Scheitern in Afghanistan: Fraktionchefs fordern Konsequenzen

dpa/lsw Stuttgart. Die Bundesregierung zieht nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan erste Konsequenzen. Sie stoppt die Entwicklungshilfe für das Land. Vom Scheitern des Westens wird offen gesprochen. Auch die Koalition im Südwesten fordert Konsequenzen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht in Stuttgart. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/archivbild

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht in Stuttgart. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/archivbild

Nach der Machtübernahme in Afghanistan durch die militant-islamistischen Taliban hat CDU-Fraktionschef Manuel Hagel die Aufnahme afghanischer Ortskräfte zugesagt, aber auch an die Nachbarstaaten des umkämpften Landes appelliert. „Baden-Württemberg wird da seinen Teil an der Verantwortung leisten in der Verteilung der Menschen, die nach Deutschland kommen“, sagte Hagel am Dienstag in Stuttgart. „Wir sind aber auch angehalten, gemachte Fehler nicht zu wiederholen.“

Es könnten nicht alle afghanischen Probleme innerhalb Deutschlands gelöst werden, sagte der CDU-Fraktionschef. Welthungerhilfe und Flüchtlingswerk dürften nun nicht im Stich gelassen, Mittel sollten nicht zusammengestrichen werden. Vielmehr müsse den Menschen in der Region vor Ort und in den umliegenden Ländern geholfen werden. Das Ziel, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Afghanistan einzuführen, sei aber gescheitert, sagte Hagel. „Diese Werte lassen sich vielleicht nicht so einfach exportieren wie zum Beispiel ein Iphone.“

Ähnlich hatte sich am Tag zuvor bereits der baden-württembergische Innenminister und CDU-Landeschef Thomas Strobl geäußert. Er hatte unter anderem gefordert, sehr rasch jene Nachbarländer Afghanistans wie Pakistan oder Iran europäisch und international zu unterstützen, in die viele Afghanen vor dem Terror der Taliban flüchten würden.

Andreas Schwarz, Fraktionschef der Grünen, forderte einen Nato- oder EU-Gipfel, um das Verhalten der westlichen Verbündeten mit Blick auf die vergangenen Jahre zu diskutieren. „Es muss dort auch besprochen werden, wie es weitergeht“, sagte Schwarz. „Ich habe den Eindruck, man ist da etwas planlos unterwegs.“ Von der Lage am Hindukusch sei er zutiefst betroffen. „Wenn man diese Bilder sieht, dann kommen einem die Tränen. Mir blutet da das Herz“, sagte er.

Nach dem Rückzug ausländischer Streitkräfte hatten die Taliban die Macht in Afghanistan rasch wieder an sich gebracht. Afghanen, die als Übersetzer, Fahrer oder andere Hilfskräfte für ausländische Organisationen gearbeitet haben, gelten als gefährdet. Die Evakuierung deutscher Staatsbürger aus der von den Taliban übernommenen Hauptstadt Kabul hat begonnen, gestaltet sich aber chaotisch. Die Bundeswehr war erst Ende Juni nach einem 20-jährigen Einsatz aus Afghanistan abgezogen.

Für die FDP-Fraktion forderte deren migrationspolitischer Sprecher Hans Dieter Scheerer eine nationale und eine europäische Verständigung über die weitere humanitäre Hilfe. „Selbstverständlich muss dann auch Baden-Württemberg Ortskräfte, ihre Familien und besonders von der Taliban verfolgte Gruppen, wie etwa Frauenrechtler oder Künstler aufnehmen“, sagte er. „Gerade die Ortskräfte sprechen gut Deutsch, sind gut ausgebildet und sollten bei uns schnell und unbürokratisch in den Arbeitsmarkt vermittelt werden.“

Die oppositionelle baden-württembergische AfD sprach sich dagegen für einen anderen Ansatz aus: Der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Markus Frohnmaier spricht sich für „eine heimatnahe Unterbringung der Helfer in stabileren Staaten rund um Afghanistan“ aus. „Da Deutschland diese Region über Jahrzehnte mit Entwicklungsleistungen in Milliardenhöhe unterstützt hat, muss die Bundesregierung diese heimatnahe Unterbringung jetzt diplomatisch forcieren“, sagte er.

© dpa-infocom, dpa:210816-99-861942/5

US-Soldaten bewachen eine Absperrung am Flughafen in Kabul, dahinter sitzen und stehen Afghanen und Afghaninnen. Foto: -/AP/dpa/Archivbild

US-Soldaten bewachen eine Absperrung am Flughafen in Kabul, dahinter sitzen und stehen Afghanen und Afghaninnen. Foto: -/AP/dpa/Archivbild

Zum Artikel

Erstellt:
16. August 2021, 16:01 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen