Kreis will Wohncontainer vermarkten

Verkauf ungenutzter Flüchtlingsunterkünfte ruft Steuerzahlerbund auf den Plan – Teure Verschrottung soll vermieden werden

Der Landkreis verfügt über eine größere Anzahl Containeranlagen, die er 2016 als Flüchtlingsunterkünfte angeschafft und eingelagert, aber nie verwendet hat. Jetzt sollen die mobilen Wohnstätten verkauft werden – mutmaßlich mit herbem Verlust. Das hat den Bund der Steuerzahler auf den Plan gerufen, der kritische Fragen zu dem Vorgang stellt.

Der Landkreis verkauft über das bundeseigene Verwertungsunternehmen Vebeg insgesamt 420 Container, die er zur Flüchtlingsunterbringung angeschafft hat. Ein Teil der Module ist in Kirchberg an der Murr eingelagert. Der Erste Landesbeamte Michael Kretzschmar (links) und Ramón Olivera von der Kreisbaugruppe werfen noch einmal einen Blick auf die am Ende doch nicht benötigten Wohnstätten. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Der Landkreis verkauft über das bundeseigene Verwertungsunternehmen Vebeg insgesamt 420 Container, die er zur Flüchtlingsunterbringung angeschafft hat. Ein Teil der Module ist in Kirchberg an der Murr eingelagert. Der Erste Landesbeamte Michael Kretzschmar (links) und Ramón Olivera von der Kreisbaugruppe werfen noch einmal einen Blick auf die am Ende doch nicht benötigten Wohnstätten. Foto: J. Fiedler

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN/KIRCHBERG AN DER MURR. An mehreren Orten im Kreis sind die insgesamt 420 Container gelagert, die der Landkreis nun loswerden möchte. Allein in Kirchberg an der Murr sind es 177, in Waiblingen-Beinstein weitere 243. In Rudersberg liegen darüber hinaus noch einzelne Komponenten und Zubehör.

Die Bauteile, die gar nicht erst für den Bezug aufgebaut wurden, sollten insgesamt sieben Wohnanlagen möglich machen – fünf für jeweils 102 Personen und zwei für jeweils 60 Personen, zusammen also 630 Personen. Das geht aus der Ausschreibung auf www.vebeg.de hervor. Die Vebeg, das Verwertungsunternehmen des Bunds, ist beauftragt, Angebote einzuholen. Die Frist läuft bis 28. Februar.

Für den Bund der Steuerzahler, der ein wirtschaftliches und sparsames Finanzgebaren der öffentlichen Hand einfordert, wirft das Vorhaben Fragen auf – etwa nach dem Zeitpunkt des Kaufs, nach dem Kaufpreis, nach möglichen Schäden an den Containern und nach laufenden Kosten für den Unterhalt sowie letztendlich auch nach dem erhofften Wiederverkaufspreis. Zu Letzterem möchte der Erste Landesbeamte Michael Kretzschmar wegen des laufenden Verfahrens keine Aussage treffen. Klar ist für ihn aber, dass vom Kaufpreis deutliche Abstriche zu machen sind. Er verweist zugleich darauf, dass das Vebeg-Portal eine etablierte Verwertungsplattform darstelle, um europaweit Interessenten aufzutun.

Die Container, die inzwischen witterungsbedingte Nässe- und Standschäden sowie Einbruchspuren aufweisen, seien in der Hochphase der Flüchtlingskrise beschafft worden, erläutert Kretzschmar und verdeutlicht die Umstände Ende 2015 und die Entwicklung seitdem. Damals seien im Monat rund 1000 Personen in den Kreis gekommen, die unterzubringen waren, 200 pro Woche. „Der Bedarf an Wohnraum war exorbitant.“ Aber weder vom Bund noch vom Land habe es verbindliche Zahlen für die Unterbringung gegeben. Man habe daher eine eigene Planung aufgestellt. Danach wären, Stand Ende 2015, bis Jahresende 2016 etwa 10300 Plätze zu schaffen gewesen. Vorhanden waren aber nur rund 3900, darunter auch Betten in Sport- und Fabrikhallen, teils sogar in Zelten, etwa in Kirchberg. Solche Notunterkünfte sollten schnellstmöglich wieder aufgelöst werden, nicht zuletzt, weil sie ein erhebliches Konfliktpotenzial bargen. „Es musste“, ruft Kretzschmar in Erinnerung, „zwingend eine längerfristige Lösung gefunden werden.“ Es galt, den vielen Menschen ein Obdach zu geben und die Unterbringungskapazitäten rasch auszuweiten. Vor diesem Hintergrund – immense Zuweisungsraten und enormer Druck zur Wohnraumschaffung – entschied die Kreisverwaltung, einen Teil der rund 6000 benötigten Plätze mit Containern zu schaffen. Verschiedene Firmen seien angefragt und ein Preisspiegel erstellt worden, ein förmliches Vergabeverfahren sei aber, so Kretzschmar auf die entsprechende Frage des Bunds der Steuerzahler, wegen der Eilbedürftigkeit nicht erforderlich gewesen. Stattdessen habe man den Auftrag, „wie für diese Fälle vorgesehen“, auf der Grundlage von Vergleichsangeboten freihändig vergeben. Alle Hersteller, so Kretzschmar weiter, hätten damals Engpässe gemeldet. Nur einer – Corimec in Italien – habe „kurzfristig und verlässlich“ liefern können. Also sicherte sich der Landkreis ein Kontingent von 20 Wohnsystemen in Modulen. Pro System lag eine Kapazität von 102 Plätzen zugrunde, so ergaben sich 2040 Plätze. Die ersten Unterkünfte wurden ab April 2016 aufgebaut.

