Kompass-4-Test in Baden-Württemberg
Kretschmann plant Offensive zur Mathe-Fortbildung für Lehrkräfte
Der verpatzte Kompass-4-Test hat Folgen über die Schärfung des Testkonzepts hinaus. Damit die Schüler in Mathe besser werden, sollen die Lehrer büffeln. So jedenfalls will es Winfried Kretschmann.
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© dpa/Julian Stratenschulte
Ministerpräsident Kretschmann kündigt eine Fortbildungsagenda für Mathelehrer an.
Von Bärbel Krauß
An diesem Dienstag haben erstmals Viertklässler in Baden-Württemberg einen Potenzialtest abgelegt, um sich im zweiten Anlauf doch noch für den Wechsel an ein Gymnasium zu qualifizieren. Allerdings hält sich das Kultusministerium mit Informationen bedeckt und will, anders als bei dem missglückten Kompass-4-Test vom November, auch die Aufgaben nicht öffentlich machen.
Erste Viertklässler haben Potenzialtest abgelegt
Wie viele Gymnasien im Land den Potenzialtest abgenommen haben und wie viele Schüler daran teilgenommen haben, soll erst nach dem Nachholtermin bei den Schulen abgefragt werden,teilte die Pressestelle von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) mit. Ende Februar oder Anfang März würden die Anmeldezahlen sowie die Ergebnisse des Potenzialtests gemeinsam mit den Ergebnissen des Kompass-4-Tests veröffentlicht. Laut Informationen unserer Zeitung war der Andrang bei dem einstündigen Potenzialtest von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. Berichtet wird von Gymnasien, an denen gar keine Potenzialtests stattfanden, Schulen mit zwei bis fünf oder bis zu 25 Prüflingen. Jeweils zwanzig Minuten der Prüfungszeit sollten auf Deutsch, Mathematik und überfachliche Qualifikationen verwandt werden.
Die Ergebnisse des Kompass-4-Lernstandstests und des ergänzenden, freiwilligen Potenzialtests werden aus zwei Gründen mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet. Erstens gilt ab diesem Schuljahr das neue Übergangsverfahren für die weiterführenden Schulen. Danach entscheidet beim Übergang auf ein Gymnasium erstmals seit einem Dutzend Jahren nicht mehr der Elternwille. Ergänzend dazu müssen entweder die Grundschulempfehlung der Lehrkräfte oder der Kompass-4-Test oder der Potenzialtest die Befähigung des Schülers für das Lernen an einem Gymnasium nachweisen. Zweitens ist der Kompass-Test nach Aussage von Kultusministerin Theresa Schopper zu schwer gewesen. Sie berief sich dabei auf eine vorläufigen Auswertung, wonach im Fach Mathematik nur sechs Prozent der getesteten Viertklässler das gymnasiale Niveau erreicht hatten. Deshalb ist bei Eltern und Schülern viel Unruhe entstanden.
Kretschmann verordnet Matheunterricht ein Update
Wie vielen Viertklässlern der Kompass-4-Test landesweit einen Kenntnisstand auf Gymnasialniveau attestiert, ist noch nicht bekannt. Klar ist allerdings mittlerweile, dass nicht nur die Testkonzeption nachgeschärft werden und die Mathe-Förderangebote schon in der Grundschule intensiviert werden sollen, was Kultusministerin Schopper bereits avisiert hat. Ministerpräsident Winfried Kretschmann kündigte in der Landespressekonferenz eine Mathematik-Fortbildungsoffensive für die baden-württembergischen Lehrkräfte an. Er betonte, dass im Matheunterricht an den Schulen im Südwesten einiges zu tun sei. „Die Didaktik des Matheunterrichts braucht ein Update“, sagte Kretschmann. „Ich habe mit der Kultusministerin angetextet, dass der Kern für uns eine Agenda für die Fortbildung ist. Das wird sie angehen.“ Er klagte darüber, dass das Bildungsbürgertum in Deutschland geradezu damit kokettiere, in Mathe „eine Flasche“ gewesen zu sein. Das habe negative Folgen für den Matheunterricht und die Motivation der Schüler. Anderswo werde die mathematische Bildung zurecht sehr viel höher geschätzt.
Ganz Deutschland hat eine Matheschwäche
Dass nicht nur Baden-Württemberg sondern ganz Deutschland ein Matheproblem an den Schulen hat, haben zuletzt alle möglichen internationalen und nationalen Mathe-Studien sowie diverse baden-württembergische Tests belegt. Laut der internationalen Mathestudie Timss erreichen in Deutschland nur acht Prozent der Schüler ein Spitzenniveau, während das in England oder Litauen zwanzig Prozent schaffen. Im nationalen IQB Bildungstrend von 2022 zeigte sich, dass nur knapp die Hälfte der getesteten Schüler den Mindeststandard im Fach Mathematik erreicht. Im vergangenen Jahr belegte ein Lernstandstest, dass sechzig Prozent der baden-württembergischen Fünftklässler ohne weitere Hilfestellung nicht dividieren können.
Kretschmann zitierte zur Begründung der Fortbildungsoffensive ein Interview der Wochenzeitung „Die Zeit“ mit der Mathematikdidaktikerin Susanne Prediger. Sie betont, dass die Fachdidaktik in Deutschland heute nicht nur ziemlich genau wisse, wo genau die Lernenden in Mathe abgehängt würden und dem Fach verloren gingen, sondern auch, mit welchen Unterrichtsmethoden dies behoben werden könne. Prediger hat das Mathe-Fortbildungsprogramm QuaMat mitentwickelt, das die Kultusministerkonferenz Ende 2023 beschlossen hat und mit 15 Bundesländern umsetzt. Allerdings gebe es ein Quantitätsproblem: „Wenn das Programm perfekt läuft, erreichen wir damit in zehn Jahren nur etwa sechs Prozent aller Mathematiklehrkräfte.“ Mit diesem Fortbildungstempo will Kretschmann sich nicht abfinden.