Medienkongress in Stuttgart

Kretschmann besorgt über „Lügen“ im Internet

Beim Medienkongress „Source“ sieht der Ministerpräsident eine wachsende Gefahr für die Demokratie durch Falschinformationen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht bei Medienkongress.

© Lichtgut/Leif Piechowski

Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht bei Medienkongress.

Von Christoph Link

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat beim Medienkongress „Source“ der Landesregierung am Donnerstag in Stuttgart seine Sorge über zunehmende „Fake News“ auf Internet-Kanälen geäußert. Egal, ob die Existenz eines Virus, der Klimawandel oder die Souveränität der Ukraine im Netz geleugnet werde: „Die systematischen Lügen greifen das Nervenzentrum unserer Demokratie an.“ Der öffentliche Raum brauche Rede und Gegenrede, die Lügen lähmten jede Auseinandersetzung. Politiker müssten „mühsam den Lügenschutt wegräumen“.

Die klassischen Medien – Presse, Funk, Fernsehen – haben wegen Instagram, Tiktok, Telegram und Facebook massiv an Boden verloren. Wie der Journalismus darauf zu reagieren hat, das war das Thema des Kongresses. „Heute kann sich jeder seine Infos selbst holen“, konstatierte Kretschmann, aus dem Bringsystem sei ein Holsystem geworden.

Kretschmann für Schulfach Medienbildung

Ganz frei von Verantwortung dafür wollte der Ministerpräsident die traditionellen Medien nicht sprechen: Wer beispielsweise Fragen gestellt habe, wie viele Flüchtlinge unser Land aufnehmen könne, sei „rasch in eine Ecke geschoben worden“. Das habe Scham, Wut und Radikalität bei Betroffenen erzeugt, die sich dann im Internet „ihre eigenen Kanäle“ gesucht hätten. Der vom Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen aufgestellten Forderung, ein Schulfach Medienbildung zu etablieren, stimmte Kretschmann zu: „Das wird kommen. Da sind wir dabei.“

Allerdings müsse jemand sagen, was man dafür im Fächerkanon streiche. Auf seine Vorschläge – weniger Rechtschreibung, Verzicht auf zweite Fremdsprache – habe er einen Shitstorm geerntet. Viel Aufsehen erntete Pörksen mit seinem Vorschlag, ein Journalismus im digitalen Zeitalter müsse eine „engagierte Objektivität“ aufweisen. Journalisten müssten mehr sein als am „Spielfeld des Schreckens stehende Stenografen“. Natürlich wolle er keine Pressevertreter, die sich als „Weltverbesserer“ verstehen, sie dürften aber auch keine „Steigbügelrhetorik für Populisten“ erzeugen, sondern müssten eine „moralische Klarheit und Wahrhaftigkeit“ bei Punkten wie Demokratie und Umweltschutz an den Tag legen.

Klarer Aufruf zu journalistischer Objektivität

Dem ist heftig widersprochen worden von Robin Alexander („Welt“) sowie von Helene Bubrowski, Vizechefredakteurin von Table.Briefings. Sie plädierten für eine scharfe Trennung von Nachricht und Meinung, Journalisten seien keine Aktivisten. „Haltung oder Handwerk?“ war denn auch das Thema eines der Gesprächsforen, das der StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs moderierte: Ein Journalist müsse beides haben und können, antwortete Helene Reiner, die mit ihrem Nachrichtenformat „News-WG“ ein jüngeres Zielpublikum erreicht, da es „Basics“ vermittelt und auf persönliche Ansprache setzt.

Den klassischen Medien machen auch ein sinkendes Vertrauen in sie und eine grassierende Nachrichtenmüdigkeit in der Bevölkerung zu schaffen. Wie ein „Gütesiegel für Glaubwürdigkeit“ im Journalismus aussehen könne, fragte Dorfs. Die Antworten fielen vage aus. Selbst die Marken – Verlage, Funkhäuser – hätten an Glaubwürdigkeit eingebüßt, hieß es. Auf vertraute Persönlichkeiten im Journalismus zu setzen, dafür plädierten einige Experten, aber auch hier tun sich Fallstricke auf: So gab es den Versuch, die renommierte Nachrichtensprecherin Susanne Daubner mittels Künstlicher Intelligenz (KI) zu klonen. Beim Thema KI müssten die traditionellen Medien hohe Transparenz beweisen, so Markus Beckedahl, Gründer von Netzpolitik.org. Manche Nachrichtenkanäle im Netz aber tun genau das Gegenteil: Sie schalteten Anzeigen, die auf „Deep Fakes“ verwiesen, und die Redaktionen sagten dann, damit hätten sie nichts zu tun.

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Erstellt:
14. November 2024, 15:52 Uhr
Aktualisiert:
15. November 2024, 14:40 Uhr

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