Finanziert wurden die Anlagen über ein Leasingmodell, bei dem sich die Kosten über einen Zeitraum von fünf Jahren verteilen. Zugleich wurde ursprünglich eine Nutzungsdauer von zehn Jahren angenommen. Damit sei die Gesamtbelastung mit knapp unter 100 Euro pro Person und Monat (kalt) gegenüber den damals üblichen Preisen für Mietobjekte „die mit Abstand wirtschaftlichste Alternative“ gewesen. In anderen Objekten habe der Kreis, so Kretzschmar, bis zu 350 Euro akzeptieren müssen.

Im Lauf des Jahres 2016, insbesondere nach Schließung der sogenannten Balkanroute, gingen die Flüchtlingszahlen spürbar zurück. Damit zeichnete sich auch ab, dass die zunächst angenommenen Kapazitäten nicht mehr in diesem Umfang benötigt würden. Daher wurde ein noch nicht produziertes Teilkontingent von fünf Wohnmodulen mit etwa 500 Plätzen storniert und der Leasingvertrag entsprechend angepasst. Tatsächlich aufgebaut wurden noch acht Wohnanlagen. Sieben weitere Einheiten, die bereits zur Auslieferung anstanden, aber nicht mehr benötigt wurden, mussten aufgrund der Vertragslage dennoch abgenommen werden. Versuche, die überflüssigen Container gleich an andere Interessenten abzugeben, scheiterten. Um weitere Kosten einzusparen, die bei einem Aufbau, etwa für die Bodenplatte und für Anschlüsse, entstanden wären, lagerte der Landkreis das Material ein – dies auch, um kurzfristig Unterbringungsmöglichkeiten zu haben, falls die Flüchtlingszahlen doch wieder steigen.

Dazu kam es jedoch nicht. Deshalb bemühte sich der Kreis ab Mitte 2017, die Containeranlagen zu vermarkten. Landesweit habe man Interessenten gesucht und mit zwölf Kommunen sowie dem Land Gespräche geführt. Angedacht waren unterschiedliche Verwendungen – als Ersatzräume für Schulen wie auch als Obdachlosenunterkünfte. Ohne Erfolg. In Abstimmung mit dem Land, das die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung erstattet, und mit dem Kreistag wurde dann beschlossen, die Leasingverträge aufzulösen und die Module über die Vebeg anzubieten. Der Verkauf solle „den maximal möglichen Ertrag erzielen“. Bis Ende Februar sollen die Angebote vorliegen, und bis Mitte März, so hofft der Landratsvize, kann mit dem Land geklärt werden, wer den Zuschlag erhält. Die Alternative, die Container verschrotten zu lassen, käme wohl teuer – trotz des Materialwerts: Allein fürs Zerlegen und den Transport entstehe ein hoher Aufwand, zudem sei auch nicht alles verwertbar.

Kretzschmar fasst zusammen: „Die Bewältigung der Flüchtlingskrise war für den Steuerzahler ohne Zweifel mit erheblichen Kosten verbunden.“ Zugleich räumt er ein: „Die Kosten für die halbwegs adäquate und humanitär vertretbare Unterbringung so vieler geflüchteter Menschen in so kurzer Zeit hätten Ende 2015/Anfang 2016 unter normalen Umständen und ohne den politischen Druck sicher geringer sein können.“

Kreis will Wohncontainer vermarkten

© Pressefotografie Alexander Beche

„Die Containeranlagen waren 2016 die mit

Abstand wirtschaftlichste

Alternative.“

Erster Landesbeamter

Michael Kretzschmar

Info
Sieben Wohnsysteme sind noch in Gebrauch

Von den Containeranlagen wurden acht tatsächlich aufgebaut. Davon stehen in Fellbach drei, in Leutenbach zwei sowie in Schwaikheim und Allmersbach im Tal je eine. Sie werden teils vom Landkreis selbst, teils von den Kommunen genutzt.

Eine weitere Anlage in Urbach wurde bei einem Brand so stark beschädigt, dass ihr Abbau, wie der Erste Landesbeamte Michael Kretzschmar erklärt, wirtschaftlicher war als die Instandsetzung. Den entstandenen Schaden hat die Versicherung ersetzt.

Die jetzt noch vorhandenen sieben Wohnanlagen will der Landkreis so lange wie möglich, und wie dies wirtschaftlich vertretbar ist, nutzen – immer vorausgesetzt, die Container bleiben im Vergleich mit den zur Verfügung stehenden Alternativen die günstigste Variante.

Darüber hinaus werden keine Container mehr vorgehalten. Dies ist auch angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen und nach den Vorgaben des Lands nicht mehr vorgesehen.

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Erstellt:
21. Februar 2019, 06:00 Uhr

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