Energiequelle Wasserstoff

Kommt Wasserstoff in Zukunft aus den Tiefen der Erde?

Wird Wasserstoff verbrannt, entsteht nur Wasser als Abfall. Das macht ihn attraktiv für die angestrebte klimafreundliche Produktion. Das Problem: Es wird sehr viel benötigt. Kann das gelingen?

Wasserstoff muss  chemisch erzeugt werden,  beispielsweise durch die Elektrolyse von Wasser oder die Methan-Reduktion.

© dpa/Jan Woitas

Wasserstoff muss chemisch erzeugt werden, beispielsweise durch die Elektrolyse von Wasser oder die Methan-Reduktion.

Von Markus Brauer/dpa

In einem klimaneutralen Wirtschaftssystem soll Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. CO2-neutral erzeugt soll das Gas etwa in neuen Gaskraftwerken Strom erzeugen, wenn nicht genug Wind- und Sonnenstrom da ist. In Hochöfen zur Stahlherstellung soll Wasserstoff anstelle von Koks zum Einsatz kommen und so riesige Mengen Kohlendioxid vermeiden. Benötigt werden große Mengen. Doch woher sollen sie kommen?

Pläne für eine starke Ausweitung von Herstellung und Import von Wasserstoff gibt es gleichwohl schon länger. Ein Überblick über den Stand der Forschung:

Wichtiger Energieträger und Mangelware

Wasserstoff gilt als wichtiger Energieträger der Zukunft, das Gas ist aber schon jetzt Mangelware. Denn der Wasserstoff muss erst chemisch erzeugt werden, beispielsweise durch die Elektrolyse von Wasser oder die Methan-Reduktion. Natürliche Vorkommen im Untergrund galten bisher als nicht vorhanden oder zu klein für eine rentable Ausbeutung. Denn anders als Erdgas ist Wasserstoff extrem flüchtig und entweicht daher schnell aus dem Gestein. Zudem wird er von Mikroben der tiefen Biosphäre schnell verwertet und abgebaut.

Doch in den letzten Jahren mehren sich Hinweise darauf, dass es in der Erde doch geologische Wasserstoffvorkommen geben könnte. Geologen haben unter anderem in Mali und in Albanien Indizien für größere unterirdische H2-Reservoir gefunden. Unklar blieb aber, ob es sich bei diesen Wasserstoffreservoiren um seltene Ausnahmen handelt, oder um ein weiter verbreitetes Phänomen.

Wie viel Wasserstoff liegt unter der Erde?

Jetzt gibt es genauere Informationen. Geoffrey Ellis und Sarah Gelman vom US-Geological Survey (USGS) nutzten für ihre im Fachmagazin „Science Advances“ erschienen Studie Daten zu Entstehung, Transport und Abbau von Wasserstoff im Untergrund, um mithilfe eines Modells die mögliche Menge unterirdischen Wasserstoffs weltweit zu errechnen.

Dafür verglichen sie, wie viel Wasserstoff in verschiedenen Gesteinstypen entsteht und wie viel davon in Form von Reservoiren erhalten bleiben könnte.

SCIENTIFIC DISCOVERYExciting research from Geoffrey Ellis, petroleum geochemist at the USGS reveals 6.2 trillion tons of hydrogen gas buried deep within the Earth, potentially enough to power the planet for the next 1,000 years!Could this discovery significantly help in… pic.twitter.com/U2NXIUoPb1 — Jamie C. Phiri (@JamiePhiri_AJ) January 19, 2025

„Unsere Analysen deuten darauf hin, dass es unter der Erdoberfläche eine substanzielle Wasserstoff-Ressource gibt“, berichten Ellis und Gelman. „Sollte sich dies bestätigen, könnte dieser Wasserstoff signifikant zur Dekarbonisierung unserer Energieversorgung beitragen.“

Konkret ermittelten sie eine globale Menge von 10.000 bis zehn Millionen Tonnen natürlichen Wasserstoffs im Untergrund. „Der wahrscheinlichste Wert sind rund 5,6 Millionen Tonnen Wasserstoff.“

Genug Energie für 200 Jahre

Wo und wie tief diese Wasserstoff-Reservoire liegen und wie gut sie zugänglich sind, geht aus den Analysen nicht hervor. Nach Einschätzung der Geologen wird aber nur ein Teil dieses unterirdischen Wasserstoffs auch nutzbar sein. „Aufgrund der Erfahrungen mit Erdöl und anderen Fluiden im Untergrund ist es wahrscheinlich, dass der unterirdische Wasserstoff oft in Vorkommen liegt, die zu tief, zu weit von der Küste entfernt oder zu klein sind, um wirtschaftlich rentabel gefördert zu werden“, schreiben Ellis und Gelman.

Aber selbst wenn man nur zwei Prozent der unterirdischen Wasserstoffvorkommen fördern würde – rund 100.000 Tonnen H2 – könnte dies einen enormen Zugewinn an nutzbarer Energie bedeuten.

„Allein diese Gasmenge enthielte rund 14 Billiarden Joule Energie. Das ist ungefähr doppelt so viel wie die rund 8,5 Billiarden Joule in allen bekannten Gasreserven der Erde zusammen“, erklären die Forscher. Diese Energie sei immerhin ausreichend, um den globalen Energiebedarf für rund 200 Jahre lang mit Netto-Null-Emissionen zu decken.

Potenzielle unterirdische Vorkommen

Jetzt haben Ellis und Gelman auch eine erste Karte der potenziellen unterirdischen Wasserstoffvorkommen erstellt – zunächst nur für die USA. „Diese Karte ist die weltweit erste dieser Art im kontinentalen Maßstab“, so der USGS.

