Kretschmann: Grenzschließung wegen Virusmutanten möglich
dpa/lsw Stuttgart/Berlin. An der bayerischen Grenze zu Österreich und Tschechien gibt es bald wieder strikte Kontrollen - wegen der Corona-Mutanten. Auch Baden-Württemberg schließt nicht mehr aus, den Grenzverkehr wie im Frühjahr einzuschränken. Dagegen regt sich Widerstand.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) schließt wegen der Gefahr durch die Mutanten des Coronavirus Grenzkontrollen wie im Frühjahr nicht aus. Wenn sich die Virusvarianten in den Nachbarländern immer stärker ausbreiteten, „kann das natürlich im Extremfall auch zu Grenzschließungen führen“, sagte Kretschmann am Donnerstag im Landtag in Stuttgart.
„Wir wollen sie natürlich vermeiden“, beteuerte der Grünen-Politiker. Das bleibe die Linie, doch könne sich das insbesondere wegen der Verbreitung der südafrikanischen Virusvariante auch ändern. Er sagte zu, sich mit den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und des Saarlands, Malu Dreyer (SPD) und Tobias Hans (CDU), wegen der Grenze zu Frankreich absprechen zu wollen.
Beim ersten Lockdown im Frühjahr waren nationale Grenzkontrollen eingeführt worden, um das Einschleppen des Virus aus dem Ausland so weit wie möglich zu verhindern. Damals hatte es herbe Kritik an dieser Maßnahme gegeben, weil Pendler, Familien und Unternehmen darunter litten.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) trat auf die Bremse. Noch seien die Voraussetzungen für einen solchen Schritt längst nicht erfüllt. Hintergrund ist, dass Frankreich vom Auswärtigen Amt als Corona-Risikogebiet eingestuft wird. Allerdings könnte es demnächst in ein Hochinzidenzgebiet hochgestuft werden. Die höchste Stufe ist „Virusvarianten-Gebiet“.
Die Bundesregierung stufte am Donnerstag Tschechien und Tirol als sogenannte Virusmutationsgebiete ein. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) habe entschieden, ab Sonntag neben den seit der Flüchtlingskrise bestehenden Binnengrenzkontrollen zu Österreich auch an den Grenzen zu Tschechien vorübergehende Grenzkontrollen einzuführen, teilte ein Sprecher mit.
Unter den bislang als Virusmutationsgebiete eingestuften Staaten, für die ein Beförderungsverbot nach Deutschland gilt, ist bislang kein Nachbarland. Aus den bereits festgelegten Mutationsgebieten im Ausland dürfen derzeit fast nur noch Deutsche und Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland einreisen. Außerdem gibt es Sonderregeln für medizinisches Personal, Transit-Passagiere und den Warenverkehr.
Tschechien war bereits als Hochrisikogebiet eingestuft. Es solle nun - wie etwa Großbritannien - zum Virusvarianten-Gebiet erklärt werden, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Reisende aus Tschechien müssen schon jetzt bei der Einreise einen negativen Corona-Test vorlegen. Die Ausweisung als Virus-Variantengebiet würde die Reisemöglichkeiten noch weiter einengen.
In der Grenzregion zwischen dem Südwesten und Frankreich regte sich Widerstand gegen mögliche strikte Grenzkontrollen. Die geschlossenen Grenzen im vergangenen Jahr hätten massive Auswirkungen auf den Alltag der Bürgerinnen und Bürger gehabt - sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich, erklärte Christian von Wartburg, Präsident des Oberrheinrats. Das Gremium versammelt Politiker aus dem Elsass, aus Baden, der Südpfalz und der Nordwestschweiz, die sich für die Belange der Region einsetzen.
Jetzt müssten pragmatische Regeln gefunden werden, forderte von Wartburg. Die Pandemie müsse mit grenzübergreifenden Maßnahmen bekämpft werden, statt mit schärferen Kontrollen und nationalen Reflexen. Josha Frey, Mitglied des Landtags Baden-Württemberg und Vize-Präsident des Oberrheinrats, schlug darüber hinaus mobile Teststationen an den Grenzen vor, sollte eine Testpflicht eingeführt werden.
Die Bürgermeisterin der Elsass-Metropole Straßburg, Jeanne Barseghian, warnte vor Grenzschließungen. „Wir müssen alles dafür tun, um zu verhindern, dass wir wieder eine Situation wie im Frühjahr erleben“, erklärte Barseghian. Die Grenzschließungen von damals sei eine „schmerzhafte Erinnerung“ für die Bewohner der Region. Sie seien darauf angewiesen, sich frei über die Grenze bewegen zu können.
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Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild