SPD-Abgeordnete zu den Koalitionsverhandlungen
Kommt das Sexkaufverbot? – „Wir waren noch nie so nah dran“
Bei den Koalitionsverhandlungen sitzt mit der CDU eine Partei am Tisch, die sich für ein Sexkaufverbot für Freier und für Ausstiegshilfen für Prostituierte ausspricht. Leni Breymaier (SPD) kämpft für einen Politikwechsel. Wie sieht sie jetzt die Chancen dafür?

© /Lichtgut/Ferdinando Iannone
Leni Breymaier fordert seit langem eine Änderung der Prostitutionsgesetzgebung.
Von Hilke Lorenz
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier war bisher eine der vehementesten Gegnerinnen der aktuellen Prostitutionsgesetzgebung. Sie wird dem neuen Bundestag nicht mehr angehören. Mit 64 Jahren hat sie nicht mehr kandidiert. Findet das Thema, für das sie seit Jahren gekämpft hat, nun Aufnahme in einen möglichen Koalitionsvertrag? Ein Gespräch darüber, wie die Chancen für das Nordische Modell stehen.
Frau Breymaier, glauben Sie, dass angesichts der Weltlage die Änderung der Prostitutionsgesetzgebung hin zum Nordischen Modell noch auf der Themenliste der potenziellen Koalitionspartner steht?
Angesichts der Weltlage ist es gerade wichtig über das Thema zu sprechen. Die Autokraten in Russland, der USA und in anderen Staaten schieben die Welt politisch nach rechts. Wenn Demokratien geschliffen werden, werden als erstes Frauenrechte geschliffen. Und Prostitution ist ein feministisches Thema. Außerdem gibt es durch Kriege und politische Unsicherheit mehr Flüchtlinge. Frauen gehören da zu den vulnerablen Gruppen, die dann noch mehr in Gefahr sind, Opfer von Menschenhandel zu werden.
Wie sehen Sie die Chancen für das Nordische Modell?
Ich glaube, dass wir noch nie so nah dran waren, dass sich etwas verbessert. Ich bin zwar nicht begeistert, dass die Union die Bundestagswahl gewonnen hat. Aber die CDU ist die einzige Partei, die als Fraktions- als auch als Parteitagsbeschluss festgelegt hat, dass sie das Nordische Modell in Deutschland einführen will.
Aber wird es auch Teil eines möglichen Koalitionsvertrags?
Während wir reden, sind wir in Berlin zwischen Sondierungs- und Koalitionsgesprächen. Ich weiß zwar nicht, um was es da im Detail inhaltlich geht. Aber ich sehe, dass von der Union Dorothea Bär dabei ist. Für die SPD ist es Saskia Esken. Dorothea Bär ist mit aller Kraft auch gegen erbitterte Widerstände und Anfeindungen am Thema dran geblieben. Dafür hat sie meinen absoluten Respekt. Saskia Esken kommt aus Baden-Württemberg. Hier haben wir einen ganz klaren Landesparteitagsbeschluss, dass wir für die Einführung des Nordischen Modells sind. Aber das ist nicht die Haltung der gesamten SPD. Es wird diskutiert. Aber das Thema findet statt.
Die Frage ist doch aber, für wie drängend das Thema gesehen wird. Und ob dafür Zeit bleibt.
Ich hatte jetzt drei Mal das Privileg, an Koalitionsverhandlungen beteiligt gewesen zu sein. Sowohl in der ersten Verhandlungsgruppe wie auch in den nachfolgenden Verhandlungsgruppen. Am Ende werden Themen aufgeteilt und der Spitzenverhandlungsgruppe wieder zugearbeitet. In einer dieser Untergruppen wird wohl auch das Thema Prostitution sein. Dort werden sich die Fachleute damit befassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einen Koalitionsvertrag gibt, in dem das Thema nicht stattfindet.
Ist die Gesellschaft auch so weit?
Sie ist auf jeden Fall so weit, dass sie sagt: So wie es im Moment zugeht, kann es nicht bleiben. Da bin ich ganz sicher. Vor ein paar Jahren gab es eine Umfrage, da sagte die Mehrheit, sie könne sich das Nordische Modell in der Praxis nicht vorstellen. Aber es reicht halt einfach nicht, nur Ausstiegshilfen anzubieten. Das hieße ja, wenn die Frauen an Seele und Körper kaputt von ihrer Tätigkeit sind, schickt man sie zu den Ausstiegsstellen. Und es kommen endlos neue Frauen nach auf den Markt. Das heißt: Man muss die Nachfrage reduzieren. Und dann sind wir ja schon beim Nordischen Modell.
Und danach gibt es keine Prostitution mehr?
Es ist vieles verboten und findet dennoch statt. Diebstahl und Mord. Es ist verboten und die Gesellschaft hat eine Haltung dazu. Und die Haltung ist: wir wollen das nicht. Diese Haltung gibt es gegenüber der Prostitution in Schweden, in Deutschland nicht. Es geht um die Umkehr der Perspektive. Prostitution wird es weiter geben. Das Nordische Modell taugt nicht dazu, Prostitution abzuschaffen. Das wird uns nicht gelingen. Aber es ist das beste aller möglichen Modell. Mir fällt nichts Besseres ein.
Sie haben nicht nur als Bundestagsabgeordnete über die Fraktionsgrenzen hinweg gegen Prostitution gekämpft, sondern auch an anderen Orten. Hat sich der Einsatz gelohnt?
Als ich angefangen habe, galten die Gegner insbesondere die Gegnerinnen der Bordellbetreiber als prüde und verklemmt. Das hat sich in den letzten 20 Jahren gedreht. Wir haben geschafft, dass über Prostitution geredet wird. Im Tatort oder in Spielfilmen wird Prostitution nicht mehr wie in „Pretty Woman“ dargestellt. Das ist ein Erfolg. Erreicht haben wir, dass eine große Partei einen konkreten Beschluss dazu hat, dass in der SPD diskutiert wird und dass auch die Grünen in ihrem Parteiprogramm den Satz haben: So wie es ist, kann es nicht bleiben. Auch bei der Linken wird diskutiert. Bei denen, die am Ende entscheiden, gibt es Denkprozesse. Die Lobby der Bordellbetreiber dringt mit ihren Schönfärbereien nicht mehr durch.
Und wie sehr schmerzt es, dass Sie vor Gericht gegen einen Bordellbetreiber wegen einer Äußerung in einer Fernsehdiskussion verloren haben?
Wer verliert schon gerne vor Gericht. Was mich tröstet, ist mein Wissen, dass ich am Ende siegen werde. Nicht vor Gericht. Aber gesellschaftlich.
Hintergrund
Person Leni Breymaier (64) war von 2017 bis 2025 (Wahlkreis Aalen-Heidenheim) Bundestagsabgeordnete, von 2017 bis 2019 gehörte sie zum SPD-Präsidium. Sie ist zudem Vorstandsmitglied des Vereins Sisters – Für den Ausstieg aus der Prostitution.
Nordisches Modell Der Name kommt aus Schweden. Dort ist seit 1999 der Sexkauf durch Freier strafbar. Andere Länder wie Frankreich haben sich angeschlossen. Prostituierte werden nicht bestraft, wenn sie Sex verkaufen. Es werden ihnen jedoch Hilfsangebot zum Ausstieg gemacht. Polizei- und Sozialarbeit gehen dort Hand in Hand.