Kleine Anfrage der Union
Kritik nach NGO-Vorstoß reißt nicht ab
Eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur Finanzierung von NGOs schlägt nach wie vor hohe Wellen. Viele Reaktionen fielen harsch aus – vor allem ein Putin-Vergleich des Grünen-Politikers Andreas Audretsch.

© dpa/Michael Kappeler
Nach der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD-Fraktion im Zuge des „Zustrombegrenzungsgesetzes“ sieht sich der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz nun erneut Kritik von links ausgesetzt.
Von Michael Haug
Kurz nach der Bundestagswahl hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung eingereicht, die zu hitzigen Debatten führte. In dieser Anfrage stehen 551 Fragen zu Nichtregierungsorganisationen (NGOs), wobei die Finanzierung und die politische Neutralität dieser NGOs im Fokus der Anfrage stehen. Der Vorwurf der Kritiker: Die Union betreibe mit ihrem Vorstoß einen Einschüchterungsversuch ihr gegenüber kritischer Organisationen.
Die Organisationen, über die sich die Union Informationen einholen möchte, werden vom Staat gefördert. Dahinter steht in vielen Fällen die Gemeinnützigkeit, die zu steuerlichen Begünstigungen führt.
Die überwiegend kritischen Äußerungen zu der CDU/CSU-Anfrage „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ sind in ihrer Schärfe sehr unterschiedlich. Es gab zahlreiche Reaktionen aus der Politik, den NGOs und der Wissenschaft.
Die Politik
Thorsten Frei, der ehemalige Oberbürgermeister von Donaueschingen und der heutige Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte im ARD-Morgenmagazin: „Wir wollen niemanden einschüchtern und schüchtern damit niemanden ein. Es ist das Normalste von der Welt, dass Parlamentsfraktionen überprüfen, wo öffentliche Gelder oder steuerliche Begünstigungen hinfließen.“
Die SPD, möglicher Koalitionspartner der Union, sieht das anders. „Ich kann mir keine Situation vorstellen, wo wir morgens in Arbeitsgruppen zusammensitzen und über die Investitionen in die Bundeswehr, in die Bahn oder Infrastruktur diskutieren. Und nachmittags erlebe ich, dass die Union genau solche Anfragen rausschickt und Organisationen, die unsere Demokratie schützen, an den Pranger stellt“, sprach der neue SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil nach der Veröffentlichung der Anfrage von einem „Foulspiel“.
Andreas Audretsch, gebürtiger Stuttgarter und stellvertretender Vorsitzender der Grünen, fand noch deutlichere Worte: „Wenige Tage nach der Bundestagswahl startet Friedrich Merz einen Einschüchterungsversuch gegen die freie Zivilgesellschaft in Deutschland.“ Merz tue das Gegenteil davon, sich von AfD-Methoden zu distanzieren. „Ich kenne ein solches Playbook gegen die Zivilgesellschaft nur aus Ländern wie Ungarn zum Beispiel oder aus den frühen Jahren eines Wladimir Putins in Russland“, so Audretsch, der dies „gefährlich“ findet.
Die Medien
Doch was sagen die befragten NGOs, unter denen auch Medien wie Correctiv und Netzwerk Recherche sind? Das Recherchenetzwerk Correctiv beantwortete die 34 Fragen der Union auf ihrer Webseite unter der Angabe, nichts zu verbergen zu haben.
Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels sagte dem Sender „Phoenix“: „Ich dachte am Anfang, als ich diese Fragen las, es sei ein Scherz. Weil da so viele Fehlannahmen drinstanden und weil wir als Medienhaus überhaupt nicht an diesen Demonstrationen beteiligt waren.“ Eingeschüchtert fühle man sich trotz dieser „Einschüchterungsversuche“ aber noch nicht. Dennoch sei es eine Gefahr, dass an der Glaubwürdigkeit etablierter Medienhäuser Zweifel gesät würden.
Weitere NGOs
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Deutschland übte ebenfalls Kritik: „Am Tag nach der Bundestagswahl richtet sich die CDU/CSU gegen die Zivilgesellschaft. “ Den NGOs werde vorgeworfen, „eine Schattenstruktur zu sein“. Monika Salzer, Gründerin von „Omas gegen Rechts“, sagte dem „Tagesspiegel“: „Der Fragenkatalog erinnert an Diktaturen.“
Die Wissenschaft
Auch aus der Wissenschaft gibt es erste Reaktionen. „Die werden es sich jetzt zwei Mal überlegen, ob sie noch mal solche Demonstrationen veranstalten“, prognostizierte Politikwissenschaftler Maximilian Schiffers von der Universität Duisburg-Essen die Reaktion der Organisatoren. „Das habe es in dieser Form in Deutschland bisher nicht gegeben“, so der Politologe, der kann ich nicht nachvollziehen könne, wie man das Vorgehen der Unionsparteien nicht als Drohung wahrnehmen kann.
Auch Hans Vorländer, Demokratieforscher von der TU Dresden, sieht die CDU-Fragen auf MDR-Anfrage als bedenklich an: „Diese Einschüchterung ist bei den Institutionen spürbar.“
Eine Organisation gilt laut § 52 der Abgabenordnung dann als gemeinnützig, wenn sie die Allgemeinheit fördert. Gemeinnützige Organisationen müssen parteipolitisch neutral bleiben, dürfen sich aber gelegentlich zu tagesaktuellen politischen Themen äußern. Diese tagespolitischen Äußerungen dürfen aber nicht in den Mittelpunkt gestellt werden. Diese nicht ganz schwarz-weiße Rechtslage lässt Spielraum für Interpretationen.