Dafür ermittelten die Geologen, welche Gebiete in den USA die nötigen geologischen Voraussetzungen aufweisen – geochemische Quellen des Wasserstoffgases, geeignete Reservoirgesteine und undurchlässige Barrieren, um das Gas am Entweichen zu hindern.

Erste Karte des Wasserstoffpotenzials

Das Ergebnis ist eine Karte, die das potenzielle Vorkommen von unterirdischem Wasserstoff in relativen Werten darstellt. Der Index reicht von Null für Regionen mit wahrscheinlich keinem Wasserstoff bis zu Eins für Gebiete mit hohem Förderpotenzial (in der Karte in blau markiert). „Diese Karte ist spannend, denn sie enthüllt, dass einige Gebiete der USA unterirdische Wasserstoffreservoire aufweisen könnten“, erläutert Sarah Ryker, Leiterin für Energie und Minerale beim USGS.

Der Karte zufolge könnte sich demnach eine gezielte Suche nach geologischem Wasserstoff vor allem in Michigan und Teilen des Mittleren Westens lohnen, außerdem im Südwesten der USA und in einigen östlichen Bundestaaten. „Diese Wasserstoffkarte ist ein wichtiger erster Schritt in der Erkundung dieser wertvollen Energieressource der Zukunft“, schreibt das USGS.

Wird in Deutschland schon jetzt Wasserstoff gebraucht?

Ja, und zwar nicht zu knapp. Verbraucht werden laut Nationaler Wasserstoffstrategie (NWS) jährlich rund 1,65 Millionen Tonnen Wasserstoff mit einem Energiegehalt von rund 55 Terawattstunden vor allem von der chemischen Industrie.

Wie wird er hergestellt?

Gewonnen wird er bisher überwiegend aus Methan, also dem Hauptbestandteil von fossilem Erdgas. Dabei fällt das Treibhausgas Kohlendioxid an. Auf diese Weise hergestellter Wasserstoff wird oft als „grau“ bezeichnet.

Wie viel wird in Zukunft benötigt?

Die jüngste Fassung der Wasserstoffstrategie nimmt für das Jahr 2030 einen zusätzlichen Wasserstoffbedarf zwischen 40 bis 75 Terawattstunden an. Zusammen mit dem aktuellen Bedarf ergibt sich daraus ein Gesamtbedarf von 95 bis 130 Terawattstunden. Enthalten sind darin auch Wasserstoffverbindungen wie beispielsweise Ammoniak oder Methanol.

Energieexpertin Dana Kirchem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält den angenommenen Bedarf für plausibel. „Die Bedarfsschätzung für 2030 in der NWS deckt sich mit den Einschätzungen zentraler Szenarienstudien.“

Woher soll dieser Wasserstoff kommen?

Zu einem großen Teil aus dem Ausland. 2030 müssen laut Strategie 50 bis 70 Prozent importiert werden. Der Wasserstoff und die Wasserstoffverbindungen sollen dort produziert werden, wo viel Sonnen- und Windstrom verfügbar ist, etwa auf See oder in sonnenreichen Regionen. Mit Pipelines und Schiffen soll der Wasserstoff dann nach Deutschland kommen.

Der Rest soll im Inland produziert werden, vor allem in großen Anlagen – sogenannten Elektrolyseuren. Darin wird Wasser mit Hilfe von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Kommen dabei erneuerbare Energien zum Einsatz, wird der Wasserstoff „grün“ genannt. Die NWS nennt als Ziel für das Jahr 2030 Elektrolyseure mit einer Leistung von mindestens 10.000 Megawatt (= 10 Gigawatt).

Wie realistisch ist das Ziel für die heimische Elektrolyse?

Laut Elektrolyse-Monitor sind derzeit knapp 154 Megawatt Elektrolyseleistung installiert. Bis 2030 sind demnach Elektrolyseprojekte mit insgesamt 13.400 Megawatt angekündigt. DIW-Expertin Kirchem nennt das Kapazitätsziel von 10 Gigawatt „ambitioniert“. „Wenn alle in Deutschland angedachten Projekte erfolgreich umgesetzt werden, könnte dieses Ziel erreicht werden. Dafür müssten aber alle Projekte, die sich bisher lediglich in der Konzeptphase befinden oder bei denen derzeit noch eine Machbarkeitsstudie durchgeführt wird, realisiert werden.“

Was ist mit dem geplanten Import?

Beim Import von grünem Wasserstoff besteht laut Kirchem die größte Unsicherheit in Bezug auf die zukünftigen Preise. „Es wurden bereits einige Wasserstoffpartnerschaften geschlossen. Es gibt Abkommen mit insgesamt zwölf Ländern und es gibt Absichtserklärungen mehrerer Länder, Elektrolysekapazitäten aufzubauen.“ Es sei allerdings noch sehr unsicher, welche Preise sich auf dem Weltmarkt etablieren.

Sollten auch private Haushalte auf Wasserstoff setzen?

Kirchem ist da skeptisch. „Die meisten Studien gehen davon aus, dass grüner Wasserstoff aufgrund anfänglicher Knappheit vor allem in der Industrie eingesetzt wird, um die Prozesse zu dekarbonisieren, bei denen kein grüner Strom genutzt werden kann.“

Endverbraucher, die auf Wasserstoff in Pkw oder Heizungen setzen, setzten sich dem Risiko hoher Preise in der Zukunft aus. „Daher kommt zu den Herausforderungen des Markthochlaufs auch die Aufgabe, dies den Verbrauchern transparent zu vermitteln, um nicht am Ende die Akzeptanz der Rolle des Wasserstoffs in der Energiewende zu gefährden.“

Zum Artikel

Erstellt:
22. Januar 2025, 15:44 Uhr
Aktualisiert:
22. Januar 2025, 17:03 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen