Drohende Zahlungsunfähigkeit
Krankenkassen fürchten Pleitewelle
Die Krankenkassen haben zu Jahresbeginn die Beiträge massiv erhöht. Doch das reicht offenbar nicht. Kassenchefs warnen: Manche Krankenkasse steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit.
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© dpa/Franziska Gabbert
Die Krankenkassen schätzen das Defizit für 2024 auf sechs Milliarden Euro. In der gesetzlichen Pflegeversicherung ist die Lage ähnlich dramatisch.
Von Markus Brauer/KNA
Die Krankenkassen schlagen Alarm: „Die Schere zwischen den Beitragseinnahmen und den Ausgaben im Gesundheitssystem geht immer weiter auseinander. Und die Politik tut nichts dagegen“, sagte der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, am Freitag (21. Februar). Es sei nicht abzusehen, wann Beitragserhöhungen an ein Ende kämen.
Zuvor hatte der Vorstandsvorsitzende der Krankenkasse DAK, Andreas Storm, die Finanzsituation der Krankenkassen als katastrophal bezeichnet. Er erklärte, es drohe ein Domino-Effekt wegen Zahlungsunfähigkeit. Die Krankenkassen schätzen das Defizit für 2024 auf sechs Milliarden Euro. In der gesetzlichen Pflegeversicherung sieht Storm eine ähnlich dramatische Lage.
Kritik an versicherungsfremden Leistungen
Baas kritisiert vor allem versicherungsfremde Leistungen, die der Staat den Versicherten aufbürde. Allein beim Bürgergeld blieben neun Milliarden Euro jährlich an den Krankenkassen hängen, obwohl diese Kosten eigentlich der Steuerzahler begleichen müsste.
Im Moment bekämen die Kassen rund 100 Euro Beitrag vom Staat für jeden Bürgergeldempfänger. „Wir haben aber Kosten von über 300 Euro. Die rund 200 Euro Differenz zahlen dann unsere Mitglieder und die Arbeitgeber, die Privatversicherten bleiben außen vor.“
Baas verwies darauf, dass gesetzliche Versicherte und Arbeitgeber auch bei der Krankenhausreform mit insgesamt 25 Milliarden zur Kasse gebeten würden und damit eine eigentlich staatliche Aufgabe übernehmen müssten. Die TK ist mit 12,7 Millionen Kunden die größte deutsche Krankenversicherung.
Reserven der Krankenkassen auf niedrigem Stand
DAK-Chef Storm hatte zuvor unter Verweis auf die Bankenkrise 2008/2009 erklärt, wenn ein halbes Dutzend Krankenkassen mit deutlich über einer Million Versicherten in die Zahlungsunfähigkeit rutschten, dann könnte das das gesamte System an den Rand des Zusammenbruchs führen.
Es habe „noch nie“ die Situation gegeben, dass die Reserven der Krankenkassen auf einem so niedrigen Stand waren wie zurzeit, erläuterte er. Aktuell reichten die Reserven, um Ausgaben für etwa 2,5 Tage zu decken. Storm erwartet weitere Erhöhungen der Zusatzbeiträge der Krankenkassen für die Versicherten noch im Verlauf dieses Jahres.
Defizit auch bei Pflegekassen
Mit Blick auf die Pflegekassen sagte der DAK-Chef, nach internen Berechnungen der DAK-Gesundheit werde deren Defizit für 2024 bei 1,54 Milliarden Euro liegen. Die Beitragssatzerhöhung um 0,2 Prozentpunkte zu Jahresbeginn werde nicht reichen. Die gesetzlich geforderte Mindestreserve in Höhe einer Monatsausgabe werde voraussichtlich wiederum unterschritten.
Im März sieht Storm durchaus die Gefahr, dass einzelne Pflegekassen „nicht mehr alle ihre Rechnungen bezahlen können“. Dann stelle sich die Frage: „Reicht das Geld, das als Liquiditätshilfe im Ausgleichsfonds liegt?“ Aus Mitteln des Ausgleichsfonds, der vom Bundesamt für Soziale Sicherung verwaltet wird, speist sich unter anderem der Pflegevorsorgefonds, der künftige Beitragssteigerungen abfedern soll.