Künftige DGB-Spitze will Gerechtigkeit und Investitionen
dpa/lsw Stuttgart. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund steht ein Wechsel an der Spitze an. Die Neuen positionieren sich. Sie haben aber mit Mitgliederverlusten zu kämpfen.
Der künftige DGB-Landeschef Kai Burmeister will das Thema Gerechtigkeit zu einem Schwerpunkt der Dachorganisation der Gewerkschaften machen. Burmeister sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart: „Wir brauchen eine Gerechtigkeitsoffensive für Baden-Württemberg. Hier geht es nicht jedem Menschen gut.“ Jeder Achte sei von Armut bedroht. 14 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im Südwesten - rund 430.000 Frauen und Männer - seien von Niedriglöhnen betroffen. Sie erhielten ein Bruttoentgelt, das weniger als 2285 Euro im Monat betrage. Das reiche kaum zum guten Leben.
Der 45 Jahre alte Burmeister, der zuletzt bei der IG Metall Bezirksleitung tätig war, soll am Samstag bei der hauptsächlich virtuell abgehaltenen DGB-Bezirkskonferenz zum neuen Vorsitzenden gewählt werden. Sein Vorgänger Martin Kunzmann tritt nicht mehr an.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist die politische Stimme von acht Einzelgewerkschaften und vertritt die Interessen von 803.000 Mitgliedern. Die Arbeitnehmerorganisation hatte Ende 2015 noch 817.000 Mitglieder. Zu Burmeisters Stellvertreterin soll die 40 Jahre alte Maren Diebel-Ebers gewählt werden. Sie ist Mitglied bei Verdi.
Burmeister kritisierte, dass nur noch jeder zweite Beschäftigte durch Tarifverträge geschützt sei. „Wir brauchen in Baden-Württemberg mehr Tarifbindung.“ Auch die Politik müsse dazu beitragen. Grün-Schwarz müsse die Tarifbindung stärken. „Wir brauchen einen Mindestlohn bei öffentlichen Auftragsvergaben. Er muss mindestens der untersten Entgeltstufe im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes entsprechen.“
Diebel-Ebers forderte ein milliardenschweres Investitionsprogramm von der grün-schwarzen Landesregierung. „Wir brauchen eine Investitionsoffensive im Land bei der öffentlichen Daseinsvorsorge, also im Bereich Schulen, Digitalisierung, Nahverkehr, Gesundheitswesen und Verwaltung.“ Im Südwesten sei in den letzten Jahren ein Investitionsstau von 20 Milliarden Euro aufgelaufen. Hinzu kämen die aktuellen Investitionsbedarfe, um die Klima- und Mobilitätswende voranzutreiben und für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen. „Hierfür sind bis 2025 weitere 20 Milliarden Euro notwendig.“
Diebel-Ebers forderte Lockerungen bei der Schuldenbremse. „Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich Gedanken macht, wie alternative Finanzierungsmöglichkeiten aussehen könnten, um den Herausforderungen von Transformation und Klimawandel zu begegnen.“
Notwendig sei auch der Bau von mehr bezahlbarem Wohnraum. „Wir brauchen mindestens 10.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr, damit der Bestand perspektivisch wieder dem Bedarf entspricht“, sagte die künftige DGB-Vizechefin.
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