Kretschmann kritisiert Ampel und Corona-Verordnungen

dpa/lsw Stuttgart. Mit Aussagen zur Corona-Lage hat sich Regierungschef Kretschmann Ärger eingehandelt. Seither erläutert er seine Sicht auf die Dinge und weist auch auf Probleme hin, die seiner Meinung nach hier und da bestehen. Das bleibt nicht unkommentiert.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne, r) spricht im Plenarsaal mit Fraktionsvorsitzendem Andreas Schwarz. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne, r) spricht im Plenarsaal mit Fraktionsvorsitzendem Andreas Schwarz. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat das Agieren der Bundesregierung um Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Corona-Politik kritisiert. „In einer Pandemie muss der Regierungschef stark führen, anders geht es nicht“, sagte Kretschmann am Samstag dem Deutschlandfunk. „In einer Krise ist die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs einfach gefragt.“ Wenn die Koalitionspartner dem nicht relativ frei folgen, sei das ein Problem. Vor allem die FDP im Bund spricht sich für Öffnungsschritte und Lockerungen der Corona-Regeln aus.

Der Fraktionschef der FDP im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke, teilte mit: „Wer in den letzten Wochen derart widersprüchlich agiert hat und sich so oft korrigieren musste wie Winfried Kretschmann, der sollte mit seiner Kritik an anderen zurückhaltend sein.“ Als Beispiele nannte er kurzfristig geänderte 2G-Plus-Regeln in der Gastronomie, den von der Regierung verlorenen Gerichtsprozess um den sogenannten Stufenplan, an den Kretschmann sich nicht gehalten habe, und die Debatte um Lockerungen bis Ostern.

Am Dienstag hatte sich der Regierungschef dagegen ausgesprochen, vor Ostern über ein Ende der Corona-Beschränkungen überhaupt zu reden. Nach viel Kritik stellte er Lockerungen bis Ostern in Aussicht, sollte sich die Corona-Lage verbessern. Noch nicht verantwortbar sei ein „Exit“, also ein Ausstieg aus den Corona-Beschränkungen.

Im Deutschlandfunk bekräftigte Kretschmann diese Position: Die Gesellschaft könne und solle über eine Exitstrategie und ein Ende der Pandemie sprechen. Als Ministerpräsident könne er hingegen keine solche Debatte vom Zaun brechen. Zudem versicherte Kretschmann: „Lockerungen werden selbstverständlich kommen und ich werde auch selber welche machen, wenn die Infektionslage das zulässt - genauer gesagt, wenn die Belastung des Gesundheitswesens das zulässt.“

Er halte sich an Fakten und lockere oder verschärfe dann, wenn es die Lage zulasse, sagte Kretschmann. Ostern sei ein geeigneter Zeitpunkt, weil es dann Schulferien gebe. Ein Problem seien zu komplexe Regelwerke. „Unsere Verordnungen sind viel zu kompliziert“, sagte er dem Sender weiter. Es handele sich weniger um Kommunikationsprobleme.

Das Dilemma sei allerdings, dass einfachere Vorgaben schwerlich möglich seien. Entweder alles werde viel strenger, dann kassierten Gerichte das ein. Oder alles werde lockerer, dann laufe die Pandemie aus dem Ruder. Daher müsste er zielgenau für jeden Bereich Regeln finden, argumentierte Kretschmann. Diese seien für die Wirtschaft anders als für Kultureinrichtungen oder Sportveranstaltungen.

FDP-Mann Rülke kommentierte, Kretschmann zitiere gerne die Bibel. Vielleicht kenne er auch das Bild von jenem, der den Splitter im Auge des Nächsten beklagt, aber den Balken im eigenen Auge übersieht. „Bei Corona findet sich in Kretschmanns Auge ein ganzer Regenwald“, sagte Rülke laut Mitteilung. „Und man reibt sich auch verwundert die Augen, wenn ein Regierungschef seine eigenen Verordnungen als viel zu komplexe Regelwerke bezeichnet. Hält er nun das Heft des Handelns in der Hand oder ist ihm bereits alles entglitten?“

Mit Blick auf die Ampel-Koalition im Bund sagte Kretschmann in dem Interview, in einer Pandemie dürften nicht beliebige Kompromisse gemacht werden - diese müssten wirken. „Das Virus kümmert sich ja nicht um eine Koalition, es steckt einfach nur an“, sagte der Regierungschef. „Da haben wir jetzt in der Tat ein Problem bekommen.“

Er räumte ein, dass das bei drei Partnern kompliziert sei. Die Lösung zur Impfpflicht, diese über Gruppenanträge im Bundestag einführen zu wollen, sei zum Beispiel ein langwieriges Verfahren mit der Gefahr, dass es zum Schluss zerredet werde und keine klare Linie herauskomme.

Weiter sagte der Ministerpräsident, er sei „gottfroh“, wenn es wieder geordnete Verfahren gebe ohne Druck der Pandemie. „Ich bin froh, wenn das rum ist.“ Er habe keinen Genuss am Durchregieren.

© dpa-infocom, dpa:220205-99-987568/3

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Erstellt:
5. Februar 2022, 12:56 Uhr

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