Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Der russische Angriff auf die ukrainische Region Charkiw läuft weiterhin, doch es gibt Zeichen für eine Stabilisierung der Lage. Experten sehen mehrere Gründe dafür. Die News im Überblick.

Polizisten inspizieren einen Teil einer russischen Rakete, die in der Nähe eines Wohnhauses in Charkiw eingeschlagen ist.

© Andrii Marienko/AP

Polizisten inspizieren einen Teil einer russischen Rakete, die in der Nähe eines Wohnhauses in Charkiw eingeschlagen ist.

Von Von Hannah Wagner, André Ballin und Magdalena Tröndle, dpa

Charkiw - Angesichts der russischen Offensive bleibt die Lage im ostukrainischen Gebiet Charkiw äußerst angespannt. Von einzelnen Positionen mussten sich ukrainische Truppen eigenen Angaben zufolge zurückziehen.

Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte vor diesem Hintergrund alle Auslandsreisen ab, die für die kommenden Tage geplant waren. Unterdessen stellte US-Außenminister Antony Blinken dem angegriffenen Land während seines Besuchs in Kiew weitere Militärhilfen in Aussicht.

Selenskyj sagt Auslandsreisen ab

"Wolodymyr Selenskyj hat die Anweisung gegeben, alle internationalen Veranstaltungen mit seiner Beteiligung für die kommenden Tage zu verschieben", teilte sein Sprecher Serhij Nykyforow auf Facebook mit. Für die abgesagten Reisen sollen demnach nun neue Termine gefunden werden. Zuvor hatte bereits das spanische Königshaus ein für Freitag geplantes Treffen Selenskyjs mit König Felipe VI. in Madrid wieder von seiner Internetseite gelöscht. Auch eine Reise Selenskyjs nach Portugal war offenbar geplant gewesen und wurde nun gestrichen.

Russland, das seit mehr als zwei Jahren einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine führt, hat in der vergangenen Woche in der Grenzregion eine neue Offensive im Gebiet Charkiw begonnen. Infolgedessen besetzten russische Truppen mehrere ukrainische Dörfer in der Nähe der Grenze.

Ukrainische Armee meldet Abzug von einzelnen Positionen

Zuletzt sah die ukrainische Armee sich eigenen Angaben zufolge gezwungen, ihre Soldaten von einzelnen Positionen abzuziehen. "Infolge von Kampf- und Offensivhandlungen des Gegners haben unsere Einheiten an bestimmten Abschnitten im Raum Lukjanzi und Wowtschansk ein Manöver durchgeführt und sich in vorteilhaftere Positionen begeben, um das Leben unserer Soldaten zu retten und um Verluste zu vermeiden", teilte der ukrainische Generalstab in der Nacht auf Mittwoch mit. In der Mitteilung hieß es aber auch: "Die Kämpfe dauern an."

X-Post ISW

Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) stellte unterdessen fest, dass das Tempo der russischen Vorstöße in Charkiw sich zuletzt verlangsamt zu haben scheint. Das Muster der Militäraktivitäten in diesem Gebiet untermauere die Einschätzung des ISW, dass die russischen Streitkräfte der Schaffung einer "Pufferzone" an der Grenze zwischen Russland und der Ostukraine Vorrang vor einem tieferen Eindringen in die Region geben, schrieb die Denkfabrik mit Sitz in Washington am Dienstag (Ortszeit) in ihrem jüngsten Bericht.

USA stellen zwei Milliarden US-Dollar Militärhilfe bereit

Die US-Regierung stellt der Ukraine zwei Milliarden US-Dollar für militärische Zwecke zur Verfügung. Das kündigte US-Außenminister Blinken bei seinem Besuch in Kiew an. Mit einem Teil des Geldes wolle man Waffenlieferungen an das von Russland angegriffenen Land finanzieren, sagte Blinken. Ein weiterer Teil sei für Investitionen in die ukrainische Verteidigungsindustrie vorgesehen. Schließlich solle das Geld der Ukraine auch bei der Beschaffung militärischer Ausrüstung aus anderen Ländern helfen.

