Kommentar: Merz’ Tabubruch verändert das Land
Kommentar: Merz’ Tabubruch verändert das Land
Von Tobias Peter
Es war ein bewegender Moment, als Kanzler Olaf Scholz über eine Begegnung am Tag nach der Gewalttat von Aschaffenburg berichtete. Ein Mann aus Afghanistan hatte ihm gesagt, er wolle den Deutschen versichern: Diese Tat erschüttere ihn wie alle anderen. Auch für gut integrierte Menschen mit Einwanderungsgeschichte ist eine gelungene Debatte über Migration wichtig.
Das ist im Bundestag an diesem Mittwoch nicht gelungen. Was zu hören und beobachten war, wirft die Frage auf, wie es den demokratischen Parteien nach der Wahl überhaupt gelingen soll, zusammenzukommen. Für die Zerrüttung trägt Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz eine große Verantwortung. Wer ihn kennt, weiß, dass er nicht mit der AfD koalieren will. Mit der Ansage, es sei ihm egal, ob für seinen Antrag zur Migrationspolitik eine Mehrheit auch mit Stimmen der AfD zusammenkomme, hat er aber ein Tabu gebrochen. Dass diese Mehrheit nun zustande gekommen ist, wird dauerhaft Spuren im politischen System hinterlassen. Die Republik hat sich an diesem Tag derart verändert, dass sich Historiker noch damit beschäftigen dürften.
Wer die Tür zur Zusammenarbeit nur einen Spalt weit aufmacht, muss befürchten, dass sie irgendwann kraftvoll aufgestoßen wird. Die in Teilen rechtsextreme AfD konnte sich nie so mächtig fühlen. Das hat dauerhaft politische Folgen – nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund.