbau der Energiewirtschaft zu vereinbaren, lobte er als „historischen Kraftakt“. Es gab nur eine Gegenstimme. Aber Pofalla drückte auch aufs Tempo: „Meine Erwartung an die Bundesregierung und die betroffenen Länder ist, bis Ende April die Eckpunkte für ein Maßnahmengesetz vorzulegen.“ Dieses soll festschreibt, wie der Bund den Strukturwandel genau fördern will. 5000 neue Arbeitsplätze durch die Bundesregierung bis 2028 hält die Kommission für „angemessen“. Vor allem Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ist jetzt gefragt. Am Donnerstagabend wollen die Ministerpräsidenten mit ihm und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beraten. Denkbar ist eine verstärkte Ansiedlung von Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen in den Kohleregionen.

Frage: Was kostendie Hilfen?

Antwort: Die Kosten der Hilfen beziffert die Kommission auf zusätzlich 1,3 Milliarden Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt, die 20 Jahre lang gewährt werden. Das Maßnahmengesetz könnte das erste Gesetz werden, das die Regierung zum Kohleausstieg auf den Weg bringt und das Bundestag und Bundesrat noch 2019 beschließen. Die Kohleregionen sollen darüber hinaus Gelder erhalten. Weitere 700 Millionen Euro jährlich sollen 20 Jahre lang bereitgestellt werden, um auf noch nicht absehbare Nöte beim Wandel zu reagieren. Insgesamt summiert sich das auf 40 Milliarden Euro.

Frage: Wie sinddie Reaktionen?

Antwort: Im Großen und Ganzen überraschend positiv. „Besser schlechten Klimaschutz als gar keinen Klimaschutz“, meint etwa der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. Die Energiewirtschaft lobte die Planungssicherheit. Die meisten Umweltverbände hätten sich einen schnelleren Kohleausstieg gewünscht, waren aber mit dem Gesamtpaket einverstanden. Die Grünen forderten „zügig weitere ambitionierte Maßnahmen“, um das Klimaziel für 2030 tatsächlich zu erreichen. Die Bundesregierung zeigte sich zufrieden. „Wir richten die Energieversorgung der Industrienation Deutschland komplett neu aus“, sagte Finanzminister Scholz. Die schärfste Kritik kommt von einer, die gerade den Wirtschaftsbossen in Davos die Leviten gelesen hat: Die 16 Jahre alte Klimaaktivistin Greta Thunberg bezeichnet den deutschen Ausstiegsplan bis 2038 als „beschämend und inakzeptabel“.

Frage: Waswird mit dem Strompreis?

Antwort: Schon bis jetzt ist das Strompreisniveau für Privathaushalte und Unternehmen relativ hoch. Falls es zu Preissteigerungen kommt – was innerhalb der Kommission umstritten ist –, soll es von 2023 an einen Zuschuss geben, um den Preisanstieg zu dämpfen. Aus heutiger Sicht sei dafür eine Summe pro Jahr von zwei Milliarden Euro erforderlich; exakt ­solle das aber erst 2023 festgelegt werden.

Frage: Bleibtjetzt der Hambacher Forst?

Antwort: Der Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen ist zum Symbol des Protestes gegen den Braunkohletagebau geworden. Die Kommission hat seinen Erhalt jetzt als „wünschenswert“ eingestuft. Der Naturschutzbund (Nabu) sieht den Erhalt des Waldes nun als gesichert an.

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Erstellt:
29. Januar 2019, 11:22 Uhr

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