"Wir arbeiten daran, dass sich die Ukraine heute auf dem Schlachtfeld durchsetzen kann", sagte Blinken bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenminister Dmytro Kuleba. Es gehe aber auch darum, die Ukraine in die Lage zu versetzen, künftige Angriffe abzuschrecken und abzuwehren und dem ukrainischen Volk das Recht zu sichern, über seine Zukunft selbst zu entscheiden.

Der mehrtägige Besuch ist für Blinken der vierte seit Kriegsbeginn im Februar 2022. Zugleich war es die erste Visite nach Verabschiedung eines lange verzögerten Hilfspakets in Höhe von 61 Milliarden US-Dollar (56,5 Milliarden Euro) durch die USA. Die Ukraine ist aus einem Mangel an Waffen, Munition und Soldaten seit Monaten in der Defensive.

Russisches Militär meldet erneute Eroberung von Ort in Südukraine

Während der Hauptfokus derzeit auf Charkiw liegt, besetzte Russlands Armee eigenen Angaben zufolge in der Südostukraine die Ortschaft Robotyne - und das bereits zum zweiten Mal seit Kriegsbeginn. Robotyne war bereits am 6. März 2022, kurz nach Beginn der russischen Invasion, von russischen Truppen besetzt worden. Mehr als ein Jahr später dann befreiten die Ukrainer den Ort im Zuge ihrer Sommeroffensive. Dass sie ihn nun wieder an die russischen Angreifer verloren haben sollen, bestätigten sie zunächst nicht. Auch unabhängig ließen sich die Angaben aus Moskau erst einmal nicht verifizieren.

Tschechiens Präsident zweifelt an Rückeroberung ukrainischer Gebiete

In Tschechien löste derweil Präsident Petr Pavel Diskussionen aus mit Warnungen vor unrealistischen Erwartungen an den ukrainischen Abwehrkrieg. "Es wäre naiv zu glauben, dass die Ukraine in absehbarer Zeit vollständig die Kontrolle über ihr Territorium zurückgewinnen kann", sagte der frühere tschechische Generalstabschef im Sender Sky News. Russland werde die besetzten Gebiete nicht aufgeben. "Was wir tun müssen, ist, den Krieg zu stoppen", forderte der 62-Jährige. Anschließend könne man über eine künftige Vereinbarung verhandeln. Einen Kompromiss könne es indes nur mit Zustimmung der Ukraine und Russlands sowie mit der Hilfe von Garantiestaaten geben.

Pavel dämpfte auch Hoffnungen auf einen baldigen Nato-Beitritt der Ukraine. In Prag sorgten die Äußerungen des Ex-Nato-Generals am Mittwoch teils für Überraschung. "Man muss verhandeln, (...) aber nicht unter Bedingungen, die Moskau diktiert", sagte etwa der konservative Innenminister Vit Rakusan.

Dmytro Kuleba (l) und Antony Blinken vor dem Beginn ihrer Gespräche.

© Brendan Smialowski/POOL AFP/AP/dpa

Dmytro Kuleba (l) und Antony Blinken vor dem Beginn ihrer Gespräche.

Durch einen der heftigsten Luftangriffe in mehr als zwei Jahren Angriffskrieg hat Russland in der Vorwoche schwere Schäden am Energiesystem der Ukraine angerichtet. In der ostukrainischen Großstadt Charkiw fiel der Strom komplett aus.

© Yevhen Titov/AP/dpa

Durch einen der heftigsten Luftangriffe in mehr als zwei Jahren Angriffskrieg hat Russland in der Vorwoche schwere Schäden am Energiesystem der Ukraine angerichtet. In der ostukrainischen Großstadt Charkiw fiel der Strom komplett aus.

Zum Artikel

Erstellt:
15. Mai 2024, 06:26 Uhr
Aktualisiert:
15. Mai 2024, 16:08 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen